Fragen und Antworten zu den Special Olympics:Berliner Botschaft in die Welt

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Nachdem die "Flamme der Hoffnung" für die Special Olympics vor zehn Tagen bei einer Zeremonie in Athen entzündet worden war, ist sie nun in der deutschen Hauptstadt angekommen. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Zum ersten Mal finden die Special Olympic World Games für geistig behinderte Sportler in Deutschland statt. Erwartet werden 7000 Athleten aus 190 Ländern. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Korbinian Eisenberger, Berlin

Nach 87 Jahren brennt in Berlin wieder olympisches Feuer. Mit Beginn der Eröffnungsfeier an diesem Samstag ist die Hauptstadt bis einschließlich Sonntag, 25. Juni, Schauplatz für die Special Olympic World Games, die Spiele für geistig und mehrfach behinderte Sportler und Sportlerinnen aus aller Welt - zum ersten Mal in Deutschland. 7000 Teilnehmer aus 190 Nationen haben sich angekündigt, eine ähnliche Zahl wie vor vier Jahren in Abu Dhabi. In Berlin werden in 26 Sportarten, unterteilt in Leistungsklassen, Medaillen und Schleifen vergeben. Wer sind die Athleten? Wie lassen sich ihre Leistungen fair vergleichen? Was wollen die Veranstalter in Berlin erreichen? Ein Überblick.

Was sind die Special Olympics?

Die Special Olympic World Games sind das größte deutsche Multisportereignis seit den Sommerspielen in München 1972. Sie finden meist jahresversetzt zu den Spielen der Nichtbehinderten und körperlich behinderten Athleten statt. Verwechselt werden die Special Olympics bisweilen mit den Paralympics der Körperbehinderten. Die Athleten der Special Olympics haben eine geistige Behinderung, die in der Regel auch die körperliche Leistungsfähigkeit beeinflusst. Sportarten sind 2023 klassische olympische Disziplinen wie Leichtathletik, Radsport, Reiten, Schwimmen, Segeln und Tennis, es wird aber auch Futsal, Boccia und Bowling gespielt. Zu den Förderern gehören neben Sponsoren die Bundesministerien des Inneren, für Arbeit und Soziales und für Gesundheit. Schirmherr ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Warum richtet Berlin die Special Olympics aus?

Das bis dato letzte olympische Feuer hatte in Berlin im Jahr 1936 gebrannt, ehe Adolf Hitler drei Jahre später den Zweiten Weltkrieg begann und die Jugend der Welt in den Krieg schickte. Vor 87 Jahren habe Berlin "eine Botschaft der Spaltung und des Hasses" in die Welt gesendet, erklärt Timothy Shriver aus den USA, der Vorsitzende des vom IOC unabhängigen Weltverbands Special Olympics International. Die offizielle Botschaft 2023 lautet: "Zusammen unschlagbar". Oder wie Shriver es formuliert: "Die Frage ist nicht: Wer ist der Beste, sondern: Was ist dein Bestes?" Konkret erhoffen sich die Veranstalter mit den Berliner Special Olympics Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen, nicht nur, aber auch in Deutschland. Nur acht Prozent der behinderten Menschen sind demnach hierzulande derzeit in Sportvereinen aktiv, 40 000 von 500 000. "Das ist zu wenig", sagt Shriver. "Wir wollen diese Zahl verdoppeln." Er hofft, dass die Spiele hierzulande viele Menschen animieren, "Freiwillige, Trainer, Eltern, um eine neue Ära des inklusiven Sports im ganzen Land zu kreieren".

Wer darf teilnehmen?

Sportler bei Special Olympics müssen ihre geistige Behinderung durch einen schriftlichen Nachweis belegen. Das Mindestalter liegt bei 16 Jahren, zudem müssen die Athleten seit mindestens drei Jahren trainieren und vorher an zwei oder mehr regionalen Veranstaltungen von Special Olympics teilgenommen haben.

Im Doppel: Die deutsche Badmintonspielerin Daniela Huhn (rechts) und ihre Unified-Partnerin Andrea Eichner: Der gemeinsame Sport von Athleten mit geistiger und ohne Behinderung fördert die Inklusion. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Welche Sportler treten an?

414 deutsche Sportler sind am Start, einer von ihnen ist der Berliner Kai Krüger, der zum zweiten Mal nach 2019 am Kraftdreikampf (Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben) teilnimmt. Krüger, 38, arbeitet in den Berliner Werkstätten für Behinderte und gewann bei den nationalen Spielen 2022 in Berlin vier Mal Gold. Eine der jüngsten Athletinnen stammt aus Australien: Karen Messmer, heute 16 Jahre alt, wurde fast drei Monate zu früh geboren, außerdem hatte sie ein Loch im Herzen; als einen Wendepunkt in ihrem Leben bezeichnet sie ihre Entscheidung fürs Reiten. Berlin ist nun ihr erstes special-olympisches Turnier - ebenso wie für den Senegalesen Ablaye Ndiaye. In seinem Viertel in Dakar ist der 35-Jährige eine angesehene Persönlichkeit, auch wenn das nach seiner Geburt mit dem Down-Syndrom viele Jahre anders war. In Senegal ist er als Bauarbeiter tätig, in Berlin spielt er für die senegalesische Basketballmannschaft.

Die prominenteste Athletin und eine der erfolgreichsten ist 69 Jahre alt und tritt seit 1970 bei Special Olympics an: Loretta Claiborne wurde mit einer starken Seh- und einer geistigen Behinderung geboren und konnte erst mit vier Jahren gehen. Sie entschied sich dennoch, Marathonläuferin zu werden. In den USA ist Claiborne mit ihrer Geschichte zum Star der Szene geworden, im März wurde sie von der Tageszeitung USA Today als eine der "Women of the Year 2023" ausgezeichnet. Sechs Goldmedaillen hat sie bei den Weltspielen bisher gewonnen, vier im Laufen, zwei im Bowling, zudem holte sie bei den World-Winter-Games 2005 in Nagano Silber im Eiskunstlauf. 2023, mit fast 70, versucht sie sich in einer neuen Disziplin: im Tennis.

Sind die Behinderungen sportlich messbar und vergleichbar?

Es ist kompliziert, den Grad einer geistigen Behinderung und dessen Auswirkung auf die sportliche Leistungsfähigkeit seriös zu bestimmen oder vergleichbar festzulegen. Die Veranstalter der Special Olympics gehen andere Wege. Die Athleten treten - anders als etwa bei den Paralympics - nicht gegen "Gleich-" oder "Ähnlich-Behinderte" an, sondern diesbezüglich bunt gemischt. So kann ein Athlet mit Down-Syndrom im Kanu ohne Weiteres gegen einen Sportler mit Autismus paddeln. Entscheidend für die Zuordnung zu einer Leistungsklasse sind - etwa bei Laufwettbewerben - die Zeitvergleiche der Athleten. Bewegen sich acht Teilnehmer in den Ermittlungswettkämpfen in einem ähnlichen Zeitfenster, sind sie einer gemeinsamen Gruppe zugeteilt. So werden bei den Einzelwettkämpfen stets mehrere Achtergruppen ermittelt. Innerhalb dieser Gruppen geht es dann jeweils um die Medaillen aus Gold, Silber und Bronze. An der Siegerehrung nehmen - anders als sonst bei Olympia oder Paralympics - sämtliche Athleten teil: die Viert- bis Achtplatzierten werden auch geehrt, sie erhalten eine sogenannte Platzierungsschleife, disqualifizierte Athleten eine Teilnehmerschleife.

Wo sind die Spiele im Fernsehen zu sehen?

Die Eröffnungsfeier im Berliner Olympiastadion (Samstag, 20.15 Uhr) wird live im RBB, bei Sky und bei sportdeutschland.tv übertragen. sportdeutschland.tv streamt die Veranstaltungen live, ARD und ZDF senden wechselweise tägliche Zusammenfassungen. Der Online-Anbieter Dazn zeigt Höhepunkte und tägliche Zusammenfassungen. Sky sendet live etwa Fußball, Leichtathletik und Schwimmen, zeigt Dokumentationen, Höhepunkte und Zusammenfassungen. ( Zur Sende-Übersicht, teils mit Startzeiten der Übertragungen.)

An welchen Standorten finden die Wettbewerbe statt?

Im Olympiastadion werden die Leichtathletik-Wettbewerbe ausgetragen, an verschiedenen Orten im Olympiapark versammeln sich die Reiter, Fußball- und Futsalspieler. Viele Sportarten finden in der Messe Berlin inklusive des nahe gelegenen Tennis Clubs SC Brandenburg statt. Die Wassersportler gehen in der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark (Bezirk Prenzlauer Berg) an den Start, die Regattastrecke liegt in Grünau im Südosten Berlins, die Segler kommen am Wannsee im Südwesten der Stadt zusammen. Weitere Standorte: der Neptunbrunnen nahe dem Alexanderplatz, die Straße des 17. Juni am Brandenburger Tor, Beach Mitte unweit der Gedenkstätte Berliner Mauer, die Bowling World neben der East Side Gallery in Friedrichshain-Kreuzberg und der Golf Club Bad Saarow am Scharmützelsee in Brandenburg. Den genauen Zeitplan gibt es hier.

Wie läuft es mit Tickets?

Im Basketball, Beachvolleyball, Freiwasserschwimmen, Golf, Kanu, Radsport und Segeln sind sämtliche Veranstaltungen ohne Eintritt zugänglich. Für alle anderen Sportarten werden Tickets online unter diesem Link oder vor Ort verkauft. Der Eintritt für die Eröffnungsfeier liegt je nach Platzwahl bei 10 bis 35 Euro. Ein Wochenticket für alle Wettbewerbe von Sonntag bis Sonntag kostet für Erwachsene 32 Euro, ermäßigt (Kinder, Schüler, Studenten, Auszubildende, Arbeitssuchende, Menschen mit Behinderung, Senioren über 65 Jahre) 24 Euro. Ein Tagesticket für alle Veranstaltungsorte kostet jeweils 8 Euro, ermäßigt 6 Euro. Die Abschlussveranstaltung am Brandenburger Tor (Sonntag, 25. Juni, 19 bis 22 Uhr) ist laut Veranstalter bereits ausverkauft.

Wer hat die Spiele erfunden?

Gegründet wurden die Special Olympics von der Amerikanerin Eunice Kennedy Shriver, die sich den Einsatz für mehr Rechte und Akzeptanz für Menschen mit geistiger Behinderung zur Lebensaufgabe gemacht hat. Sie und ihre Brüder John F. , Robert und Edward hatten eine Schwester, Rosemary Kennedy, mit geistiger Behinderung. Die Idee zu den Weltspielen entstand während eines internationalen Jugendcamps 1963. Fünf Jahre später wurden in Chicago die ersten Special Olympics World Games ausgetragen, mit mehreren Tausend Sportlern aus den USA und Kanada.

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