Sommerspiele 2024:IOC beendet Russland-Bann

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Zurück in der olympischen Welt: Das IOC lässt russische Sportler zu - mit Auflagen. (Foto: Mikhail Tereshchenko/Itar-Tass)

Bei den Olympischen Spielen in Paris werden Russen und Belarussen als neutrale Athleten zugelassen. Die Ukraine rügt die Entscheidung scharf: Sport werde zu Propagandazwecken genutzt, argumentiert die Regierung in Kiew.

Fast 22 Monate nach Kriegsausbruch und trotz des anhaltenden Blutvergießens in der Ukraine hat das IOC den erwarteten letzten Schritt vollzogen: Russen und Belarussen werden als neutrale Athleten und unter weiteren Auflagen bei den Olympischen Sommerspielen im kommenden Sommer in Paris zugelassen. Der Rahmen steht nun, die Diskussionen dürften aber anhalten - nicht nur in der von Russland überfallenen Ukraine.

Zu den Bedingungen der Rückkehr gehört, dass Russen und Belarussen nur unter neutraler Flagge in Paris teilnehmen. Mannschaften sind nicht zugelassen. Die Nationalhymnen, nationale Symbole und Fahnen sind für die Athleten der beiden Länder untersagt. Außerdem dürfen sie keine Verbindung zur Armee und den Sicherheitsorganen haben und nicht aktiv ihre Unterstützung für den Krieg in der Ukraine gezeigt haben. Zudem müssen die Anti-Doping-Richtlinien erfüllt sein - auch das eine fragwürdige Vorgabe angesichts des systematischen Betrugs der Vergangenheit. Als zusätzliche Auflage fordert das IOC von allen Athleten ein schriftliches Bekenntnis zur Olympischen Charta und damit auch zur "Friedensmission der olympischen Bewegung".

Das IOC habe "Russland grünes Licht gegeben, Olympia als Waffe zu benutzen", so Außenminister Kuleba

Der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba hat die Entscheidung der Ringe-Verwalter um IOC-Präsident Thomas Bach scharf kritisiert. "Das Internationale Olympische Komitee hat Russland grünes Licht gegeben, Olympia als Waffe zu benutzen", schrieb Kuleba beim Kurznachrichtendienst X. Jeder Athlet aus Russland und dem verbündeten Belarus werde nun zu Propagandazwecken benutzt, ergänzte der Außenminister. Er rief zudem die Partner der Ukraine auf, die Entscheidung des IOC zu verurteilen.

In Russland fielen die Reaktionen unterschiedlich aus: Während die frühere Eiskunstlauf-Startrainerin Tatjana Tarassowa im Portal Sport Express von einem "großen Sieg" sprach, gingen einigen Funktionären die Zugeständnisse des IOC längst nicht weit genug. "Diese Bedingungen sind diskriminierend, sie verstoßen gegen die Grundsätze des Sports", erklärte der russische Sportminister Oleg Matysin.

Der Deutsche Olympische Sportbund begrüßt die Zulassung von Sportlern aus Russland und Belarus für die Pariser Sommerspiele wegen der nun "herrschenden Klarheit" für Athleten und Athletinnen auf dem Weg an die Seine. Die damit verbundene "Aufrechterhaltung der strikten Sportsanktionen" sei ebenso wichtig und richtig. "Jetzt gilt es, diese Auflagen weiterhin konsequent umzusetzen", sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert am Freitag.

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Nach Russlands Angriff auf die Ukraine waren Russen und Belarussen zunächst von internationalen Sportwettbewerben ausgeschlossen worden. Belarus unterstützt Russland in dem Konflikt. Bereits im Frühjahr hatte das IOC beiden Ländern aber wieder die Tür zu den großen Sportbühnen geöffnet und den Rahmen für die Teilnahme an Wettkämpfen festgelegt. Eine Reihe von Weltverbänden folgte in den vergangenen Monaten den Vorgaben des IOC und ließ Russen und Belarussen wieder zu. Die Gruppe der internationalen Verbände um die Leichtathletik, die Sportler aus beiden Ländern weiter aussperren, schrumpfte in den vergangenen Monaten stetig. Gleichwohl verkündete Leichtathletik-Weltverbandschef Sebastian Coe, dass sich die Haltung seiner Föderation nicht geändert habe: "Vielleicht werden Sie in Paris einige neutrale Athleten aus Russland und Belarus sehen, aber in der Leichtathletik wird das nicht der Fall sein", sagte er bei einer Pressekonferenz am Freitag.

Auch der Streit mit Russlands NOK um die besetzten ukrainischen Gebiete hat die Zulassung für Paris nicht verhindert

Das IOC hatte immer wieder versichert, auch die Mehrheit der internationalen Athletengemeinde sei für eine Starterlaubnis für russische und belarussische Sportler. Die Vereinigung Athleten Deutschland kritisierte jedoch die Linie des Dachverbandes: "Die Instrumentalisierung des Sports und der Athletinnen und Athleten für Putins Kriegspropaganda wird damit nicht unterbunden. Das Instrument scheint nicht geeignet und mit erheblichen praktischen Umsetzungsproblemen behaftet zu sein."

Auch der jüngste Zwist zwischen dem IOC und Russland verhinderte die Olympia-Zulassung nicht. Wegen der Aufnahme regionaler Sportverbände in besetzten ukrainischen Gebieten in das Nationale Olympische Komitee Russlands (ROC) hatte die IOC-Exekutive das ROC suspendiert. Die Entscheidung vom 5. Oktober, die regionalen Sportverbände Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischja aufzunehmen, verletze die Olympische Charta, weil sie die territoriale Integrität des ukrainischen olympischen Komitees missachte, hieß es zur Begründung.

Abgesehen davon ist weiterhin eine Reihe von Fragen offen: So bleibt unklar, wie der verlässliche Nachweis geführt werden soll, dass Athletinnen oder Athleten nicht mit dem russischen Militärapparat oder dem Kreml verwoben sind.

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