DFB-Affäre:Auf Millionensuche in Katar

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Demnächst unterwegs nach Katar in investigativer Mission: DFB-Boss Reinhard Grindel. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • DFB-Chef Reinhard Grindel kündigt an, nach Katar reisen zu wollen, um sich mit Mohammed Bin Hammam zu treffen.
  • Dem Katarer waren 2002 6,7 Millionen Euro diskret über Franz Beckenbauer und den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zugeflossen.
  • Bin Hammam soll erklären, wofür.

Von Thomas Kistner, München

Lange Zeit herrschte Stille um die Selbstaufklärung der Sommermärchen-Affäre, die sich der Deutsche Fußball-Bund über eine aufwendige Tätigkeit der Kanzlei Freshfields geleistet hat. Im März 2016 legte die Firma der Öffentlichkeit einen Report vor, der meist dort am heikelsten ist, wo er Vorgänge ausspart oder in Fußnoten versteckt. Den Verdacht, dass der DFB mit seiner Selbstbeschau eher alibihaft unterwegs war, nährt zudem die Arbeit der Strafbehörden in Deutschland und der Schweiz. Sie waren über den Freshfields-Aktionismus nie glücklich.

Aus der Defensive stößt nun Reinhard Grindel hervor: Der DFB-Boss, dank der WM-2006-Affäre ins Chefamt gelangt, will persönlich nach Katar zur Schlüsselfigur Mohammed bin Hammam reisen, um das Rätsel um die WM-Vergabe und eine mysteriöse 6,7-Millionen-Euro-Zahlung der deutschen WM-Macher zu lösen. Dem Katarer war das Geld 2002 diskret über Franz Beckenbauer und den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zugeflossen; 2005 erstatteten es die WM-Organisatoren an den Franzosen zurück. Geld wofür? Der Katarer ist das letzte Puzzleteil.

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Aber wie will Grindel das herausfinden? Nach der Klub-WM in Abu Dhabi Mitte Dezember will er in Katar Offizielle und den vom Weltverband Fifa lebenslang gesperrten Funktionär treffen; "ob das gelingt", weiß er nicht. "Aber dass wir die Versuche vor Ort vorantreiben", sagte Grindel dem Sender Sky, "das ist so!"

Der DFB will Betriebsamkeit demonstrieren, das scheint einmal mehr der Antrieb zu sein. Allerdings hat Katar, zentraler Helfer des DFB bei der WM-2006-Bewerbung und nun selbst Ausrichter des Turnieres im Jahr 2022, seit einiger Zeit weit brisantere Fragen zu beantworten als solche, die ein deutscher Fußballfunktionär stellen kann. Die Schweizer Bundesanwaltschaft dürfte bei ihrer Betrugsermittlung zum 2006-Komplex längst um Rechtshilfe in Katar ersucht haben. Dass dieses Begehr zumindest bisher nicht erfolgreich war, passt zum Verhalten des Emirats im Zuge anderer Ermittlungen. Es geht um einen Korruptionsverdacht zwischen dem Chef des Katar-Senders beIn Sports, Nasser al-Khelaifi, und Ex-Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke: Während Katar behauptet, hier voll zu kooperieren, heißt es in Ermittlerkreisen auch dazu nur gallig, Doha würde Beweismittel vorenthalten.

Kenner der Szene glauben nicht, dass Bin Hammam auspackt

Die Affärendichte um Katar wächst, Insidern zufolge könnte am Ende durchaus die WM 2022 auf dem Spiel stehen. Da wirkt Grindels Vorstoß arg verwegen - wäre nicht der Zeitpunkt so auffällig: Soeben ließ das Nachrichtenmagazin Spiegel wissen, der DFB habe im Frühjahr 2016 die Chance auf eine Klärung mit Bin Hammam versäumt. Damals habe der Katarer seine Gesprächsbereitschaft offeriert. Kenner der Szene glauben zwar nicht, der auf Lebzeit gesperrte Bin Hammam hätte wirklich ausgepackt; Fußballaffären dürften Staatsangelegenheiten sein im Emirat.

Merkwürdig ist aber eine Protokollnotiz aus der damaligen Vernehmung von Rainer Koch beim Fifa-Ethikkomitee. Der DFB-Vizepräsident soll sein damaliges Zögern nach der Gesprächsofferte Bin Hammams damit begründet haben, er habe kurz vor Grindels Wahl zum neuen Boss des Verbandes "keine Meinungsverschiedenheiten innerhalb des DFB haben" wollen. Auch wäre ein Termin bei Katars Botschafter in Berlin avisiert, daher habe kein Zeitdruck bestanden.

Der Vorgang verrät typisches Funktionärstaktieren, für das es generell kein wichtigeres Thema als interne Ämtervergaben gibt. Und er weckt Vorfreude auf die nächste Märchenepisode: Wenn der DFB, statt über Berlin politischen und via Fifa sportpolitischen Druck auf Katar aufzubauen, Kommissar Grindel in die Wüste schickt.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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