SSV Jahn Regensburg:Zu wenig Schlaf, zu wenig Punkte 

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"Wir dürfen nicht so auseinanderfallen": Die Regensburger Spieler sind nach der Niederlage in Düsseldorf geknickt. (Foto: Maik Hölter/Team 2/Imago)

Drei Spiele, null Tore, elf Gegentore: Der Traumstart des SSV Jahn Regensburg wurde in den vergangenen drei Zweitliga-Partien jäh gestoppt. Anders als in den Vorjahren ließ das Team nun auch eine Reaktion auf eine hohe Pleite vermissen.

Von Johannes Kirchmeier

Eine Aufzählung mit drei Dingen hört sich rund für die Zuhörer an, diesen Trick lehrt jedes Rhetorik-Seminar. Eine Aufzählung mit drei Dingen ist eben sehr einprägsam. Und eine Aufzählung mit drei Dingen könnten die Zuhörer so im besten Falle gleich weitererzählen. Politiker greifen bei dem Stilmittel munter zu, in der Werbung spielen Bier- oder Schokoladenhersteller damit, auch Roms Feldherr Gaius Iulius Caesar wusste schon: "Veni, vidi, vici" - "Ich kam, ich sah, ich siegte".

Und so stellte sich auch der Regensburger Fußball-Trainer Mersad Selimbegovic, dessen Team zuletzt jedoch alles andere als siegte, nach dem 0:4 beim Zweitliga-Spiel in Düsseldorf am Freitagabend tags darauf vor das Vereinsmikrofon des SSV Jahn und sagte mit einem Seufzen: "Zu wenig Schlaf, zu wenig Punkte, zu viele Gegentore."

"Dass du so eine Phase hast, ist für uns nicht so gewöhnlich", sagt Trainer Selimbegovic

Schon sechs Tage vor dem düsteren Düsseldorfer Abend unterlagen die Oberpfälzer 0:6 gegen Karlsruhe, noch nie hatten sie ein Heimspiel in der eingleisigen zweiten Bundesliga so hoch verloren. "Wir wollten Charakter, eine Reaktion nach dem Spiel gegen Karlsruhe zeigen. Das habe ich schon gesehen", fand Selimbegovic. Aber eben nur bis zur 59. Minute, von da an fielen alle vier Tore ohne große Gegenwehr, das 0:4 legte SSV-Verteidiger Konrad Faber dem Torschützen Shinta Appelkamp sogar direkt auf.

"Dass du so eine Phase hast, ist für uns nicht so gewöhnlich, das muss man auch zugeben", sagt der Coach, der sich der bedrohlichen Lage daher durchaus bewusst zu sein scheint. Eine hohe Niederlage war für sein Team in der Vergangenheit zwar nicht unüblich: 2020 gab es ein 0:6 in Bielefeld, ein Jahr danach ein 1:5 in Bochum. Aber im Spiel darauf strengte sich der Jahn stets besonders an - ganz im Sinne seiner Vereinslegende, des 38-maligen Nationaltorwarts Hans Jakob: "Die selbstverständliche Pflicht eines Spielers ist, alles zu geben, was er zu geben vermag."

Gegen den KSC und Düsseldorf ließen die Oberpfälzer nun jene Tugend vermissen. Statt die Gegner in gewohnter Manier als einst selbsternannte Mentalitätsmonster in so viele Zweikämpfe wie möglich zu verstricken und diese für sich zu entscheiden, zogen sich die Jahn-Männer frappierenderweise fast etwas scheu zurück. Mittelstürmer Andreas Albers meinte: "Wir dürfen nicht so auseinanderfallen."

Wenn es diese sogenannten Mannschaften der Stunde gibt, denen in einer Reihe von Spielen scheinbar mühelos alles gelingt: Muss es dann nicht auch das Gegenteil, die Nicht-Mannschaften der Stunde geben? Die im Formtief festzustecken scheinen?

Das Gros der zehn Zugänge erweist sich noch nicht als Stammpersonal

Null Punkte, null Tore, elf Gegentore lautet zumindest die Jahn-Bilanz aus den vergangenen drei Partien, in dieser Drei-Spiele-Tabelle steht der Jahn selbstredend ganz unten, auch davor gab es nur ein 0:0 gegen Nürnberg. Vier Spiele ohne eigenen Treffer hatte Regensburg zuvor noch nie in Liga zwei erlebt. Nach dem Top-Start mit zwei Siegen aus zwei Partien und der Tabellenführung steht derselbe SSV nun auf Rang 13. Wenngleich ihm Mut machen dürfte, dass die Stammelf nicht nur zu Niederlagen, sondern auch zu großen Leistungen imstande ist: Gegen Karlsruhe unterlagen die gleichen elf Startspieler, die zuvor den Erstligisten 1. FC Köln so überraschend wie furios aus dem DFB-Pokal warfen.

Wie alle Jahre musste der Verein auch vor seiner sechsten Zweitliga-Saison in Serie (Vereinsrekord) sein Team großflächig umbauen, Stammkräfte wie Torwart Alexander Meyer und Sechser Max Besuschkow gingen. Bislang erwiesen sich die zehn Zugänge von Sport-Geschäftsführer Roger Stilz allerdings nicht direkt als solche Leistungsträger wie die Transfers seines Vorgängers Christian Keller. Stammspieler sind derzeit nur Maximilian Thalhammer, Joshua Mees und Torwart Dejan Stojanovic.

Prominentester Zugang ist Sarpreet Singh vom FC Bayern München. In der Vorsaison brillierte er bereits für den Jahn als Leihspieler, er schien zu Höherem berufen zu sein. Dann platzte sein Wechsel zum Bundesligisten Bremen aufgrund einer hartnäckigen Schambeinentzündung, und bei der erneuten Leihe nach Regensburg soll er nun behutsam auf den Platz zurückkehren - der genaue Zeitpunkt dafür ist nicht bekannt. "Keiner weiß, wie lange es dauert", sagte Singh jüngst selbst. Wohl auch deshalb lieh der Jahn am Dienstag einen weiteren offensiven Mittelfeldspieler aus: Blendi Idrizi, der vergangene Saison 22 Mal für Schalke auflief.

Das zeigt auch, wie knifflig Stilz' Aufgabe bleibt: Teure Transfers kann sich der SSV weiterhin nicht erlauben, er zählt noch immer zu den Klubs mit den kleinsten Etats im Unterhaus. Unabhängig davon sollen auch die Gehälter alle in einem ähnlichen Rahmen bleiben. Da hilft es der Mannschaft nur, sich am Samstag gegen Holstein Kiel (13 Uhr) wieder stärker auf die Klublegende Hans Jakob zu berufen. Wie gut, dass sie dessen Spruch auf dem Weg zum Fußballplatz noch mal lesen kann. Im Kabinentrakt hat ihn der Verein an eine Wand gepinselt.

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