In der Nachspielzeit sah Joe Enochs dann auch noch die gelbe Karte, weil er eine Werbebande weggetreten haben soll. "Ich bin einfach nur gestolpert", sagte der Trainer des SSV Jahn Regensburg mit einem Schulterzucken. Aber wäre es denn so schlimm, fragte er noch, im Fußball Emotionen zu zeigen? Der Schlusspunkt dieses Spiels rundete einen katastrophalen Samstagnachmittag für den Spitzenreiter der dritten Liga ab, einen Wutausbruch hätte man nach dem 3:6 (3:3) nach 3:0-Führung sehr gut nachvollziehen können. Doch die Regensburger analysierten die historische Blamage beim SV Sandhausen erstaunlich ruhig und ohne jede Aufregung.
Alle bekamen hernach die Frage gestellt: So was schon mal erlebt? Sandhausens Trainer Jens Keller verneinte. Und ergänzte zum mutigen Spiel seiner Mannschaft: "Wo die Jungs das hergeholt haben nach 0:3, das weiß ich nicht." Jahn Regensburg hatte tatsächlich in den ersten elf Spielminuten dreimal getroffen, bei einer der abgezocktesten Mannschaften der Liga. Es sah kurz so aus wie die perfekte Antwort auf die 1:3-Heimniederlage gegen Rot-Weiss Essen eine Woche zuvor.
Und zu Beginn waren die Oberpfälzer auch spielbestimmend, wenngleich die drei Tore von Noah Ganaus, Christian Viet und Dominik Kother (3., 8., 11.) allesamt nach ruhenden Bällen fielen, nicht aus dem Spiel heraus. Das Anschlusstor folgte nach dem Geschmack von Jahn-Kapitän Andreas Geipl "viel zu früh" (13.), das 2:3 war ebenfalls ein Standardtor (15.), und dem wunderschönen Volleytreffer von Livan Burcu zum 3:3 war ein durchaus ahndungswürdiges Tackling an Kother vorausgegangen (38.). Aber auch dies trugen die Regensburger mit Fassung.
Nach der Pause folgte ein haarsträubender Abspielfehler von Torwart Alexander Weidinger zum 4:3 für die Gastgeber (60.), und dann, sagte Enochs, "konnten wir den erneuten Rückschlag nicht mehr wegstecken". Er sei "sauer auf die Situation, nicht auf meine Mannschaft". Was sich freilich ein wenig so anhört wie der Spruch zum Thema "Gesamtsituation" aus dem Film "Der Schuh des Manitu", als der Ranger und Abahachi an Marterpfähle gebunden sind.
Den FC Ingolstadt kann man aktuell nicht mehr zu den Verfolgern zählen
So schlimm ist es beim Jahn freilich noch nicht: Die Mannschaft hat immer noch fünf Punkte Vorsprung auf den Dritten, SSV Ulm, und auf die weiteren Verfolger noch deutlich mehr. Zu denen man übrigens den FC Ingolstadt aktuell nicht mehr zählen kann: Die Mannschaft von Michael Köllner verlor am Freitag gegen den Tabellenletzten SC Freiburg II zu Hause 2:3.
Fest steht aber, dass es beim Jahn seit dem Wiederanpfiff nach der Winterpause nicht mehr so rund läuft. Und dass er angesichts von neun Gegentoren in den vergangenen zwei Spielen seine bis dahin fast schon berüchtigte Stabilität verloren hat, zudem in ganz unterschiedlichen Phasen: Daheim gegen Essen wurde das Team ausgekontert, in Sandhausen war es sich womöglich schon zu siegessicher, jedenfalls war das Abwehrverhalten vor dem ersten Gegentor mangelhaft. Und es häufen sich individuelle Fehler. "Hier werden wir ansetzen und uns mehr auf die Defensive konzentrieren", erklärte Kapitän Geipl am Samstag. Trainer Enochs sagte, man werde Fehler klar ansprechen, er wurde aber alles andere als panisch: "Was die Mannschaft bisher geleistet hat, ist überragend. Jetzt ist eine schlechtere Phase, aber wir müssen weiterhin an uns glauben und ruhig und besonnen weiterarbeiten."
Regensburg ist eine Mannschaft, die den Gegner in dessen Hälfte gerne und erfolgreich zu Ballverlusten zwingt. In letzter Zeit passiert das aber immer öfter auch umgekehrt. Gleichzeitig scheint sich die Offensivabteilung ihr Selbstvertrauen erhalten zu haben, zumindest bei Eckbällen und Freistößen bleiben die Regensburger gefährlich. Eine andere Erklärung: Enochs' Mannschaft hat die drei Niederlagen in der Rückrunde gegen Mannschaften kassiert, die überaus gut aus der Pause gekommen sind. Zu diesen zählt allerdings auch der nächste Gegner, Erzgebirge Aue. Durchaus möglich, dass nach einer weiteren Niederlage selbst in Regensburg nicht mehr ganz so ruhig analysiert werden würde.