SSV Jahn Regensburg:Viel zu kurze Heimkehr

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Ein Sonntagsspiel "im besonderen Gedenken" - an Agyemang Diawusie (1998 - 2023). (Foto: Maximilian Koch/Imago)

Am Dienstag ist Agyemang Diawusie am plötzlichen Herztod gestorben. Bei seinem Verein sitzt der Schock tief. Das Spiel gegen Freiburg II soll dennoch stattfinden - als würdiger Rahmen, um Abschied zu nehmen.

Von Christoph Leischwitz

Es wird kein Geisterspiel werden, doch viele Besucher werden im Geiste nicht beim Spiel, sondern bei Agyemang Diawusie sein. Beim SSV Jahn Regensburg wissen sie selbst nicht genau, was sie am Sonntag (Anpfiff 16.30 Uhr) so genau erwartet. Die Fans werden sicher einen Abschied vorbereiten. Doch wahrscheinlich können nicht einmal die Spieler einschätzen, wie sie sich beim Einlaufen fühlen werden. Während der Schweigeminute. Oder bei einem Tor, das, wenn es denn fällt gegen den SC Freiburg II, sicherlich mit sehr viel weniger Jubel wird auskommen müssen.

Diawusie war am vergangenen Dienstag gestorben, "an einem plötzlichen Herztod, mutmaßlich ausgelöst durch einen viralen Infekt mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung". Zuletzt gespielt hatte er gegen 1860 München vor knapp drei Wochen, damals war er, offenkundig ein wenig erschöpft, nach 39 Minuten ausgewechselt worden. Rein sportlich befand sich der SSV Jahn gerade im Höhenflug, als die Nachricht eintraf, am vergangenen Sonntag hatten die Oberpfälzer 1:0 bei Dynamo Dresden gewonnen, sie sind nun alleiniger Drittliga-Tabellenführer.

Nach dem ersten Schock beschloss der Jahn am Donnerstag, das Spiel "im besonderen Gedenken" an Diawusie abzuhalten, wie der Geschäftsführer Sport, Achim Beierlorzer, es bezeichnete. Ihm war auch wichtig zu erwähnen, dass "wir alle für Agy Diawusie dieses Spiel spielen wollen, sowohl Freunde und Familie als auch die Mannschaft".

Trainer Joe Enochs merkte auf der Pressekonferenz am Freitag an, dass es den Spielern zugleich freigestellt sei, aufzulaufen oder sich kurzfristig aus Kader oder Startelf streichen zu lassen. Jeder Mensch gehe anders mit Trauer um, niemand wisse, zu welchem Zeitpunkt sie einen übermannt. In jedem Fall, so Enochs, sei es "schwierig, sich auf das Spiel vorzubereiten". Diskussionen über den Gegner und das übliche Spieltagsgeplänkel fielen sehr kurz aus.

Diawusie hatte auch ein Modelabel - den Fußball brauchte er wohl gar nicht mehr für seinen Lebensunterhalt

Der Schock saß aus verschiedenen Gründen tief. Zum einen war Diawusie gerade einmal 25 Jahre alt. Der in Berlin geborene Rechtsaußen galt als Stammkraft, er war obendrein ein Heimkehrer, als Kind hatte er beim SV Fortuna Regensburg und beim Jahn gespielt. In Bayern war er überall bekannt, als Profi stand er unter anderem für den FC Ingolstadt und in der vergangenen Saison für die SpVgg Bayreuth auf dem Platz. Die Schanzer hatten ihn Anfang 2019 an den SV Wehen Wiesbaden ausgeliehen, wo er recht erfolgreich war. Als die beiden Teams im Sommer in der Relegation aufeinandertrafen, bat Diawusie laut Medienberichten darum, nicht spielen zu müssen. Danach kehrte er zum FC Ingolstadt zurück, der gerade in der Relegation gegen Wiesbaden abgestiegen war.

Beierlorzer kannte den flinken Flügelspieler schon lange, er war Trainer der U19 von RB Leipzig, als Diawusie dort im Kader stand (er erzielte dort in 48 Spielen 19 Tore, damals bestritt er auch Spiele für die deutsche U19-Nationalmannschaft). Beierlorzer hielt viel von ihm, also holte er ihn vergangenen Sommer als einen der letzten Bausteine eines weitgehend neuen Kaders zurück in die Oberpfalz.

Diawusie war also ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft wie auch des Vereins. Und zugleich in ganz Deutschland bekannt, nicht nur wegen seiner vielen Vereinswechsel und seines dadurch riesigen Netzwerks. Er war auch ein guter Freund von Niklas-Wilson Sommer, der als Fußballer, aber vor allem als Social-Media-Promi bekannt ist. Zusammen betrieben sie ein Modelabel. Bei einer Ladeneröffnung in Nürnberg im vergangenen März kam es wegen des großen Andrangs zu tumultartigen Szenen. Das Label lief so gut, dass Diawusie dem Vernehmen nach das Fußballspielen gar nicht mehr nötig hatte, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In Regensburg war er erste Adresse bei Autogrammwünschen jugendlicher Fans.

Beim Jahn sagen sie, Fußball sei schlicht Diawusies Leidenschaft gewesen. Deshalb erschien es, nach Absprache mit den Angehörigen, dann auch als sinnstiftend, das Spiel gegen Freiburg nicht zu verschieben. Es dürfte sich bei diesem Treffen zweier Mannschaften in einem Stadion vor Zuschauern vor allem um eine Trauerfeier handeln, im Wortsinn - und im Sinne des Verstorbenen.

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