SSC Neapel besiegt Manchester City:"Besser als bei einer schönen Frau"

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Der SSC Neapel gewinnt gegen den reichen Scheich-Klub aus Manchester 2:1 und steht überraschend vor dem Einzug ins Achtelfinale der Champions League. Die Fans feiern die ganze Nacht, singen "Oi vita, oi vita mia" und freuen sich, es endlich dem reichen Norden gezeigt zu haben - und überhaupt der ganzen Welt.

Die Zeitung Gazzetta dello Sport schickte am Dienstagabend ein Kamerateam an einen Ausgang des Stadions San Paolo in Neapel. Und als das Spektakel gegen 22.30 Uhr beendet war, kamen dort Menschen mit glänzenden Augen eine Treppe herunter - lachende, bewegte, sehr glückliche Menschen. Ihr SSC Neapel hatte den Tabellenführer der großen Premier League, das von einem unendlich reichen Scheich aufgerüstete Manchester City, 2:1 besiegt. Die Menschen sahen aus, als seien sie gerade Zeuge eines wahrhaftigen Wunders gewesen, als wäre jemand draußen über das Meer gegangen.

Edinson Cavani feiert einen seiner beiden Treffer gegen Manchester. (Foto: REUTERS)

Was in dem alten Stadiongemäuer San Paolo mitten in der Stadt Neapel los sein kann, erlebten auch Gäste aus München vor einigen Wochen. Doch mit einem frühen Tor und viel kühler Ballkontrolle dimmte der FC Bayern die süditalienische Euphorie merklich herunter.

Das schafften die Engländer nicht. Im Gegenteil. Manchester City verhalf mit einigen vergebenen Chancen dem SSC Neapel zu einem Sieg. Ein Erfolg, der zumindest aus neapolitanischer Sicht dem eines schlecht genährten, allgemein verächtlich angesehenen Fliegengewichtlers gegen ein massiv hochtrainiertes Superschwergewicht gleicht.

"Unser Erfolg demonstriert zwei Dinge: Mit Geld kann man nicht alles erreichen, mit ordentlichen Bilanzen kann man das sehr wohl. Und dass der Zusammenhalt in Neapel viel mehr wiegt als man sich vorstellen kann", sagte Neapels populärer Präsident Aurelio De Laurentiis. Jetzt kann seine Elf mit einem Sieg am letzten Spieltag in Villarreal aus eigener Kraft den Sprung ins Achtelfinale der Champions League schaffen.

Laurentiis hatte den Klub 2004 in der dritten Liga übernommen. Die Euphorie in der Stadt um die erste Champions-League-Teilnahme überhaupt (beim bislang letzten Meistertitel 1990 hieß der Wettbewerb noch Europapokal der Landesmeister) ist ohnehin riesengroß. Endlich mal ein gutes Bild abgeben, gegen den übermächtigen Norden Italiens, gegen die Vorurteile des Auslands, die aus Neapel vor allem Bilder mit brennendem Müll gewohnt sind und Italien ohnehin nur noch als finanziellen Problemfall betrachten. Mehr Underdog geht kaum. Noch dazu gegen Manchester City, das gerade einen Jahresverlust von 228 Millionen Euro ausgewiesen hat. Was von den arabischen Eigentümern locker ausgeglichen wird.

"Oi vita, oi vita mia", sangen die mehr als 60.000 im unendlich emotionalisierten Stadion San Paolo - "oh Leben, du mein Leben". Dieses Leben schenkt der Stadt und seinen Einwohnern eine Zeit, die viele an die großen Tage des Diego Maradona erinnerten. "Es ist wie zu Zeiten Maradonas, als ich ein Kind war", sagte ein Anhänger zu gazzetta.tv.

Für viele Enthusiasten ist Edinson Cavani eine Art Wiedergeburt Maradonas in Neapel. Der Stürmer erzielte gegen Manchester beide Treffer: Der erste war allerdings mehr ein Eigentor von Yaya Touré, der eine Ecke am schlecht postierten Torwart Joe Hart vorbeilenkte. Beim 2:1 profitierte Cavani von einer starken Vorarbeit seines Sturmpartners Ezequiel Lavezzi. Die Liebe zu Cavani entspringt seiner Abschlussstärke, dabei war der Uruguayer gerade in den Partien gegen den FC Bayern noch mehr Schwachstelle als Erlöser gewesen. Jetzt aber durfte "il matador" wieder jubeln und seinen Fans huldigen: "Ich widme die Tore Gott und meiner Familie. Den Sieg aber gehört den Fans, die fantastisch sind."

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In den Kommentaren und Kolumnen in Italien wird allerdings ein anderer gefeiert: Trainer Walter Mazzarri. Der Irrwisch am Seitenrand hat aus dieser nicht gerade übermäßig begabten Gruppe eine taktisch auf höchstem Niveau spielende Einheit gebildet, die selbst nach einem 0:3 in München nicht aufgab und am Ende fast noch einen Punkt geholt hätte

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Torwartidol Gigi Buffon meint: "Nach dem Spielstil ist Neapel das europäischste Team in Italien." Während Milan oder Inter immer noch recht langsam über den Rasen traben und auf ihre Einzelkönner und eine gute Verteidigung bauen, geht es beim SSC Neapel bisweilen so schnell, dass selbst die Engländer nicht mehr mitkamen. Auch das Wort Pressing können sie in Neapel aussprechen, ohne gleich an warme Bohnen auf Toastbrot denken zu müssen.

Mazzarri aber bekannte nach dem Sieg: "Ich habe nicht gedacht, dass wir gegen eine Mannschaft mit dieser Qualität gewinnen könnten." Nun befürchtet er, dass sein Team in der Meisterschaft für die Anstrengungen in der Königsklasse büßen muss. Nur wenige Vereine könnten sich einen Kader leisten, der beide Wettbewerbe auf konstant hohem Niveau bestreitet: "Wir können das nicht."

Einerseits hat der Trainer damit wohl recht, andererseits weiß Mazzarri aus der Toskana inzwischen offenbar sehr genau, wie man das Underdog-Gefühl der Stadt bedient.

Auch Cavani scheint mit dieser Stadt, die von einer Unwägbarkeit in die nächste strauchelt, fühlen zu können. Ob denn nun schon alles klar sei mit dem Einzug ins Achtelfinale? Wer Manchester City schlagen kann, der nimmt Villarreal doch mit links mit. "Ich weiß gut, wie die Dinge im Fußball laufen können", sprach Cavani, "praktisch so wie die Dinge im Leben laufen: Es gibt glückliche Momente und hässliche."

Diese Dienstagnacht bescherte der Stadt viele glückliche Momente. Ein Anhänger sprach ins Mikrofon und sah dabei mit einem seligen Lächeln in die Ferne: Die Gefühle an diesem Abend mit Napoli seien fast besser "als die bei einer schöner Frau", schwärmte er. Dabei begann draußen in der Innenstadt gerade eine lange Nacht.

(Hier geht's zum Video bei gazzetta.tv)

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