Stuttgart schlägt Augsburg:Auch Matarazzo reißt es mit

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Auch Fritzle ist begeistert: Das Maskottchen des VfB und auch Trainer Matarazzo feiern den Siegtreffer. (Foto: Harry Langer/DeFodi Images/Imago)

Schon wieder ein emotionales Comeback: Trotz zweimaligem Rückstand lässt sich der VfB nicht unterkriegen und gewinnt das Kellerduell gegen Augsburg. Trainer Pellegrino Matarrazo muss sich dabei erneut auf seine Offensive verlassen.

Von Felix Haselsteiner

Es lief die 59. Minute, und Pellegrino Matarazzo konnte gar nicht genug bekommen. Zum gefühlt, vielleicht aber auch zum tatsächlich ersten Mal in der zweiten Halbzeit hatte der FC Augsburg einen vernünftigen Entlastungsangriff zustande gebracht, die Stuttgarter Abwehrspieler standen nun in der eigenen Hälfte und taten etwas, was sie seit langer Zeit nicht getan hatten: Einige Sekunden durchatmen.

Matarazzo sah das und ruderte umgehend mit den Armen, er forderte Tempo ein, er zeigte auf die drei Offensivspieler seiner Mannschaft, die an der linken Außenlinie auf ein Zuspiel warteten. Er wollte ganz augenscheinlich, dass der VfB Stuttgart ohne Pause alles tat, um diesen schwäbischen Abstiegsgipfel noch zu gewinnen. Und sein Plan sollte aufgehen.

Mit 3:2 gewann Matarazzos Mannschaft das Spiel gegen den FC Augsburg, in jener 59. Minute hatte es noch 1:2 gestanden. Es war fast genau derselbe Spielverlauf wie vor zwei Wochen beim Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach gewesen, schon damals hatten die Stuttgarter einen Rückstand noch umgebogen und sich überhaupt die Position geschaffen, um noch aufzuschließen zum FC Augsburg und den anderen Plätzen nördlich des Relegationsrangs.

Nun traten die Stuttgarter erneut zu einem Endspiel an, erstmals wieder vor 60 000 Zuschauern, zum letzten Mal mit Thomas Hitzlsperger als Vorstandschef, der bereits Ende März sein Amt an Alexander Wehrle übergeben wird. Und erneut war von Anfang an ersichtlich, dass der VfB von Matarazzo zwar hervorragend eingestellt warm defensiv aber weiterhin anfällig ist. Stuttgart stürmte wild los und vergaß im Eifer sogleich den Augsburger André Hahn, der im Rücken der Abwehr eine Flanke von Iago direkt verwertete und dem FC Augsburg in der sechsten Minute die frühe Führung einbrachte.

Sosa flankt, Anton trifft, Augsburg antwortet jedoch

Stuttgart blieb danach dennoch die bessere Mannschaft: Ein ums andere Mal kam der VfB zu guten Chancen, es war allein die Verwertung, die wieder einmal nicht stimmte - 25 Torschüsse sollten es am Ende des Spiels sein. Erfolgreich war wenig überraschend ein Kopfball nach einer Flanke von Außenverteidiger Borna Sosa, den Waldemar Anton in der 44. Minute zum 1:1 ins Tor köpfte. Der verdiente Ausgleich löste merklich Energie aus, die allerdings auf einen kühlen FC Augsburg traf: Arne Maier dribbelte sich gegen energisch grätschende Stuttgarter in den Strafraum und legte auf Michael Gregoritsch ab, der in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit zum 2:1 traf. "Wir haben das zweimal nicht scharf genug verteidigt, keine Frage", sagte Matarazzo nach dem Spiel am Sky-Mikrofon.

Die Stuttgarter allerdings ließen sich auch vom erneuten Rückstand nicht von ihrem energievollen Offensivspiel abbringen. Die Augsburger fanden trotz der Führung zu keinem Zeitpunkt zu längeren Ballbesitzphasen und wurden im Laufe der zweiten Halbzeit immer mehr in die Defensive gedrängt, Daniel Caligiuri empörte sich später darüber, dass man "mit so einer zweiten Halbzeit" das Spiel verdient verloren habe. Die Augsburger kamen nicht mehr zur Entlastung, Stuttgart hingegen hatte den Ball, eine beeindruckende Moral, mehr Energie - und letztendlich auch die Spieler, die den Unterschied machten.

Ließ FCA-Keeper Rafal Gikiewicz keine Chance: Tiago Tomas. (Foto: Ralf Poller/Avanti/Imago)

Das 2:2 erzielte in der 79. Minute Omar Marmoush mit einem direkten Freistoß. Dass der Ägypter nach einem schwachen Versuch erneut antreten durfte, hatte Mitspieler Chris Führich zwar zu einem Wutanfall gebracht, der perfekt getretene Freistoß gab dem Schützen allerdings recht. "Die Jungs sind erwachsen genug. Wenn er davon überzeugt ist, dann soll er ihn schießen", sagte Matarazzo nach dem Spiel über die kuriose Szene. Sasa Kalajdzic hätte bereits wenige Sekunden nach dem Ausgleich zur Führung treffen können, scheiterte jedoch am starken Rafal Gikiewicz im Augsburger Tor - dem Tiago Tomas dann in der 85. Minute keine Chance ließ.

Der Schuss des Portugiesen aus kurzer Distanz ins Kreuzeck ließ sogar den sonst stets beherrschten Matarazzo ekstatisch an der Seitenlinie entlang zu seiner Mannschaft sprinten. Führich hätte in der Nachspielzeit sogar noch auf 4:2 erhöhen können, scheiterte jedoch freistehend vor dem Tor. Es blieb eine Fußnote des nächsten überlebenswichtigen Stuttgarter Sieges im Kampf um den Nichtabstieg.

Denn bei aller Euphorie, die nach dem 3:2 aufkam: Die erfolgreiche Bilanz von sieben Punkten aus den vergangenen drei Spielen hat den VfB überhaupt zwar wieder auf Rang 14 geführt, punktgleich mit Hertha BSC und Augsburg, die allerdings noch ein Nachholspiel haben und somit wieder an Stuttgart vorbeiziehen könnten. Entschieden ist im Abstiegskampf noch nichts - auch wenn es im Stuttgarter Stadion, irgendwo zwischen dem von Jubeltrauben umgebenen Tiago Tomas, den 60 000 und dem auf der Ehrentribüne noch einmal freudig geherzten Vorstandsvorsitzenden Hitzlsperger, fast schon den Eindruck machte, als wäre das der Fall.

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