Federica Brignone:"Ich kann mit meinen Skiern tun, was ich will"

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"Ich merke, dass ich mit meinen Skiern tun kann, was ich will": Die formstarke Italierin Federica Brignone. (Foto: Christof Stache/AFP)
  • Die Skifahrerin Federica Brignone hat derzeit einen wahren Lauf.
  • Eine ideale Sommervorbereitung und die Arbeit im italienischen Team führen zu Brignones aktueller Leichtigkeit, mit der sie die Rennen fährt.
  • In der Gesamtwertung ist sie auf dem zweiten Platz hinter der Amerikanerin Mikaela Shiffrin.

Von Johannes Knuth, Garmisch-Partenkirchen

Wenn es mal läuft, wirkt das Schwere ganz leicht. Wenn es läuft in ihrem Skirennfahrerleben, hat die Deutsche Viktoria Rebensburg neulich erst erzählt, geschehe "alles wie aus einem Guss". Sie leite jeden Schwung im richtigen Moment ein; rausche mühelos über Wellen, Schläge und Eisplatten, die andere aus der Konzentration werfen oder ganz aus dem Kurs. Und wenn die anderen später im Ziel stehen und über schwere Arbeitsbedingungen klagen, denkt Rebensburg oft: "Ich weiß gar nicht, was die alle haben. War doch eigentlich gar nicht so schwer."

Als der alpine Weltcup vor Kurzem Station in Garmisch-Partenkirchen machte, fanden die Fahrerinnen eine Piste vor, die mal aufgeweicht war, mal eisig, mal griffig. Eine Herausforderung, dunkel und ruppig, fanden viele. Federica Brignone sagte: "Die Bedingungen sind wirklich toll. Und der Schnee ist immer so hart und ein bisschen eisig." Die Italienerin hatte in Garmisch 2011 schon WM-Silber im Riesenslalom gewonnen, sie möge das dort nun mal alles, sagte sie nun, den Schnee, die Piste: "Amazing", fand Brignone, unglaublich.

Es ist zuletzt ein wenig untergegangen bei dem Getöse um das Duell zwischen Mikaela Shiffrin und Petra Vlhova, dass auch Federica Brignone den schweren Alpinsport in diesem Winter hinreißend leicht aussehen lässt. Die 29-Jährige aus La Salle im Aostatal gewann bereits vier Rennen und damit nur zwei weniger als Shiffrin. Sie steht nun bei insgesamt 14 Weltcupsiegen - nur Deborah Compagnoni (16) und Isolde Kostner (15) waren bei den Italienerinnen je besser.

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Eine Sprunggelenks-Operation raubte ihr fast eine Saison

Der Weltcup der Frauen trägt gerade ohnehin einen kräftigen grün-weiß-roten Anstrich, auch Marta Bassino, Elena Curtoni und Sofia Goggia waren zuletzt siegreich, wobei Goggia in Garmisch einen Armbruch erlitt. Brignone war dort erneut die Stärkste ihrer Squadra, sie wurde Zweite in der Abfahrt und Fünfte im Super-G. In der Gesamtwertung hat sie sogar fast die führende Shiffrin eingeholt, auch wenn das einen tragischen Hintergrund hat: Noch ist offen, wann die Amerikanerin nach dem Tod ihres Vaters in diesem Winter in den Weltcup zurückkehrt - am kommenden Wochenende schon in Kranjska Gora, oder noch später, wenn überhaupt?

Brignone ist früh in den Skisport hineingewachsen, aber ihr Aufstieg verlief nicht so rasant wie bei manch anderem Hochbegabten. Ihr Vater Daniele ist Skilehrer, Mutter Maria Rosa gewann einst vier Weltcup-Slaloms und verfolgt die Rennen der Tochter heute als Reporterin. Als Kind, hat Brignone einmal erzählt, habe sie sich nie vor Kälte, Wind oder Stürmen gefürchtet, am liebsten fuhr sie im Tiefschnee und mochte jede Art von alpinem Wettstreit - "auch von der dummen Sorte, zum Beispiel wer am weitesten springt".

Sie brauchte einige Winter, ehe sie ihr Können in konstante Erträge überführte; allein eine Sprunggelenks-Operation raubte ihr fast eine Saison. Im Sommer 2015 passte sie ihre Trainingsphilosophie an: Schwere Arbeit ist unerlässlich, hatte sie gelernt, aber nur, wenn man dem Körper ab und zu Ruhe gönnt. Im Oktober 2015 gewann sie ihren ersten Weltcup, den Riesenslalom in Sölden. Dass sie so lange darauf warten musste, sagte sie damals, liege daran, "dass ich es bislang einfach nicht verdient hatte".

Brignone war fortan fast immer unter den besten Zehn bei den Riesenslaloms zu finden, 2018 gewann sie in der Disziplin Olympia-Bronze, aber als Stammgast auf den Podien erlebt man sie erst seit dieser Saison. Während der vergangenen Sommervorbereitungen sei sie ständig verletzt gewesen, erzählte sie unlängst in Garmisch, in der Folge habe sie sich "nie richtig bereit gefühlt" für die Rennen. "Der letzte Sommer war dann wirklich perfekt", sagte Brignone, "ich habe hart trainiert und mir vor der Saison gesagt: Jetzt muss ich eigentlich nur noch Skifahren." Gianluca Rulfi, der Cheftrainer der italienischen Frauen, sagte zuletzt dem Race-Skimagazine, dass nicht nur Brignones aktuelles Hoch aus dieser störungsfreien Zeit herrühre, sondern das des gesamten Teams.

"Wir haben uns im Sommer auch als Team sehr gepusht", sagte Brignone in Garmisch, "wir studieren gegenseitig unsere Läufe, geben uns viele Tipps." Letztlich sei sie derzeit so entspannt wie noch nie: "Weil ich weiß, dass ich im Sommer die Arbeit getan habe. Und mit jedem Rennen wächst das Selbstbewusstsein - gar nicht so sehr wegen der Resultate, sondern weil ich merke, dass ich mit meinen Skiern tun kann, was ich will."

Das Ergebnis sind derzeit Fahrten wie aus einem Guss: Brignones Schwung ist etwas runder, aber sie scheint in jeder Kurve zu beschleunigen und rattert unbeeindruckt über alle Wellen und Schläge, fast wie der Amerikaner Ted Ligety zu seinen besten Zeiten. Und die Italienerin setzt dieses Kurvenkönnen mittlerweile in fast allen Disziplinen ein; man wisse ja nie, hatte sie vor der Saison gesagt, wozu das am Ende gut sei. Bislang gewann sie zwei Riesenslaloms, eine Kombination und einen Super-G; sie stand neunmal auf dem Podest, führt im Riesenslalom und in der Kombination die Disziplinenwertungen an.

In der Gesamtwertung ist ihr Rückstand auf Shiffrin mittlerweile auf 145 Zähler geschmolzen. Wobei Brignone sich da aus Pietätsgründen zurückhält. "Im Moment kann ich nur sagen, dass mir ihr Verlust des Vaters sehr leidtut", sagte sie in Garmisch, "sie hat jetzt größere Probleme als den Weltcup und mich." Gleichzeitig hatte Brignone im Super-G in Garmisch doch schwerer zu kämpfen als gedacht, das überraschte ein wenig.

Das Leichte muss man sich dann doch ständig aufs Neue schwer erarbeiten.

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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