Champions League:Union Berlin singt Addio

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Hier kommt Natan Bernardo de Souza vor David Fofana (re.) an den Ball, später traf der Berliner zum 1:1-Ausgleich. (Foto: Alessandro Garofalo/LaPresse/Imago)

Nach tapferem Kampf in feindlichem Ambiente scheiden die Köpenicker beim SSC Neapel aus der Königsklasse aus - und feiern trotzdem, weil immerhin eine schreckliche Serie endet.

Von Javier Cáceres, Neapel

"Addio a Napoli", schmachtete einst der große neapolitanische Sänger Enrico Caruso, "addio alla Champions League", sang am Mittwochabend der 1. FC Union Berlin in Neapel. Trotz des ersten Punktgewinns nach wettbewerbsübergreifend zwölf Niederlagen in Serie wissen die Köpenicker nun, dass sie nicht in der Königsklasse überwintern werden. Nach einem mühsam, aber tapfer erkämpften Remis bei der SSC Napoli liegen sie zwei Spiele vor Schluss der Vorrunde der Gruppe C sechs Punkte hinter dem Tabellenzweiten Neapel - für das der direkten Vergleich spricht. Die Unioner feierten dennoch, wohl auch in der Hoffnung, dass dieses Remis die Wende in einer bislang schrecklichen Saison mit 12 Niederlagen in Serie ist.

Zumal sie es in einem überaus feindseligem Ambiente errangen. Schon kurz nach Beginn der Partie zeigte sich, dass man das Stadio Diego Armando Maradona besser mit Ohrenschützern betreten hätte. Was zunächst ausschließlich Unions Verteidiger Leonardo Bonucci galt, der bei jeder Ballberührung ausgepfiffen wurde, weil er als Juventus-Ikone eines der Feindbilder der Neapolitaner schlechthin ist. Schon bald aber wurde auch der Rest der Köpenicker Delegation bedacht. Denn aus der "Curva A", für die das Etikett "berüchtigt" wie ein Euphemismus anmutet, flogen in der ersten halben Stunde gut ein Dutzend Böller in Richtung des unmittelbar angrenzenden Blocks mit den Union-Fans, später auch rote Leuchtfackeln.

Örtliche Beobachter führten die Attacken auf die Zusammenstöße am Vorabend und am Morgen zurück, die zu mindestens 16 Festnahmen deutscher Fans geführt hatten. Dafür mutete das Verhalten der Stadion-Security reichlich skandalös an, die sich nur gemächlich in die Konfliktzone begab. Dort angekommen schien das Geschehen auf dem Rasen für die Ordnungshüter interessanter zu sein als mögliche Verfehlungen auf den Rängen.

Rudi Garcia und Urs Fischer (re.), die Trainer von Napoli und Union Berlin, begrüßten sich überschwänglich - am Ende erkämpfte sich der Bundesligist ein 1:1. (Foto: Francesco Pecoraro/Getty Images)

Was insofern verwunderlich war, weil das Spiel qualitativ wenig hergab. Union hatte zwar durch David Fofana (4.) die erste Chance, danach verdaute Napoli die Ablenkung von den Rängen besser als der Gast. Die Italiener wirkten ähnlich ungerührt wie der niederländische Schiedsrichter Danny Makkelie - und übernahmen die Regie auf dem Platz. Piotr Zielinski scheiterte aus kurzer Distanz (21.), dann traf Napolis brasilianischer Verteidiger Natan den Pfosten. Kurze Aufregung gab es, als Zambo Anguissa zum vermeintlichen 1:0 traf. Doch der Referee erkannte nach Intervention des Videoschiedsrichters das, was die meisten der Zuschauer von den gefühlt kilometerweit entfernten Plätzen sofort gesehen hatten: dass sich Napolis Giovanni di Lorenzo bei Unions Linksverteidiger Jérôme Roussillon nicht bloß aufgestützt hatte, sondern diesen als eine Art Leiter missbraucht hatte, ehe er die Kopfballvorlage gab.

In der 39. Minute ging Napoli aber doch in Führung - auf absurde, fast komödiantische Weise: Eine Hereingabe von links fälschte Berlins Rechtsverteidiger Josip Juranovic so unglücklich ab, dass der Ball von der Brust von Matteo Politano ins Tor prallte. Unmittelbar vor der Pause setzte Unions Juranovic einen direkten Freistoß an den linken Pfosten - und damit den Ton für die zweite Hälfte.

In dem Maße, wie die Zahl der Böller abnahm, nahmen die interessanten Szenen zu

Sie geriet nämlich ungleich interessanter, farbiger, rasanter als die ersten 45 Minuten. In dem Maße, wie die Zahl der Böller abnahm, nahm die Zahl der interessanten Szenen zu. Weil Napolis Khvicha Kvaratskhelia aufwachte und Union eine bis dato solide in eine gute Leistung verwandelte - und zum Ausgleich kam. Roussillon schickte Fofana in die Tiefe, der legte quer auf den mitgelaufenen Sheraldo Becker, und als dessen Schuss von Alex Meret nur weggeklatscht werden konnte, schob Fofana ein. Es war der erste Treffer der Berliner nach mehr als 500 Minuten der Dürre vor gegnerischen Toren.

Die Partie war danach offen. Einerseits wirkte Union selbstsicherer als zuvor, andererseits wuchs Neapels latentes Übergewicht zur Überlegenheit an, weil Union tief verteidigte und nur selten zu Entlastungsangriffen kam. Erst brachte ein Weitschuss des eingewechselte Christopher Trimmel Gefahr, nach einem guten Konter verfehlte der ebenfalls eingewechselte Lucas Tousart knapp das Tor. In der Nachspielzeit parierte Unions Torwart Rönnow einen Drehschuss von Kvaratskhelia - doch den Punkt ließ sich Union nicht mehr nehmen.

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