Verletzung von Stefan Luitz:"Ich dachte, es geht eigentlich nicht noch schlechter"

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Nach dem ersten Durchgang wollte Stefan Luitz alles geben. Doch er sturzte. Nun ist er im Krankenhaus. Wann er wieder auf die Piste kann ist ungewiss. (Foto: Marco Tacca/dpa)
  • Das spektakuläre Rennen in Adelboden hält die nächste bittere Pointe für die deutschen Skifahrer bereit.
  • Stefan Luitz rutscht weg und kugelt sich die Schulter aus - wie lange er ausfällt, ist unklar.
  • Der Sieg geht abermals an den Österreicher Marcel Hirscher.

Von Johannes Knuth, Adelboden

Stefan Luitz wirkte zerknirscht. Das dürfe so nicht passieren, sagte er, es machte ihm wirklich zu schaffen: dass er soeben, im ersten Durchgang des Riesenslaloms von Adelboden, einen Hauch zu zaghaft auf die ersten Tore zugefahren war. Wer zaghaft agiert im alpinen Ski-Weltcup, der ist nach zwanzig Fahrsekunden ja schnell mal eine halbe Sekunde im Verzug auf die Bestzeit, und auch wenn Luitz das meiste davon am Samstagvormittag bis ins Ziel wieder wettgemacht hatte, sogar bis auf Rang vier vorgestoßen war, nahm er sich für den zweiten Lauf vor: "Von oben weg muss ich noch eine Schippe drauflegen."

Luitz brach dann auch sehr engagiert in eben jenen zweiten Lauf auf, nach dieser kleinen Motivationsrede an sich selbst. Nur passierte nun das, was auch nicht passieren durfte: Der 26-Jährige rutschte nach knapp zehn Fahrsekunden aus und am Tor vorbei. Rappelte sich wieder auf. Steuerte mit schmerzerfülltem Gesicht an den Rand der Piste.

Ski alpin
:Luitz kugelt sich die Schulter aus, Hirscher deklassiert die Konkurrenz

Stefan Luitz liegt beim Riesenslalom von Adelboden nach dem ersten Durchgang auf Platz vier, rutscht dann am Tor vorbei und verletzt sich. Marcel Hirscher gewinnt nach einer Zauberfahrt.

"Schulter ausgekugelt", wurde bald ins Tal gefunkt, ein Hubschrauber brachte den Verunfallten ins Krankenhaus, dort renkten sie ihm die Schulter unter Narkose wieder ein - nicht jeder kann es so halten wie Luitz' Teamkollege Thomas Dreßen, der sich die Schulter mal nach seinem schweren Sturz in Beaver Creek noch am Unfallort selbst eingerenkt hatte.

Der Optimismus der Schweizer verfliegt

Erste Röntgenbilder am Abend zeigten keine weiteren Schäden, endgültige Planungssicherheit werden sie im Deutschen Skiverband aber erst in ein, zwei Tagen haben. Dann sollen weitere Tests nachweisen, ob Bänder und Sehnen heil sind. So oder so bot der Tag eine bittere Pointe für den Athleten vom SC Bolsterlang - nach Tagen und Wochen, die es schon selten gut mit ihm gemeint hatten.

Der Samstag hatte noch mit wohltemperierten Erwartungen begonnen, so wie immer, wenn in Adelboden der Riesenslalom ansteht. Am bescheidensten hatte es mal wieder die bunteste Schweizer Zeitung formuliert, in großen weißen Lettern auf blauem Hintergrund: "Ösis schlottern vor unseren Riesen!"

Adelboden ist ja eine der großen Kraftzellen des Schweizer Alpinsports, hier nahmen viele Karrieren ihren Anfang oder gar Höhepunkt, von Michael von Grünigen über Paul Accola, Didier Cuche, Marc Berthod bis zu Carlo Janka. Es gibt auch nicht viele Orte, an denen die Schweiz noch so sehr Skination ist: im Weltcup-Dörfli rund um den Zielhang; mit den Häusern, die mit dunkelbraunem Holz verschlagen sind; mit mehr als 20 000 Zuschauern, die sich durch die Gassen zwängen; mit Tomatennudeln, Glühwein, Bier. Nur die Erfolge der heimischen Athleten waren zuletzt weitgehend ausgeblieben, zumindest in der Kernübung, dem Riesenslalom. Die Schweizer Reporter hatten dafür schnell einen Überbegriff erschaffen, die "Riesen-Krisen", die am Samstag aber ja Gott sei Dank beendet sein würde. Und die jüngsten Ergebnisse ihrer Fahrer spendeten ja auch Hoffnungen.

Nur an den "Ösis", den großen Ski-Rivalen aus der Nachbarschaft, war das mit den schlotternden Knien irgendwie vorbeigegangen. Gino Caviezel schlug sich am Ende als bester Eidgenosse zwar wacker, auf Platz zehn. Für den Größten der Zunft war das aber viel zu wenig. Marcel Hirscher gewann auch am Samstag vor Henrik Kristoffersen (Norwegen/0,71 Sekunden zurück) und Thomas Fanara (Frankreich/1,04); es war Hirschers 66. Erfolg im Weltcup. Vor allem der Mittelteil im zweiten Lauf war ein Prachtstück, der 29-Jährige trieb seine Ski stoisch auf der Kante durch das Eis, während die Konkurrenten diese kraftzehrende Position mit jedem Tor weniger halten konnten.

Stefan Luitz war da schon auf dem Weg ins Krankenhaus. Erst am Abend vor dem Rennen war bekannt geworden, dass er mit seinem Eilantrag gegen das Urteil des Ski-Weltverbandes gescheitert war. Die Fis hatte Luitz dessen bislang einzigen Weltcup-Sieg von Anfang Dezember wieder aberkannt; er hatte damals Sauerstoff durch eine Maske eingeatmet, was die Anti-Doping-Regeln der Fis verbieten (während die Welt-Anti-Doping-Agentur es gestattet). Luitz wird nun vor den Internationalen Sportgerichtshof ziehen, um diesen Spruch noch mal grundsätzlich zu beleuchten, im DSV waren sie zuletzt aber auch überzeugt, dass ihr bester Riesenslalom-Könner nun auch wieder mit vollen Kräften seiner Lieblingsübung nachgehen würde.

In den Wochen davor war ihm das nicht immer gelungen, wenig überraschend. Und jetzt? "Der hat so eine Qualität, dass es einfach nur eine Frage der Zeit ist, bis er wieder Rennen gewinnt", hatte Felix Neureuther am Freitag in Adelboden beteuert - Deutschlands erfolgreichster Weltcup-Fahrer hatte den Riesenslalom am Samstag wegen mancher Wehwehchen ausgelassen, er wird nur am Slalom am Sonntag mitwirken.

Nun müssen sie im DSV wieder einmal um Luitz zittern, vor nicht allzu langer Zeit hatte der noch seinen zweiten Kreuzbandriss auskuriert. Denkbar ist derzeit vieles, von einigen Tagen Ruhepause bis hin zu einer längeren Krankschreibung. Das ist insofern ungünstig, als in drei Wochen die WM in Are anbricht - die Angst vor einem weiteren sportlichen Ernstfall trieb ihnen im DSV am Samstag schon mal tiefe Dellen ins Gemüt. "Ich dachte, es geht eigentlich nicht noch schlechter", sagte Alpinchef Wolfgang Maier, er dachte da vor allem an die jüngsten Kreuzbandverletzungen in diesem Winter: von Dreßen, Andreas Sander, Marina Wallner. Eine (unvollständige) Vorschau auf das, was ihnen ohne Luitz droht, bot am Samstag das Studium der Ergebnisliste: Außer Luitz schaffte es keiner der fünf weiteren deutschen Starter ins Finale der besten 30.

© SZ vom 13.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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