Special Olympics:"Er ist genauso Experte wie Basler oder Effenberg"

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Roman Peter (re.) legt Sport-1-Reporter Hartwig Thöne gleich auf die Matte. (Foto: privat/oh)

Bei den Special Olympic World Games in Berlin sind so viele bayerische Athleten wie nie am Start. Ein Funktionär formuliert die nächsten Aufgaben - und ein früherer Behinderten-Judoka aus München kommentiert im TV.

Von Korbinian Eisenberger, Berlin

Üblicherweise befördert der Münchner Judoka Roman Peter Gegner auf Matten. Im Fall des Judoka-Novizen Hartwig Thöne machte er nun eine Ausnahme. Thöne, Mann für Reporter-Töne beim TV-Sender Sport1, ließ sich von Peter vor laufender Kamera auf das Studiosofa werfen - und blieb unverletzt, wie er am Freitagnachmittag telefonisch versicherte. Judoka Peter erklärt: "Ich hab ihm gesagt, dass er mir vertrauen muss."

Die Zusammenarbeit des geistig behinderten Athleten Peter mit dem Sportmoderator Thöne setzt bei den Special Olympic World Games in Berlin ein mediales Schlaglicht. Selten hat man sowas im deutschen TV gesehen, auch wenn die beiden "nur" eine tägliche Highlight-Show moderieren. Der einstige WM-Zweite im Judo für Menschen mit geistiger Behinderung ist von Sport1 engagiert worden, mit Bezahlung. "Natürlich, er ist genauso Experte wie Mario Basler oder Stefan Effenberg", erklärt Thöne. Beide berichten immer abends aus dem Studio in München, dort arbeitet Peter im Hauptberuf als Koch. "Für mich war das eine neue Verantwortung", erzählt er am Telefon. "Am ersten Tag war ich aufgeregt, dass ich was falsch mache. Von da an wusste ich, was ich zu tun habe."

Zwei Athleten hatte Peter bei diesen Spielen besonders im Blick: Die Münchner Judoka Alessia Schmidt und Henry Unterseher, die er als Co-Trainer coacht. Beide holten in ihren Kategorien die Goldmedaille - die bisher ersten aus bayerischer Sicht. Hinzu kommen vier Silbermedaillen; drei davon gewannen die rhythmischen Sportgymnastinnen des EBK Olching, Ivana Duric (2) und Melanie Scharff - und drei Bronzemedaillen.

Höchst erfolgreich in Berlin: Die Rhythmischen Sportgymnastinnen Melanie Scharff (li.) und Ivana Duric vom EBK Olching gewinnen bei den Special Olympics insgesamt dreimal Silber. (Foto: Jean-Marc Wiesner/Imago)

Sportlich wird ein gemischtes Inklusions-Team im Tischtennis in Erinnerung bleiben: Die Mittelfranken Günther Ritschel (TV 09 Dietenhofen) und sein Unified-Partner Daniel Strössner (1. FC Sachsen) holten auf höchstem Level im Doppel Bronze. Lediglich zwei asiatische Teams waren stärker. Schwimmer Dorian Burkardt aus Zwiesel verpasste zwar als Vierter und Fünfter über 200 und 400 Meter Freistil Edelmetall - zeigte aber gegen die Elite, dass er zur Weltspitze zählt.

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38 bayerische Athleten - so viele wie noch nie - werden bis zur Abschlussfeier am Sonntag am Start gewesen sein, 16 mehr als 2019 in Abu Dhabi (Medaillenausbeute damals: viermal Gold, viermal Silber, dreimal Bronze). Bei den Wettbewerben in Berlin mit bayerischer Beteiligung stehen in den Sportarten Basketball, Handball, Hockey, Radsport, Turnen, Segeln und Kanu noch Entscheidungen aus. Wenngleich die Verantwortlichen von Special Olympics Bayern wie so viele betonen, dass Medaillen nachrangig seien. Die bisherigen Spiele in Berlin haben vielmehr Hinweise hinterlassen, dass es um ihre gesellschaftliche Wirkung geht. Also um die Frage, ob behinderten Menschen in Deutschland und anderswo das Leben künftig erleichtert wird.

Der Präsident von Special Olympics Bayern, Erwin Horak, kehrte am Donnerstagabend aus Berlin nach München zurück - und richtet den Blick einen Tag später nach vorn. "Wir wollen ein ganz normaler Teil des Sportgeschehens werden", erklärt er. "Dafür müssen wir jetzt den Schwung aus Berlin mitnehmen." Konkret bedeute das, "dass wir auf die Vereine zugehen müssen, damit sie sich dem Inklusionssport öffnen". In Kürze wolle er sich in der Sache mit dem Präsidenten des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV) treffen. "Wir dürfen nicht nur Forderungen stellen, auch wir sind gefordert", sagt Horak.

Dem BLSV zufolge haben von den 12 000 Sportvereinen im Freistaat lediglich 400 inklusive Angebote im Programm, das entspricht 3,3 Prozent. Die bundesweite Quote an Menschen mit geistiger Behinderung, die in einem Sportverein aktiv sind, liegt laut Special Olympics International bei acht Prozent. Timothy Shriver, Präsident von Special Olympics International, hatte zum Start der Spiele das Ziel ausgegeben, diese Quote in Deutschland zu verdoppeln.

Mit dem Ende der World Games nach der sonntagabendlichen Abschlussfeier am Brandenburger Tor (ausverkauft) werden womöglich neue Fragen zu beantworten sein: Wie baut man eine inklusive Mannschaft aus behinderten und nicht behinderten Sportlern auf? Welche Übungsleiter braucht es dafür? Wie kann man sich als Coach weiterbilden? Wie läuft es mit der Versicherung? Muss man eigene Ligen gründen? Wie werden die einzelnen Sportler etwa von der Einrichtung zum Sportplatz transportiert? Wer bezahlt das? Welche Fördermittel gibt es? Erwin Horak von den Special Olympics Bayern sagt: "Bei solchen Fragen müssen wir den Vereinen Hilfestellung geben."

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