Skispringen:Domen Prevc entdeckt die Tücken der Tournee

Lesezeit: 3 min

Bei der Tournee kaum noch mit Chancen auf den Gesamtsieg: Domen Prevc, Sloweniens erst 17 Jahre alter Senkrechtstarter im Skispringen. (Foto: Getty Images)
  • Der 17-jährige Domen Prevc ist mit Abstand die Nummer eins im Weltcup.
  • Beim Auftaktspringen der Tournee ist er quasi vom Himmel gefallen, in Garmisch wieder anständig zurückgekehrt.
  • Die Branche spekuliert über seinen tollkühnen Flugstil.

Von Volker Kreisl, Garmisch-Partenkirchen

Beat Christen ist schon lange dabei im Skispringen. Er ist Mitte 50, seine Haare sind leicht grau, seine Leidenschaft ist seit Jahrzehnten die Titlis-Schanze in Engelberg, und wenn dort ein Weltcup stattfindet, ist er für die Fragen zuständig. Domen Prevc' Haare sind verwuschelt, sein Gesicht ist noch jung und blass, und bei dieser letzten Pressekonferenz vor der 65. Vierschanzentournee war er für die Antworten zuständig. Er war einer der Ersten gewesen, die auf der neuen Titlis-Schanze aufs Podium sprangen, und so fragte Christen, was man eben fragt als Vertreter des Lokalen: Wie sich Prevc gefühlt habe, als Teil der Schweizer Skisprung-Geschichte?

Domen Prevc schwieg kurz und antwortete: "Mich überrascht es immer wieder, dass sich manche Leute mit solchen Zahlen beschäftigen, mir ist das egal." Wenig später, die Pressekonferenz war noch lange nicht zu Ende, stand er auf und ging.

Was ist angebracht - Häme oder Verständnis?

Der 17-Jährige macht gerade ziemlich viel Furore im Skispringen. Er ist mit Abstand die Nummer eins im Weltcup. Er führt einen Sprungstil vor, der innovativ ist und tollkühn und den nur er beherrscht. Und er ist der Jüngste eines jungen Skispringer-Brüder-Trios, mit dem letztjährigen Tournee-Gewinner Peter Prevc, 24, und dem großen Talent, Cene Prevc, 20. Das alleine wäre schon ziemlich viel Stoff für Geschichten, aber Domen Prevc entzieht sich nun mal der Kommunikation. Als Gesamtweltcup-Führender erschien er nicht zur Auftakt-Pressekonferenz der Tournee in Oberstdorf, genauso wenig sein Bruder, der Titelverteidiger.

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Tournee-Sprecher Ingo Jensen fand das "sehr schade" und kommentierte es lakonisch mit dem Hinweis, dass noch nie ein Favorit, der die Auftakt-Pressekonferenz geschwänzt habe, danach die Serie gewann. Dann ist Domen Prevc, der junge Senkrechtstarter, beim ersten Springen tatsächlich deutlich geschlagen worden, er ist quasi vom Himmel gefallen. In Garmisch ist er als Tages-Fünfter zwar wieder sehr anständig zurückgekommen, und doch hat er mit 60 Punkten Rückstand in der Gesamtwertung nach aller Erfahrung keine Chance mehr auf den Gesamtsieg. Viele fragen sich somit, welche Reaktion angebracht ist. Häme? Oder doch Verständnis?

Eine laufende Pressekonferenz verlässt man nicht - das ist die Sportsitte. Andererseits wünscht niemand dem anderen eine Niederlage, wie sie der Slowene erlitt - auch das ist die Regel. Domen Prevc betonte zuletzt oft, dass er cool und gelassen sei, weil es ihm nur um den Spaß gehe. Doch dann kam das erste Springen der Tournee, bei dem die Weiche gestellt wird: Entweder gibt es einem viel Schwung für die kommenden Tage, oder es wirft einen hinaus aus der Gruppe der Sieg-Kandidaten. Und Prevc wirkte alles andere als cool. Sein Absprung war hektisch, schlecht abgestimmt, sein Flug fehlerhaft, dann drückte ihm die Luft die Skispitzen nach oben, was ihn bremste und zu früh landen ließ.

Auch danach schleusten ihn die Betreuer des slowenischen Verbandes kommentarlos im Schnellschritt durch die Mixed-Zone, offiziell, um ihn vor Trubel und Selbstüberschätzung zu schützen. Andererseits unterschätzen sie wohl, was sich im Hintergrund aufbaut. Der Teenager ist das Thema Nummer eins, und je mehr dieses unterdrückt wird, umso mehr wird spekuliert - am meisten über seinen Sprungstil.

Die Konkurrenz reagiert mit Bewunderung und Warnungen

Seine krasse Vorlage im Flug ist sehr windanfällig, jeder Trainer kommentiert das mit Bewunderung und einer Warnung. "Jeder sagt, den haut's noch auf die Goschen", sagt Norwegens österreichischer Trainer Alexander Stöckl, aber vielleicht habe er es ja im Griff. Wird dies also der Sprungstil der Zukunft? Team-Austria-Coach Heinz Kuttin sagt: "Ich hoffe nicht."

Wahrscheinlich will Domen Prevc wirklich nur Spaß am Fliegen haben und alles andere beiseite lassen, und da geht es ihm wie vielen anderen Spaß-Sportlern der jüngeren Generation, zum Beispiel den Freestylern. Manche geben nichts auf olympische Ehren, auf Medaillen und Rekorde und halten nichts von künstlicher Rivalität. Fraglich ist aber, wie gut dieses Beiseitelassen funktioniert. Die Spekulationen und Kommentare, die gesamte Resonanz kommt über die sozialen Medien irgendwie doch zurück, erst aufs Display, dann irgendwann ins Bewusstsein, vielleicht kurz bevor man vor einer Weiche wie in Oberstdorf steht.

Domen Prevc sagte in Engelberg, ihn würden die ständigen Fragen nach seinen Brüdern, seinen Siegchancen und nach dem Druck nerven, der auf einer 17 Jahre alten Nummer eins laste. Statistiken, Siegesserien, Bestweiten, eine Rekord-Geschwisterschar, Titelsammlungen, Weltcup-Punkte - das sind die Kategorien des traditionellen Sports. Wenn dieser Sport aber klug ist, dann erkennt er es an, dass es jüngeren Sportlern um etwas anderes geht, und dass sie das auch ehrlich sagen. Diesen Respekt vor großen Zahlen muss nicht immer jeder aufbieten. Dass dies aber keineswegs für den Respekt vor den Kollegen gilt, das lernt der eine eben früher und der andere später.

© SZ vom 02.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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