SpVgg Unterhaching:Nicht modern, aber innovativ

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"Haching ist absolut geil": Klubpräsident Manfred Schwabl, unumstritten bei den Fans. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Bei der Mitgliederversammlung zeigt sich, was den Drittligisten ausmacht: Eine enge Bindung zwischen Anhang und Verein - sowie ein Präsident, der alle Fäden in der Hand hat.

Von Stefan Galler

Acht Jahre ist es her, da lag bei der Spielvereinigung Unterhaching eine Palastrevolution in der Luft. Eine Opposition um den früheren Fußballer Markus Oberleitner warf Präsident Manfred Schwabl vor, mit den Traditionen zu brechen und die Zukunft des Klubs durch fehlende Professionalität zu gefährden. Letztlich standen die Mitglieder aber zu ihrem Boss, bei der Jahreshauptversammlung damals kam es erst gar nicht zu einer Kampfabstimmung. Mittlerweile wäre eine solche sogar völlig undenkbar: Schwabl, 57, seit 2012 im Amt, hat den Laden komplett im Griff - das zeigte sich bei der Mitgliederversammlung am Donnerstag eindrucksvoll.

Schwabl will alles sein, aber kein moderner Präsident, der beim Sprechen gendert und den Frauenfußball propagiert. Der frühere Nationalspieler ist in den Sozialen Medien nicht präsent und macht keinen Hehl daraus, dass für ihn auch heute noch das Biertrinken zur Fankultur gehört. Und genau diese anachronistisch erscheinenden Facetten kommen beim Fußballvolk an. Als er für das Klublokal eine "Bierpreisbremse" ankündigt und seine Hoffnung ausdrückt, "dass Ihr mehr trinkt, damit der Umsatz wieder passt", erntet er ebenso tosenden Applaus wie mit seiner Idee, im kommenden Jubiläumsjahr der 1925 gegründeten SpVgg ein "Jahrhundertbier" brauen zu wollen.

"Ich bin dem DFB und Andreas Rettig so lange auf den Sack gegangen, bis Marc jetzt endlich zum Lehrgang zugelassen wurde."

Die Anhänger stehen voll hinter ihrem Vorstand, was einerseits daran liegt, dass er bodenständig und für jeden ansprechbar ist, andererseits aber doch auf seine spezielle Art und Weise innovativ. Schwabl installierte in Marc Unterberger einen Drittligatrainer ohne Lizenz, was ihn in Summe fast 100 000 Euro an Strafgebühren kostete, wie er bei der Mitgliederversammlung sagt: "Ich bin dem DFB und Andreas Rettig so lange auf den Sack gegangen, bis Marc jetzt endlich zum Lehrgang zugelassen wurde."

Unterberger wiederum setzt die Maßgabe des Chefs kompromisslos um, junge Spieler zu Profis zu formen - zuletzt kam sogar der erst 16-jährige Gibson Adu als bislang jüngster Spieler der Historie zu Drittligaeinsätzen. Innovativ ist auch, dass in Haching Spieler sozusagen nebenberuflich als Funktionäre wirken: Präsidentensohn Markus Schwabl ist Sportdirektor, Kapitän Josef Welzmüller Technischer Direktor. Und Schwabl senior hat offenbar weitere Asse im Ärmel, zur näheren Zukunft sagte er den Mitgliedern: "Man wird noch einiges hören."

Der Präsident arbeitet etwa weiterhin am Stadionkauf, der im vergangenen Jahr unter anderem daran scheiterte, dass die SpVgg den Sportpark an die Football-Franchise Munich Ravens untervermietete, ohne es mit der Gemeinde, der Eigentümerin des Stadions, abgesprochen zu haben. Man hoffe, den Deal noch 2024 abschließen zu können, sagte Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) nun bei der Mitgliederversammlung.

Was die Lizenzierung angeht, so ist man bei den Rot-Blauen vergleichsweise entspannt: "Wir schaffen es diesmal leichter", sagt Schwabl. Das liege auch am Fördertopf der dritten Liga, aus dem Haching wegen der zahlreichen Einsätze für junge Spieler etwa 40 Prozent abschöpfen wird, was einem hohen sechsstelligen Betrag entspricht. Schwabl geht mit dem deutschen Fußball hart ins Gericht: "Unser Nachwuchs läuft in Europa der Musik hinterher", sagt er und erwähnt seinen 19 Jahre alten Offensivspieler Aaron Keller, der einen deutschen, brasilianischen und Schweizer Pass besitzt. "Beim DFB schlafen sie, der Schweizer U21-Trainer war schon da", sagt Schwabl. Prompt gab Keller vergangene Woche beim 3:1 gegen Albanien sein Debüt und erzielte gleich ein Tor für den Nachwuchs der Eidgenossen.

Das 0:3 gegen Ingolstadt beendet alle Aufstiegsträume: Jetzt kann die SpVgg die nächste Drittligasaison planen

Bei der 0:3-Heimniederlage der Hachinger im Derby am Karsamstag gegen den FC Ingolstadt konnte Keller keine entscheidenden Akzente setzen. Es sah fast eine Stunde lang nach einem 0:0 aus, dann machten Pascal Testroet (56.), Sebastian Grönning (84.) und Maximilian Dittgen (90.+3) den Sieg für die Schanzer klar. Damit dürfte ein Durchmarsch in die zweite Liga für Aufsteiger Unterhaching abgehakt sein. "Auch wenn schon alle geträumt haben, muss man einfach sagen, dass wir oben nichts verloren haben. Jetzt kehrt wieder Realismus ein", sagte Coach Unterberger. Er sei "wahnsinnig froh, dass wir 46 Punkte haben und jetzt die nächste Drittligasaison planen können".

Auch in jener wird Bodenständigkeit das Fundament bleiben, wie Präsident Schwabl betont: "Wenn ich sehe, was im Profifußball für Summen herumgeistern, dann ist das null zu ertragen." Man wolle ein Verein zum Anfassen bleiben, die eigene Basis durch Freikartenaktionen für Jugendliche weiter vergrößern. "Bei uns dürfen die Kids nach dem Schlusspfiff aufs Spielfeld und wenn wir dafür eine Strafe vom DFB bekomme, zahle ich die selbst", sagte der Boss, der die Einigkeit mit den Fans zu schätzen weiß: "Haching ist absolut geil, obwohl es auch schon Phasen gab, in denen es weniger geil war."

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