SSV Jahn Regensburg:Neue Figuren für ein neues Märchen

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Nicht mehr länger Sportchef beim SSV Jahn Regensburg: Tobias Werner (rechts) muss überraschend gehen. (Foto: Wolfgang Zink/Imago)

Nach sechs Jahren endet die erfolgreichste Vereinsphase des SSV Jahn Regensburg in der zweiten Fußball-Bundesliga. Sport-Geschäftsführer Tobias Werner muss überraschend gehen - dem Klub steht ein wechselvoller Sommer bevor.

Von Johannes Kirchmeier

Es war einmal ein warmer Maitag im Jahre 2017, da geschah Unerhörtes: Da machte sich der kleine SSV Jahn Regensburg auf und stürzte den großen TSV 1860 München nach Toren der Edelmänner Marc Lais und Kolja Pusch in der Fröttmaninger Arena in die Fußball-Diaspora Regionalliga Bayern. Gleichzeitig schoss er selbst empor in die zweite Fußball-Bundesliga. Dieser Dienstag, der 30. Mai 2017, sollte also in die Historie der beiden Klubs eingehen, schließlich markierte er die Münchner Rückkehr heim auf Giesings Höhen - und in Regensburg den Anfang der bis dato erfolgreichsten sechs Jahre der Vereinsgeschichte, ja, eines kleinen Oberpfälzer Fußballmärchens. Den Regensburgern gelang es noch nie so lange am Stück, Zweitliga-Fußball zu spielen, im Jahr 2021 erreichten sie zudem noch das DFB-Pokal-Viertelfinale, auch das war ein Novum. Mitten unter den stärksten 36 Profi-Fußballklubs Deutschlands machten es sich die Oberpfälzer kommod, und das, obwohl sie Jahr für Jahr den meisten Konkurrenten finanziell unterlegen waren.

Dieses Märchen kommt nun an sein Ende - an einem (voraussichtlich) erneut warmen Maitag. Zum Abschluss der Fußballsaison 2022/23 wird der SSV Jahn Regensburg absteigen. Vor dem letzten Spieltag am Sonntag gegen Heidenheim (15.30 Uhr) ist der Klassenverbleib nur noch so theoretisch zu erreichen, dass Regensburg drei Punkte und zusätzlich 15 Tore auf Arminia Bielefeld aufholen müsste - im Profifußball schlicht undenkbar.

Noch klarer ist: Der Neuanfang wird ohne Tobias Werner stattfinden. Der 37-jährige Sportchef ist am Dienstag nach nur sechs Monaten im Amt überraschend von seinen Aufgaben entbunden worden. Jahn-Präsident Hans Rothammer erklärte, es sei "eine personelle Neuausrichtung" notwendig, um den Umbruch in der Mannschaft "mit den notwendigen Strukturen und Dynamiken angehen zu können". Werner wird vor allem angelastet, dass er es im Winter nicht geschafft hat, einen neuen, treffsicheren Stürmer an die Donau zu lotsen. Als Nachfolger für Werner wurde am Dienstag Achim Beierlorzer in den Medien gehandelt. Der 55-Jährige war von 2017 bis 2019 bereits als Trainer für den Jahn tätig und schloss seine beiden Spielzeiten als Coach mit den Tabellenplätzen fünf und acht ab. Werners Nachfolger soll in den kommenden Tagen offiziell vorgestellt werden.

Werner war auf den Schweizer Roger Stilz, 46, gefolgt , der im Sommer schlicht vergaß, den vom FC Bayern München geliehenen Sarpreet Singh für den Jahn-Kader zu melden und sich dann nach zehn Monaten im Amt aus privaten Gründen zurückzog. Über Werner und seinem Vorgänger Stilz schwebte stets das Wirken ihres Vorgängers Christian Keller, der mittlerweile beim 1. FC Köln tätig ist, den Jahn von 2013 bis 2021 führte - und trotz empfindlicher Weggänge alljährlich wie von Zauberhand wieder ein schlagkräftiges Team fand. Er war der stille und effektive Macher, der aber nicht nur in Beine, sondern auch in Steine investierte und aus dem altertümlichen Trainingsgelände am Kaulbachweg ein modernes machte, samt einem neuen Funktionsgebäude.

Die Basis für die Zukunft im Profifußball stimmt also. Doch neben der Frage nach dem neuen Sportchef ist auch unklar, ob der Jahn in der dritten Liga überhaupt Spieler hat - und wenn ja, wie viele. Nicht geklärt ist unter anderem die Zukunft der defensiven Stützen um Kapitän Benedikt Gimber, Jan Elvedi, Steve Breitkreuz und Scott Kennedy - ihre Qualitäten sind in Liga zwei gefragt. Und ob der zuletzt einzige wirklich Verlässliche, der 19-jährige, hoch talentierte Torwart Jonas Urbig (aus Köln geliehen) bleiben darf, erscheint ebenfalls unwahrscheinlich. Sein Leihvertrag bis 2024 gilt nur für die zweite Liga. Insgesamt laufen die Verträge von 20 Akteuren aus, neun davon sind ausgeliehen. Zudem beendet die ostbayerische Identifikationsfigur Sebastian Nachreiner ihre Karriere.

Für die dritte Liga gilt Trainer Enochs als ausgewiesener Experte

Neben der Geschäftsführer-Stelle ist der Trainerposten die andere Personalie, die im sonst so ruhigen Regensburg in dieser Saison Unruhe brachte. Mersad Selimbegovic, seit 2006 als Spieler und danach in verschiedenen (Co-)Trainerfunktionen im Verein, coachte die erste Mannschaft von 2019 an. Im Verein zählte man auf ihn, wusste um sein großes Jahn-Kämpferherz und seinen Anteil an den sechs Zweitliga-Jahren. Was ein Grund dafür war, warum der Klub trotz schwierigen Monaten so lange an ihm festhielt. Werner soll sich nach Angaben der Mittelbayerischen Zeitung schon früher für eine Trennung stark gemacht haben, aber damit intern abgeblitzt sein. Das Verhältnis von Präsident Rothammer zu Selimbegovic galt bis zuletzt als intakt. Denkbar ist, dass es um diese Personalie zum Zerwürfnis zwischen Rothammer und Werner gekommen sein könnte.

Drei Spieltage vor dem Ende musste der 41-jährige Bosnier nämlich doch gehen, das mutete nach Selimbegovics 17 Jahren Klubzugehörigkeit wie ein letzter Akt der Verzweiflung an. Sein Nachfolger Joe Enochs, 51, hatte in der Kürze der Zeit aber auch keine echte Chance mehr auf die Rettung, sein Team verlor gegen Hamburg 1:5 und gewann am vergangenen Samstag verdient 2:1 in Braunschweig. Weil aber Bielefeld im Parallelspiel punktete, ist der Klassenverbleib trotzdem nahezu unmöglich geworden. Für die dritte Liga gilt Enochs als ausgewiesener Experte, war er doch zuvor jahrelang in Osnabrück und Zwickau tätig. Enochs will deshalb in der kommenden Saison neu angreifen - und darf das wohl auch unter einem neuen Sportchef: Sein Vertrag gilt ligaunabhängig. "Meine große Stärke ist, immer optimistisch in die Zukunft zu blicken", sagt der US-Amerikaner jedenfalls.

Das Zweitliga-Märchen der Regensburger also endet, ein neues Kapitel beginnt. Wenn sie dann wieder Fußball spielen, treffen sie in der dritten Fußballliga auch den TSV 1860 München wieder. Und vielleicht markiert dieses Aufeinandertreffen ja erneut den Beginn von etwas Geschichtsträchtigem.

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