SpVgg Greuther Fürth:Ehrerbietung auf Papier

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Schöner absteigen: Die Fürther Spieler bedanken sich bei den Fans. (Foto: Blatterspiel/Jan Huebner/Imago)

In der Bundesliga ging es für die SpVgg Greuther Fürth oft nur darum, Haltung zu bewahren. Aber was heißt hier eigentlich "nur"? Eindrücke von einem aufrechten Klub

Von Sebastian Leisgang

Es ist nie leicht, Abschied zu nehmen, nicht mal dann, wenn man Zeit hat, sich darauf vorzubereiten. Wenn der Moment gekommen ist, wenn es kein Zurück mehr gibt, dann ist es immer anders, als man es sich vorgestellt hat.

Es ist Samstagnachmittag, Juliwetter Anfang Mai, das letzte Bundesliga-Heimspiel der SpVgg Greuther Fürth, zum Abschied ist Borussia Dortmund im Ronhof vorbeigekommen. Als Schiedsrichter Christian Dingert das Spiel beendet, erheben sich die Zuschauer von ihren Sitzen und klatschen in die Hände. Ihre Mannschaft hat zwar 1:3 verloren, die einundzwanzigste Niederlage der Saison, das elfte Spiel nacheinander ohne Sieg, doch darum geht es jetzt nicht.

Auf den Tribünen breitet sich ein vornehmes Einverstandensein aus

Die Leute sind nicht außer Rand und Band, sie machen keine Welle, es ist aber, um im Bild zu bleiben, als werfe man einen Kieselstein in einen See und beobachte, wie das Wasser an der Oberfläche Kreise zieht. Es ist ein vornehmes Einverstandensein, das sich da auf den Tribünen ausbreitet, als die 90 Minuten hinter den Fürthern liegen. Da ist keine Ekstase, nichts Rauschhaftes, dafür hätte die Mannschaft den BVB mehr fordern müssen - es ist aber, und das ist schon genug, ein anerkennendes Nicken, mit dem die Zuschauer die Anstrengungen ihrer Mannschaft honorieren.

Als sich Branimir Hrgota ein paar Minuten später in der Nähe des Elfmeterpunkts vor die Nordtribüne stellt und ein Mikrofon in die Hand nimmt, in seinem Rücken die Mitspieler in einer Reihe, vor ihm der Fürther Anhang im Fanblock, da formt Hrgota einen Satz, der das berührt, worum es für den Klub in diesem Jahr oft ging. Fürths Kapitän sagt: "Ich hoffe, Mannschaft und Fans werden immer zusammenbleiben." Ein Wunsch, der sich nicht ganz erfüllt: Maximilian Bauer (FC Augsburg), Paul Seguin (Union Berlin), Marius Funk, Abdourahmane Barry und Nick Viergever (alle Ziel unbekannt) wurden vor der Partie gegen den BVB ebenso verabschiedet wie Trainer Stefan Leitl, dessen Wechsel zu Hannover 96 mit einem Dreijahresvertrag dann am Sonntag bestätigt wird.

Die Bundesliga war eine harte Schule für die Fürther. Die Ernüchterung nach den ersten Niederlagen, der Frust, das Gefühl der Ohnmacht, weil die Mannschaft wieder und wieder an Grenzen stieß, all das hätte Spieler und Fans entzweien können. Und als die Fürther im Winter überhaupt keinen Halt mehr fanden und nacheinander 0:4 in Mönchengladbach, 3:6 gegen Hoffenheim und 1:7 in Leverkusen verloren, da hätte es auch kippen können. Ist ja alles andere als selbstverständlich, die Fassung zu bewahren, wenn alles aus den Fugen gerät. Doch genau das sollte in den Mittelpunkt rücken: in der Stunde der Niederlage aufrecht zu bleiben, zusammenzustehen und sich eben nicht gegenseitig runterzuziehen.

Darum geht es letztlich: sich nicht selbst zu verlieren, wenn man schon die Spiele verliert

Wer all das am Samstagnachmittag im Kopf hatte, für den war es beinahe ein rührender Moment, als die Zuschauer nach dem Spiel aufstanden und sich mit ihrem Beifall erkenntlich zeigten. Es war ein spezieller Moment, weil er zeigte, was für ein Gespür die Fans haben. Ein Jahr lang hatte ihre Mannschaft derart oft verloren, dass sie zeitweise sogar Vergleiche mit Tasmania Berlin aushalten musste - sie hatte sich aber auch dann gewehrt, wenn es aussichtslos war. Die Fürther hatten sich entgegengestellt, sich eben nicht einfach hingegeben und die Niederlagen über sich ergehen lassen. Und das ist es doch, worum es letztlich geht: sich nicht selbst zu verlieren, wenn man schon die Spiele verliert.

Sowas ist den Leuten wichtig. Deshalb besingen sie auch Dickson Abiama, den Stürmer, der aus der fünften Liga nach Fürth kam und im vergangenen Jahr in der zweiten Liga sieben Tore schoss. In der Bundesliga kommt Abiama, der Senkrechtstarter, kaum noch zum Zug; wenn er aber ein paar Minuten spielen darf, ist ihm kein Laufweg zu weit, kein Zweikampf zu hart. Auch am Samstag gegen Dortmund, als der BVB den Ball in den letzten Minuten durch die Reihen laufen lässt, sprintet Abiama von Verteidiger zu Verteidiger. Er rennt und grätscht und tut und macht. Es ist ein aussichtsloser Kampf, den Abiama da austrägt, doch die Zuschauer registrieren den Einsatz, den Elan, die Bereitschaft.

Noch einmal ein Torjubel: Jessic Ngankam (Mitte) freut sich über seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Als dann die Nachspielzeit anbricht, ruft der Stadionsprecher in sein Mikrofon: "Drei Bundesligaminuten haben wir noch in unserem Ronhof." Das Ende ist nah, doch auch die Fans bäumen sich jetzt auf und singen, ohne dabei trotzig zu klingen: "Unser Kleeblatt, das wird niemals untergeh'n."

Wenn einer geht, ist es ja immer die Frage, wie er geht. Ob er einfach so davonschleicht oder ob er den Kopf oben hat. Bei den Fürthern hätte man vor dem Spiel annehmen können, dass sie vermutlich froh sind, wenn's endlich rum ist - dann war es aber doch so, dass sie es genießen konnten, zum Abschluss noch einmal gegen Borussia Dortmund anzutreten.

"Den Kampf angenommen und zu Ende geführt. Danke Jungs": Dieser Satz stand auf einem Transparent, das die Fans in der Nachspielzeit vor ihrer Kurve ausbreiteten. Es war eine Ehrerbietung auf Papier, ein Ausdruck von Anerkennung - und es brachte all das auf den Punkt, was von diesem letzten Fürther Bundesliganachmittag bleibt.

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