Vierschanzentournee:Windstoß in die Bestenliste

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Ein exzellenter Tag zum Fliegen: Der Norweger Daniel-André Tande gewinnt das Neujahrsspringen - und hat nun auch Chancen auf den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. (Foto: Christof Stache/AFP)
  • Daniel-André Tande gewinnt in Garmisch-Partenkirchen, Kamil Stoch übernimmt die Führung in der Gesamtwertung.
  • Das DSV-Team um Markus Eisenbichler tritt stärker auf als noch in Oberstdorf.
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Von Volker Kreisl, Garmisch-Partenkirchen

Es ist der übliche Ablauf, die Sonne geht unter, irgendwo hinter dem Zugspitzmassiv, der Silvester-Krach ist verhallt, nur aus dem Skistadion von Partenkirchen tönen noch Bässe und Rhythmen in die Landschaft, denn soeben war Neujahrsspringen, es ist Halbzeit bei der Vierschanzentournee. Und es war auch in sportlicher Sicht eher der übliche Ablauf: Nachdem die 64. Tournee noch von einem einzigen Springer, Peter Prevc aus Slowenien, beherrscht worden war, sind am Kampf um den Titel bei der 65. Ausgabe wieder mehrere Springer beteiligt. Die Bestenlisten wurden an Neujahr kräftig durchgemischt. Es war der Tag des großen Aufholens und Zurückfallens in den Top Ten. Gewinner des Tages war der Norweger Daniel-André Tande, er hatte nach zwei fabelhaften Sprüngen auf 138 und 142 Meter endlich sein Potenzial zweimal gezeigt. Stefan Kraft (Österreich) fiel in der Tageswertung nach seinem Sieg in Oberstdorf auf Platz drei zurück, Zweiter wurde der Pole Kamil Stoch nach 143,5 Metern im Finale - knapp am Schanzenrekord. Auch Markus Eisenbichler, der aus dem Chiemgau stammt und der diese Schanze am Fuße des Wettersteingebirge sehr gerne mag, verbesserte sich: von Platz sechs in Oberstdorf auf Platz vier.

Stoch liegt hauchdünn vor Kraft

Das Neujahrsresultat war somit ein Windstoß hinein in die Gesamtwertung, weshalb das allgemeine Jubeln und Gestikulieren auch ausgiebiger ausfiel: Es gab ja mehrere Profiteure. In Führung liegt nun Stoch, der nicht gerade zu den introvertierten Jublern zählt, was Kameraleute und Fotografen am besten wissen.

Kraft ist jetzt zwar Zweiter, doch mit 0,8 Punkten derart knapp zurück, dass der Führende Stoch sagte: "Es gibt hier gerade keinen Führenden." Auf Gesamtplatz drei steht nun Tande, während Krafts Zimmerkollege Michael Hayböck, der Dritte von Oberstdorf, als Sechster mit knapp 30 Punkten Rückstand nur krasse Außenseiterchancen hat, Stoch noch einzuholen.

Sieger beim Neujahrsspringen: Daniel-André Tande. (Foto: Getty Images)

Für den neuen Gesamtvierten Markus Eisenbichler sieht dies zumindest etwas besser aus. Er hat sich in Garmisch als bester Deutscher wieder vor den Rest aus dem Team von Bundestrainer Werner Schuster gesetzt. Um den Gesamtsieg noch an sich zur reißen, bräuchte er bei 19,2 Punkten Rückstand allerdings mehr als nur exzellente eigene Sprünge, und das gesamte Trio Stoch-Kraft-Tande wird sich Einbrüche wohl nicht mehr erlauben. Eisenbichler kritisiert seine Sprünge ja selbst am meisten, und wenn er vielleicht mal einen wirklich perfekten Satz nach unten bringt, dann könnte er sich im Gesamtranking bis Bischofshofen zumindest noch verbessern.

Vierschanzentournee
:Das fliegende Doppelzimmer frustriert die Konkurrenz

Die Österreicher Stefan Kraft und Michael Hayböck treiben sich bei der Vierschanzentournee gegenseitig an. Bundestrainer Schuster erhöht erstmals den Druck auf die deutschen Springer.

Von Matthias Schmid

Schuster sagte: "Eine leise Hoffnung besteht noch, man weiß ja nie, was auf so einer Vierschanzentournee passiert."

Das Problem von Schusters Springern ist seit Wochen schon die Vollständigkeit, ohne die auch im Sport kein Erfolg möglich ist, und die im Skispringen so schwer zu erreichen ist. Gelang den Deutschen in letzter Zeit der erste Sprung, dann geriet der zweite zu kurz oder umgekehrt. Gelang der Absprung, dann wackelte das Flugsystem. Und ein Detail, das eigentlich der Tusch auf den Sprung sein sollte, hatte zuletzt für den größten Ärger gesorgt: die Landung.

Da sollte ein Top-Springer, wenn er nicht gerade in Rekordzonen gerät und gewaltigen Landedruck bekommt, wenn er also normal weit fliegt, einen Telemark setzen. Jene Landung, für die man die Flughaltung öffnen und in Schrittstellung aufsetzen muss, ohne zu verkanten und ins Trudeln zu geraten - für die man vier bis fünf Wertungspunkte mehr bekommt. "Springerisch war es okay", hatte Schuster zu den Vorführungen seiner Athleten in Oberstdorf gesagt, "im Landebereich nicht."

Eisenbichler springt 139,5 Meter

Zwei Tage später sah es besser aus. Statt hinunter zu plumpsen, setzte Richard Freitag (am Ende Tages-13.) einen Telemark, ebenso Andreas Wellinger (11.), Stephan Leyhe (8.). Statt zu verkanten und fast nach hinten zu kippen, landete auch Severin Freund, der Doppel-Weltmeister, an Neujahr sanft und stabil. Er wurde 22., er hat sich längst damit abgefunden, dass diese Tournee nicht mehr der Zeitpunkt seiner großen Rückkehr unter die Besten wird. "Er weiß, wo er steht", sagt Schuster. Soweit sehen Freunds Flüge ja wieder elegant aus, dass diese Eleganz aber stets noch zehn Meter zu früh wieder zu Boden kommt, das liege an einer Unsicherheit beim Absprung: einem leicht verstellten Körperschwerpunkt. Ende Februar beginnt die WM, Schuster sagt: "Ich bin zuversichtlich, dass er bis dahin fit wird." Seine Landung deutlich verbessert hat auch Markus Eisenbichler. Er verpasste ja in Oberstdorf noch mit großer Wahrscheinlichkeit einen Podestplatz, weil er unbewusst eine gehockte Sicherheitslandung hingelegt hatte. In Garmisch erreichte er im K.-o.-Durchgang die fünftbeste Weite, 136,5 Meter, und statt sich - wie noch in Oberstdorf - reflexartig vor Wut an den Helm zu schlagen, riss er die Arme in die Luft. Starker Flug, ordentlicher Telemark, nur leichtes Abrutschen des rechten Skis - als Vierter ging er ins Finale. Dort kam er auf 139,5 Meter und auch wenn die Landung noch kein vollendeter Tusch war, weil er nach links kippte und fast gefallen wäre - den Telemark hat er gesetzt.

© SZ vom 02.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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