Dopingfall Sun Yang:"Der Abfall der Welt"

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Kehrt Sun Yang in Tokio ins Becken zurück? Der chinesische Schwimmer muss sich zunächst erneut vor dem Internationalen Sportsgerichthof Cas verantworten. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Das Schweizer Bundesgericht hebt die acht Jahre Dopingsperre gegen den Schwimmer Sun Yang auf - aber nicht, weil es den Chinesen für unschuldig hält. Es geht um Tweets des leitenden Richters.

Von Saskia Aleythe

Siegessicher war Sun Yang immer, das galt im Pool wie vor Gericht. Elf WM-Titel hat sich der heute 29-Jährige zwischen 2011 und 2019 erschwommen, dazu drei Olympiasiege. Sun Yang konnte es kurz, er konnte es lang, mal über 200 Meter Freistil, mal über 800. Und als er im November 2019 nach zehnstündiger Gerichtsverhandlung am Internationalen Sportgerichtshof Cas mit seiner Mutter im Arm in Montreux vor die Fotografen trat, war er so sicher, einen Freispruch zu erhalten, dass er der chinesischen Presse erzählte, er werde auch in Zukunft ganz oben auf dem Podium stehen. Die Botschaft war klar: Ich komme wieder!

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Ob es wirklich so geschieht? Nun, bis kurz vor Weihnachten galt Sun Yangs Karriere quasi als beendet: Der Cas hatte den Chinesen im Februar mit einer Acht-Jahres-Sperre belegt. Das Gericht sah es damals als erwiesen an, dass er bei einer chaotisch verlaufenen Dopingkontrolle im Herbst 2018 seine schon abgegebene Blutprobe mit einem Hammer zerstören ließ - das war als unzulässige Manipulation zu werten. Erschüttert vom Urteil hatte Sun Yang Anfang 2020 Einspruch vor dem Schweizer Bundesgericht angekündigt; er hatte stets darauf verwiesen, dass die Kontrolleure seiner Meinung nach unzureichend autorisiert gewesen seien und die Kontrolle damit unzulässig und nichtig.

Die Karriere des Chinesen schien schon beendet zu sein, nun könnte er im Sommer in Tokio starten

Und nun kam es also zu einer Wendung, die am 23. Dezember die Schwimmwelt aus der Weihnachtsstimmung holte: Das Bundesgericht hob die Sperre gegen Sun Yang auf. Nicht, weil es das Urteil für falsch hält - überprüft werden ohnehin nur Verfahrensfehler und Verstöße gegen die Menschenrechte. Wohl aber stufte das Bundesgericht den Vorsitzenden Richter des Cas-Panels als befangen ein. Maßgeblich für diesen Eindruck: Tweets.

Es ist die nächste kuriose Wendung in der Geschichte. Ursprünglich war Sun Yang für die zerstörte Probe vom Schwimm-Weltverband Fina nur verwarnt worden, die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada brachte den Fall dann vor den Cas, der kam schließlich nach einer turbulenten öffentlichen Sitzung in einem Hotel in Montreux zu seinem Urteil. Ein Sprecher der Wada sagte nun gegenüber der New York Times, dass die Tweets von Franco Frattini das Bundesgericht zu der Entscheidung bewogen hätten.

Franco Frattini, hier 2010 als italienischer Außenminister, leitete das Panel des Internationalen Sportgerichtshofs Cas im Fall Sun Yang. Und ist nun dafür verantwortlich, dass das Urteil aufgehoben wurde. (Foto: Elvis Barukcic/AFP)

Der ehemalige italienische Außenminister und EU-Kommissar ist engagierter Tierschützer und postet oft wortgewaltige Statements über chinesische Tierquäler - für die Anwälte Sun Yangs war das ein gefundenes Fressen. Sie sahen in den digitalen Äußerungen Beleidigungen des chinesischen Volks, mindestens in einem Tweet auch rassistische Züge, weshalb Frattini nicht unabhängig urteilen könne.

Im Fokus stehen vor allem Tweets aus dem Sommer 2018, in denen Frattini das Hundefleisch-Festival im chinesischen Yulin anprangerte. Die Worte "Bastarde", "Sadisten" und "Hölle" fallen im Zusammenhang mit den Tierquälern oft, einmal schreibt er unter ein Foto: "Diese schreckliche Frau lacht, während sie Hundefleisch isst. Das bestätigt, dass diese Chinesen der Abfall der Welt sind und nicht wissen, was Menschlichkeit bedeutet." Das Schweizer Bundesgericht schien nun dem Eindruck der Anwälte Sun Yangs zu folgen, dass sich Frattini hier nicht nur gegenüber Tierquälern, sondern gegenüber Chinesen im Allgemeinen abfällig ausgelassen hatte.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Sun Yang jetzt doch bei den Sommerspielen in Tokio startet

Für die lange Sperre gegen Sun Yang hatte sich nicht nur Frattini ausgesprochen, sondern auch die zwei anderen Cas-Richter. Der Schwimmer war 2014 schon mal mit einem verbotenen Herzmittel aufgefallen und galt nun als Wiederholungstäter. Die Entscheidung fiel dann einstimmig - doch die Vorwürfe gegen den Juristen und Ex-Politiker Frattini reichten schließlich aus, um das Urteil aufzuheben. Der Fall geht nun an den Cas zurück, der ein neues Verfahren mit neuem leitenden Richter ankündigte. Ein Sprecher des Cas sagte der Washington Post, es sei bedauerlich, dass die Einwände gegen Frattini nicht schon früher erhoben worden seien und das Sportgericht somit keine Möglichkeit hatte, die Vorwürfe selbst zu prüfen.

Tatsächlich waren die besagten Tweets schon zu Prozessbeginn eineinhalb Jahre alt. Und sie sind nur einer von zwei Versuchen von Sun Yangs Anwälten, gegen das Urteil vorzugehen. Mit einem weiteren Antrag wollten sie erreichen, dass die Dauer der Sperre überprüft wird, wie das Portal Inside the Games im Sommer berichtete.

Ein Termin für die neue Verhandlung steht noch nicht fest, klar ist aber: Durch die Aufhebung der Sperre kann Sun Yang jetzt wieder offiziell trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen. Es ist damit zumindest nicht mehr ausgeschlossen, dass er doch noch bei den im Juli beginnenden Olympischen Spielen in Tokio starten könnte. Dass Sun Yang einen langen Atem hat, das gilt im Wasser wie in den Prozessen.

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