Spanien im WM-Finale:Zerstritten, aber erfolgreich

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Eva Navarro feiert mit Aitana Bonmati und Esther Gonzalez nach dem Halbfinal-Sieg gegen Schweden. (Foto: Abbie Parr/AP)

Vor 2013 spielte Spaniens Frauenfußball kaum eine Rolle, jetzt steht das Team im WM-Finale. Die Qualität der Goldenen Generation zeigt sich auf dem Platz - und das obwohl es innerhalb des Teams teilweise heftige Konflikte gibt.

Von Felix Haselsteiner, Auckland

Die Weltmeisterschaft war in Neuseeland, im Land des Co-Gastgebers, bereits zu Ende, doch Aitana Bonmatí erzählte noch. Im leeren Eden Park von Auckland stand sie als letzte Spielerin in der Pressezone, sie trug ein ertauschtes, schwedisches Trikot von Fridolina Rolfö, ihrer Mannschaftskollegin vom FC Barcelona, die nach der Niederlage längst in einem Bus Richtung Teamhotel saß. Bonmatí hingegen suchte nach den richtigen Worten, um diesen besonderen Moment des spanischen Fußballs einzuordnen - und den langen Weg in dieses WM-Finale zu beschreiben.

25 Jahre alt ist Aitana Bonmatí, aber das wichtigste Kapitel in der Geschichte des spanischen Frauenfußballs hat sie in den vergangenen zehn Jahren miterlebt. Es war der Aufstieg einer Männerfußballnation, die im Frauenfußball keine Bedeutung hatte - und der nun am Sonntag womöglich die Krönung bevorsteht.

"Einzigartig" sei diese Gelegenheit, sagte Bonmatí und erinnerte sich an ihre Kindheit. "Diese Momente sind etwas besonderes für ein Land, ich weiß noch, die Männer 2010, als sie die WM gewonnen haben", sagte Bonmatí, ihr huschte ein Lächeln über die Lippen: "Ich erinnere mich noch genau an das Tor von Iniesta im Finale, meinem Idol...", sagte sie, nur um gleich anzufügen: "...neben Xavi, natürlich!"

Die Generation Bonmatís hatte nur männliche Idole

Die Generation der Spanierinnen um Bonmatí wuchs auf mit männlichen Idolen, weil es keine weiblichen gab. Während etwa in Deutschland Celia Sasic, Birgit Prinz oder Nadine Angerer einen Titel nach dem anderen gewannen, nahm Spaniens Frauenmannschaft vor 2013 überhaupt nur ein einziges Mal an einer WM- oder EM-Endrunde teil. Ein Jahrzehnt später gibt es gute Argumente dafür, warum die Spanierinnen die beste Frauenfußball-Nation der Welt sind.

"Wir hatten das Talent seit Jahren", sagt Bonmatí: "Schauen sie sich mal die U17-, die U19-, die U20-Turniere an, wir haben alles gewonnen." Die goldene Generation, die jetzt um den WM-Titel spielt und die mit dem FC Barcelona in den vergangenen drei Jahren zweimal die Champions League gewann, sie ist entstanden aus einer einmalig guten Jugendarbeit: Neun WM- und EM-Titel holten spanische U-Nationalteams in den vergangenen zehn Jahren, Bonmatí wurde mit der U15 und der U17 Europameisterin, debütierte allerdings bereits mit 19 Jahren für das A-Nationalteam - wo stets im Viertelfinale Schluss war, bei großen Turnieren.

"Wir haben es einfach nie geschafft, vielleicht hatten wir die Mentalität und die Physis nicht - es war einfach nicht genug", sagte Bonmatí: "Aber jetzt sind wir stärker als je zuvor, viele von uns haben (mit Barcelona, d. Red.) schon Titel gewonnen." Spanien hat sich im Verlauf dieser WM zu einem Team zusammengefunden, das nicht mehr nur dann brillant ist, wenn es um die Ballbesitz-Statistik geht, sondern dass Spiele auf physische Art und Weise bestreiten und gewinnen kann, auch gegen scheinbar überlegene Gegner wie die Schwedinnen: "Schauen Sie mal, ich bin winzig", sagte Bonmatí und deutete auf Rolfös Trikot, das gute zwei Nummern größer ist.

"Wir hatten das Talent seit Jahren": Aitana Bonmati (re.), hier im Halbfinale gegen Schweden, war schon U15- und U17-Europameisterin. (Foto: Amanda Perobelli/Reuters)

Vor allem aber ist es in den vergangenen Wochen einer zerstrittenen Gruppe gelungen, sich zumindest für eine Zeit lang zu vertragen. Die Teilung in Gegnerinnen und Befürworterinnen von Trainer Jorge Vilda wurde für die Dauer des WM-Turniers aufgehoben, die Spielerinnen hielten sich an die Vorgabe des Burgfriedens, den sie vor dem Turnierstart angekündigt hatten: Kein böses Wort drang übereinander an die Öffentlichkeit, auch nicht nach dem 0:4 gegen Japan in der Gruppenphase. Die Bruchlinien sind trotzdem weiterhin erkennbar: Bonmatí und Alexia Putellas etwa, die zwei vielleicht talentiertesten Spielmacherinnen des Turniers, halten selbst auf dem Feld möglichst großen Abstand. Daneben, so hört man, reden sie kein Wort miteinander.

Genauso ist von Außenstürmerin Mariona Caldentey und anderen, die das Anliegen der "Las 15", jener Gruppe, die im vergangenen September öffentlich gegen ihren Trainer meuterte, keine Spur von Freundlichkeit gegenüber Vilda erkennbar. Dessen Zukunft als Nationaltrainer steht trotz der Aussicht auf den WM-Titel in Frage, auch deshalb, weil Spielerinnen weiterhin Forderungen stellen wollen.

Mehr Unterstützung braucht es in Spanien weiterhin für den Frauenfußball, die Liga etwa ist in der Spitze hochklassig, aber vermisst die Qualität in der Breite. Und im Nationalverband ist die Einigkeit eben nur temporär, die "Las 15 " werden sich wohl wieder melden nach dem Turnier - ihre Verhandlungsposition nämlich ist nur besser geworden, durch die Anführerinnen wie Bonmatí und Caldentey, die ihren Protest unterbrachen und auf dem Weg zu Spaniens erstem großen Titel kurz vor dem Ziel sind.

"Schritt für Schritt" hätten sich die Dinge verändert und verbessert, in den vergangenen zehn Jahren, sagte Bonmatí noch: "Aber wenn man gewinnt, werden sie sich noch viel schneller verändern."

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