Stürmer vor der WM:WM der Lädierten

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Luis Suárez: Schockt Uruguay mit Meniskusproblemen (Foto: AP)

Nicht nur das deutsche Team klagt über ernste Wehwehchen, halb Südamerika bangt um seine Leistungsträger. Messi, Falcao, Suárez und Vidal plagen Verletzungen. Die kommen Gastgeber Brasilien nicht ungelegen.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Lionel Messi kam aufrecht des Weges, immerhin. Das ist schon mal ein Vorteil bei dieser WM der Lädierten. Man übersieht den kleinen Argentinier zwar leicht. Aber schnell bildete sich eine Menschentraube um die Familie, als die Messis am Dienstag in aller Herrgottsfrühe den Flughafen Ezeiza von Buenos Aires erreichten. Im November war der beste Fußballspieler der Welt an Krücken gelandet und wegen einer Muskelverletzung bis Januar geblieben. Und jetzt fragen sich 41 Millionen Landsleute, ob er nach traurigen Wochen in Europa rechtzeitig in Stimmung und Form kommt, um die himmelblauweiße Auswahl in Brasilien endlich zu ihrem dritten Titel zu führen.

Zumindest geht es Messi deutlich besser als prominenten Kollegen. Nicht nur die Deutschen haben ihre Probleme mit den geplagten Körpern von Manuel Neuer, Bastian Schweinsteiger oder Philipp Lahm. Halb Südamerika hinkt, vorneweg Kolumbien und neuerdings auch Uruguay. Die 46 Millionen Kolumbianer sorgen sich schon seit einem Trimester um Radamel Falcao, den Helden der Nation.

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Dem Stürmer von AS Monaco war bei einem Pokalspiel im Januar das Kreuzband im linken Knie gerissen, die Monegassen mit ihrem russischen Magnaten hatten ihn 2013 für 60 Millionen Euro erworben. Es war, als zerplatzte in jenem Moment die Hoffnung eines ganzen Landes, denn Kolumbien galt unter seinem argentinischen Trainer José Pekerman als Geheimtipp für die Weltmeisterschaft.

Erst hieß es, Falcaos Teilnahme sei gestorben. Doch die Mediziner machten nach der Operation Hoffnung, und Pekerman berief seinen wichtigsten Mann ins vorläufige Aufgebot. Zuletzt verbreiteten Medien aus Frankreich, der Patient falle definitiv aus und werde das bald bei einer Pressekonferenz mitteilen. Der kolumbianische Fußballverband allerdings teilte mit, Falcao setze sein Aufbautraining fort und werde sich zu seinen Teamgenossen gesellen. In Kürze bekomme man die Ergebnisse mehrerer Tests, berichtete Monacos Vizepräsident Vadim Vasilyev und erinnerte daran, dass eine solche Heilung normalerweise sechs bis acht Monate dauere.

Kolumbien klammert sich an ein Wunder, der Fall interessiert Sportfreunde dort mehr als der Ausgang der Präsidentschaftswahl am Sonntag. Auf Twitter hat Radamel Falcao 4,79 Millionen Follower. Bei Luis Suárez sind es 2,61 Millionen, die bekamen gerade einen kollektiven Schock.

Uruguays Torjäger, im WM-Viertelfinale 2010 gegen Ghana kurz Torwart, schmerzte am Mittwoch der Meniskus. Kurz danach lag der Beißer vom FC Liverpool in Montevideo unter dem Messer. Den Eingriff absolvierte der Chirurg Luis Francescoli, Bruder des früheren Mittelfeldkünstlers Enzo Francescoli. "Hat alles gut geklappt", beruhigte der Doktor. In 15 bis 20 Tagen könne Suárez wieder spielen, das würde reichen für das erste Gruppenmatch am 14. Juni gegen Costa Rica.

Chiles Matías Fernández muss in jedem Fall passen, der Techniker aus Florenz verließ wegen eines defekten Sprunggelenks das chilenische Camp. Arturo Vidal von Juventus Turin hofft trotz seines operierten Knies auf rasche Erholung. Gut sind all diese Nachrichten aus dem Feldlazarett allenfalls für Brasilien, das mit 23 gesunden Männern zu Hause gewinnen soll. Ohne Suárez würde zumindest das Risiko einer weiteren Niederlage gegen Uruguay sinken, eines neuen Maracanazo - jenes legendären Knockouts im WM-Finale 1950. Für eine Gefahr halten die Brasilianer außer den eigenen Organisationsschwierigkeiten indes den Nachbarn und Lionel Messi.

Seit 1986 war Argentinien nicht mehr Weltmeister, seit Diego Maradona. Der Wiedergänger mit der "10" soll es richten, aber in der Nationalelf ging es Messi bei Turnieren schlecht. 2006 bei der Niederlage gegen Deutschland in Berlin Ersatz, 2010 in Südafrika 0:4 vom DFB demoliert. Ein Tor bei zwei WM-Endrunden - lächerlich für den Wunderknaben, der für den FC Barcelona in 277 Partien 243 Mal traf. In dieser Saison war dann erst diese Blessur, danach litten Barça und er. Messi übergab sich auf dem Platz, die Ärzte sind ratlos.

Am Ende blieb er blass, das katalanische Heiligtum scheiterte in Meisterschaft, Pokal und Champions League, Trainer und Landsmann Gerardo Martino gab auf. "Es war nicht mein bestes Jahr", sagt der Messias Messi, der Argentinien erlösen soll.

In Barcelona verdient er künftig 20 Millionen Euro, mehr als jeder andere Fußballer. Aber wenn ihn Barça nicht mehr haben wolle, gehe er woanders hin, grummelte das scheue Idol bei der Ankunft in der Heimat. Früher erholte er sich in Katalonien vom argentinischen Frust. "Ich weiß, dass ich jetzt mit der Auswahl meinen Chip auswechsle", verspricht Messi, "mir ist das so oft umgekehrt passiert." Manche Argentinier glauben, er habe sich diesmal geschont, während sich andere in ihren Klubs die Knochen ruinierten.

© SZ vom 23.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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