Vierschanzentournee:Das fliegende Doppelzimmer frustriert die Konkurrenz

65. Vierschanzentournee

Erster Gratulant: Michael Hayböck, l., und der Oberstdorf-Sieger Stefan Kraft.

(Foto: dpa)

Die Österreicher Stefan Kraft und Michael Hayböck treiben sich bei der Vierschanzentournee gegenseitig an. Bundestrainer Schuster erhöht erstmals den Druck auf die deutschen Springer.

Von Matthias Schmid, Oberstdorf

Stefan Kraft und Michael Hayböck finden auch auf einem öden Blatt voller Zahlen und Ergebnisse noch etwas, worüber sie herzhaft lachen können. Am Freitagabend saßen die beiden Österreicher nach dem ersten Springen der Vierschanzentournee gemeinsam auf dem Podium im Kurhaus von Oberstdorf. Sie steckten ihre Köpfe über dem Zettel so eng zusammen, dass sie sich fast berührten.

Was sie so lustig fanden, behielten sie für sich. Ansonsten aber waren sie sehr redselig, vor allem Stefan Kraft. Der 23-Jährige hatte gerade das Auftaktspringen vor dem Polen Kamil Stoch und Michael Hayböck gewonnen. "Das war einer meiner schönsten Tage bisher, eine megacoole Atmosphäre", schwärmte Kraft hinterher. Ausgerechnet im Wettkampf habe er seine "besten Sprünge" gezeigt, sagte der Salzburger. Auch Hayböck frohlockte über den dritten Platz, seine dritte Podestplatzierung in Oberstdorf nacheinander. "Hier läuft es einfach. Ich habe mich selten über einen Stockerlplatz so gefreut wie diesmal", sagte der 25-Jährige und fügte hinzu: "Und wenn dann noch dein Zimmerkollege ganz oben steht, gibt es nichts Schöneres."

Kraft und Hayböck teilen sich seit Jahren nicht nur die Hotelzimmer auf Reisen. Sie sind zugleich beste Freude und große Rivalen. "Das fliegende Doppelzimmer" werden sie in der Skisprungszene gerufen. "Wir verstehen uns blendend", beschreibt Kraft ihr Verhältnis: "Es passt alles, das macht vieles einfacher und unkomplizierter. Es gibt zwischen uns überhaupt keinen Neid. Und man kann auch gemeinsam Erfolge genießen." So geschehen am Freitagabend in Oberstdorf: Als Kraft nach 134,5 Metern im zweiten Durchgang abschwang, stapfte ihm im Kunstschnee als Erster Hayböck entgegen und gratulierte seinem Freund mit einer Umarmung zum Sieg.

Später im Kurhaus auf dem Podium bestätigten sie sich gegenseitig nach ihren Antworten mit dem sogenannten "Knuckle-Gruß", das Berühren der Fäuste. "Wir haben ein gutes Gespür füreinander entwickelt", erzählte Hayböck hinterher. Das hatte er zuletzt auch nötig gehabt. Während Kraft als einziger Athlet in diesem Winter alle Springen in den Top Ten beendet hatte, haderte Hayböck mit Rückenproblemen vor vier Wochen noch mit sich und der Springerwelt. In Klingenthal verpasste er sogar als 31. den zweiten Durchgang. Kraft sprach ihm Mut zu und verteilte fachliche Ratschläge. "Aber nicht stundenlang, sondern Stefan sagt mir ein, zwei Sachen, die wichtig sind, und anschließend reden wir dann Blödsinn miteinander", erklärte Hayböck. Es wirkte. Hayböck gewann zuletzt die Generalprobe vor der Tournee in Engelberg.

Absturz von Domen Prevc

Vor dem ersten Springen der Tour in Oberstdorf hatten sie am Donnerstag ihre Platzierungen ausgewürfelt. "Michael kam dabei öfters auf den dritten Platz", merkte Kraft mit einem Lächeln an. Er hofft, dass sein Sieg in Oberstdorf ihn ähnlich trägt und berauscht wie der vor zwei Jahren, als er am Ende die Tournee gewann. "Wenn es läuft, dann freut man sich schon auf den nächsten Wettkampf", sagte Kraft.

An diesem Samstag steht in Garmisch-Partenkirchen die Qualifikation zum Neujahrsspringen an (Liveticker auf SZ.de). Dass im Hinblick auf die Gesamtwertung schon einiges entschieden sein könnte, davon will Kraft natürlich nichts wissen: "Die Liste der Sieganwärter ist lang." Stoch und der Norweger Daniel Andre Tande hielten dann doch zu gut mit. In Oberstdorf erlebte die Szene auch den Absturz des Saison- Überfliegers: Domen Prevc, der vierfache Weltcup-Sieger und Dominator in diesem Winter, lag nicht einmal in der Familienwertung vorne, er war als 26. gar Letzter im internen Wettstreit. Der Beste war überraschend Cene Prevc als Achter. Peter, der Vorjahres-Gesamtsieger, landete auf dem zehnten Platz.

Schlecht erging es auch Severin Freund. Seit seiner Hüftoperation im April sucht der Doppel-Weltmeister des vergangenen Jahres seine Beweglichkeit und Lockerheit. "Ich hätte mir aber schon eine bessere Platzierung gewünscht", gab Freund nach seinem 20. Rang zu. Als bester deutscher Springer beendete Markus Eisenbichler als Sechster den Wettbewerb. "Er hat als einziger zwei gute Sprünge runtergebracht, aber sich am Ende wegen seiner schwachen Landung ums Podium gebracht", fand Bundestrainer Werner Schuster. Von den übrigen Startern wie Richard Freitag und Andreas Wellinger erwartet er, dass sie in Garmisch-Partenkirchen endlich mal zwei stabile Sprünge zeigen. "In den vergangenen Jahren konnten sie sich schön hinter Severin Freund verstecken", erklärte Schuster erstmals kritisch und forderte: "Da wird jetzt mehr kommen müssen."

Während die Deutschen unter Druck stehen, wirkt das fliegende Doppelzimmer beschwingt. Stefan Kraft und Michael Hayböck feiern erstmal zusammen Silvester. Mit ihren Freundinnen. Und wie kann es anders sein: "Die verstehen sich auch bestens", sagte Hayböck.

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