Wintersport:Geist unter den Gummiplatten

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Vom Pool an die WM-Piste in zehn Minuten: Die alpine Ski-WM in Méribel und Courchevel überzeugt durchaus mit kurzen Wegen. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Bei den Ski-Weltmeisterschaften in Courchevel und Méribel lässt sich besichtigen, was vom viel zitierten olympischen Erbe zu halten ist - brandneue Einblicke inklusive.

Glosse von Johannes Knuth, Méribel

Eine schöne Zugabe dieser alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Méribel und Courchevel ist, dass man hier auch ein wenig durch die olympische Historie spazieren kann. In Méribel, wo die Frauen fahren, haben sie das Pressezentrum in der Eishockeyhalle verstaut, den Boden mit schwarzen Gummiplatten ausgekleidet. Man meint, wenn man darauf sitzt, zwei Dinge zu spüren: die Kälte, die von der Eisfläche hinaufkriecht - und den Geist des olympischen Eishockeyturniers von 1992, vor allem jenen dieses denkwürdigen Viertelfinals zwischen Deutschland und Kanada.

Die Deutschen ärgerten den späteren Silbergewinner mächtig, sie erzwangen die Verlängerung, sogar das Penaltyschießen. Der deutsche TV-Kommentator hatte schon so was Feierliches in der Stimme, "gibt es das Wunder von Méribel?", so dröhnt es bis heute auf den digitalen Streaming-Plattformen. Nachdem die ersten Penaltys geschossen waren, stand es noch immer remis, Eric Lindros traf für Kanada, Peter Draisaitl musste nachziehen, doch statt eines Volltreffers fabrizierte er einen Schuss, der Kanadas Torwart Sean Burke durch die Beine rauschte, von dort kullerte der Puck Richtung Torlinie, drehte eine Pirouette - und blieb auf der Linie liegen. Wenn man sich heute am selben Ort hinkniet, das Ohr aufs schwarze Gummi presst, meint man sie noch immer zu hören: die Schreie der kanadischen Fans, Draisaitls Flüche über das deutsche Aus.

Das Luxus-Chalet am Ort gibt es schon für rund 40 000 Euro die Woche

Was bleibt von zweieinhalb Wochen Olympia, von zweieinhalb Wochen Rausch? Erinnerungen natürlich, die sofort Geräusche beschwören, Gerüche, ein Gefühl, damals dabei gewesen zu sein, wo auch immer. In Courchevel, wo die Männer in diesen Tagen ihre Weltmeister ausfahren, sausen Kinder und Jugendliche nebenan von der Olympiaschanze herunter; da gibt es Bauwerke im Zeichen der fünf Ringe, die trostloser in der Landschaft stehen. Aber vielleicht ist das alles auch viel zu engstirnig gedacht.

Ohne die Winterspiele von 1992, sagte Alexis Pinturault neulich, der neue Kombinationsweltmeister, der in Courchevel als Sohn eines Hoteliers aufwuchs, ohne diese Winterspiele von 1992 jedenfalls würde die Region hier noch immer am Ende eines trostlosen Bauerntals vor sich hin dämmern. Stattdessen: olympische Nachhaltigkeit, wohin man schaut. Kurze Wege (zehn Minuten vom Pool an die Piste), kein Gigantismus (nur rund 50 Fünf-Sterne-Tempel pro Ortsteil), nachhaltiger Wohnungsbau (das Chalet mit neun Zimmern, Pool, Privatkoch und Spa-Zimmer ab 40 000 Euro die Woche). Lauter Volltreffer also, wenn auch etwas verspätete.

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