Spitzenspiel der Bundesliga:Hoffenheim tut weh

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Auch so ein neuer Spieler, der eingeschlagen hat in Hoffenheim: Sandro Wagner jubelt über einen Treffer in Leverkusen. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Gegen die TSG anzutreten, ist sehr unangenehm. Jetzt fordert das ungeschlagene Team von Julian Nagelsmann den FC Bayern im Spitzenspiel. Der Trainer hat Großes vor.

Von Tobias Schächter, Hoffenheim

Wenn Alexander Rosen über die Gründe des aktuellen Höhenfluges der TSG Hoffenheim sprechen soll, dann holt er ein wenig aus. Vor zwei Spielzeiten, erinnert sich der Hoffenheimer Geschäftsführer Sport, habe sich die TSG schon einmal "in Lauerstellung" gebracht. Oft schien die Mannschaft des damaligen Trainers Markus Gisdol auf dem Sprung zu den Europapokal-Rängen zu sein. Aber oft verlor diese Elf dann wichtige Punkte in den Schlussphasen der oft wilden Partien.

Die TSG stand damals für Spektakel-Fußball - eine Titulierung, die am Ende intern kaum noch jemand hören wollte, weil in dieser immer auch die Ahnung eines verzweifelten Scheiterns mitschwang: "Wir hatten starke Phasen, sind aber nie über die Schwelle gesprungen", erinnert sich Rosen. Am Ende jener Spielzeit wurde die TSG mit dem kuriosen Torverhältnis von 74:72 Tabellen-Neunter.

Plötzlich gewinnt Hoffenheim in Schlussphasen Punkte

Bei dem Versuch, das Spektakel beherrschen zu wollen, ist der heutige HSV-Coach Gisdol - auch wegen seiner Ungeduld - krachend gescheitert, vergangene Saison wäre die TSG fast abgestiegen. Aber dann setzte der Klub in höchster Not auf Julian Nagelsmann als Nachfolger von Huub Stevens. Die Beförderung des ehemaligen Nachwuchstrainers war eine glückliche Entscheidung. Neun Monate ist das erst her, aber wenn die TSG am Samstag beim FC Bayern antritt, schaut Fußball-Deutschland auf ein Spitzenspiel. Die ungeschlagenen Badener treffen nach einer Serie von fünf Siegen als Tabellenvierter auf den Spitzenreiter. Rosen sagt: "Nie war die Entwicklung der Mannschaft so fortgeschritten wie jetzt."

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Plötzlich gewinnt die TSG in Schlussphasen Punkte, Rückschläge werfen die Elf nicht mehr aus der Bahn: "Nach dem Spiel in Darmstadt, als wir kurz vor Schluss den Ausgleich kassierten, hätte die Mannschaft auch wegknicken können, stattdessen aber packt sie einen drauf und gewinnt gegen Schalke", freut sich Rosen. "Gier", findet er, sei ein guter Begriff, um die Mentalität des Kaders zu beschreiben. Trotz des Aufwindes herrsche eine "permanente Unzufriedenheit", sagt Rosen. Und gefördert wird dieser Siegeswille vor allem durch den Trainer.

Julian Nagelsmann wirkt wie ein Taktik-Nerd. Und das ist er auch. Seiner Elf hat er eine erstaunliche Flexibilität antrainiert. Das alleine aber ist nicht der Grund für den Erfolg. Nagelsmann ist auch ein Menschenfänger. Und mit denen, die er um sich versammelt, hat er Großes vor: "Wenn man über meine Mannschaft einmal sagt, sie sei der Aggressive Leader der Liga, dann fände ich das geil", sagt er. Acht Spieler aus der eigenen Nachwuchsakademie des Klubs stehen im Kader. Sie alle verdanken unter anderem Nagelsmann ihr Profi-Dasein.

Was außerdem hilft: Der erfolgreiche Kampf gegen den Abstieg hat auch bei den Etablierten das Vertrauen in die Fähigkeiten des erst 29 Jahre alten Trainers gestärkt. Innenverteidiger Niklas Süle, 21, jüngst zum Nationalspieler aufgestiegen und im Sommer vom FC Chelsea umworben, sagt: "Wäre ich davon ausgegangen, dass wir noch mal so eine Saison wie die letzte spielen, wäre ich nicht geblieben."

Außer dem zuvor schon bei Leicester City ausgeliehenen und im Sommer gekauften kroatischen Stürmer Andrej Kramaric wurden zuletzt nur deutsche Spieler verpflichtet: Stürmer Sandro Wagner (Darmstadt) misst ebenso 1,94 Meter wie Abwehrspieler Kevin Vogt (Köln), Innenverteidiger Benjamin Hübner ist nur einen Zentimeter kleiner. Das Trio brachte dem Spiel der TSG eine Körperlichkeit, die es zuvor nicht gab. Mittlerweile kann es den Gegnern im Wortsinn weh tun, gegen Hoffenheim zu spielen.

"Wir sind körperlich in einer sehr guten Verfassung"

Der Konkurrenzkampf ist groß. Selbst der Ausfall des erstaunlichen Mark Uth in der Offensive wurde kompensiert, Spieler wie Rechtsverteidiger Pavel Kaderabek, Sechser Sebastian Rudy oder die Achter Lukas Rupp (kam von Absteiger Stuttgart) und Kerem Demirbay (verpflichtet vom HSV) erleben wie viele andere gerade einen auffallenden Aufschwung.

Hoffenheim stand lange nur für Umschaltfußball, vor allem unter Gisdol. Mit Huub Stevens stand die TSG anschließend für nichts. Nagelsmann brachte ihr den modernen Fußball bei. Der Coach sagt: "Mittlerweile kultivieren wir auch den Ballbesitz." Zwar erzielt die TSG weiter schnelle Tore nach Ballgewinn, aber sie kombiniert sich auch zu Treffern. Und weil die Elf nicht mehr so schnell den Ball verliert, ist sie weniger konteranfällig.

"Wir sind körperlich in einer sehr guten Verfassung, die Konzentration ist da, und die ist die Basis dafür, weniger Fehler im Ballbesitz zu machen", erklärt Nagelsmann. Mut ist ein Wesenszug, der ihn auszeichnet: "Gegen die Bayern brauchen wir mehr als 30 Prozent Ballbesitz, um erfolgreich zu sein", glaubt er: "Wir wollen dort zeigen, dass wir etwas können."

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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