Ski alpin:Erster beim Champagner-Öffnen, Dritter beim Skifahren

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Erster beim Champagnertrinken und Dritter beim Skifahren: Felix Neureuther (rechts) feiert einen erfolgreichen Sonntag. (Foto: REUTERS)

Felix Neureuther erlebt in Sölden einen unerwartet erfolgreichen Auftakt in den Winter. Er ist körperlich so fit wie lange nicht mehr.

Von Johannes Knuth, Sölden

Felix Neureuther strengte sich noch einmal nach Kräften an. Er führte, fiel zurück, er steckte jetzt in leichten Schwierigkeiten. Aber dann zerrte er den Sieg doch noch auf seine Seite. Zumindest in der inoffiziellen Wertung, wer die Champagnerflaschen als Erster entkorken würde bei der Zeremonie am Sonntag im Zielraum von Sölden.

Die Erfahrung seiner mittlerweile 41 Besuche auf den Podien des Weltcups, klar. Neureuther wartete dann allerdings noch, bis seine Nachbarn, die nicht minder podiumserprobten Alexis Pinturault (Erster) und Marcel Hirscher (Zweiter), ihre Korken ebenfalls gelockert hatten. Zu dritt eröffneten sie die Feierlichkeiten, den letzten Akt des ersten Weltcup-Wochenendes. "Das hätte ich wirklich nicht gedacht im Vorfeld", sagte Neureuther später über seinen Champagnerkonsum am Sonntagnachmittag. Die Zukunft sieht gut aus, mit diesem Gefühl war er nach Sölden gereist. Da half es, dass die Gegenwart es auch schon ganz gut mit ihm meinte.

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Der Riesenslalom von Sölden am Sonntag hätte durchaus ein schlechteres Ende nehmen können für die deutschen Techniker, die derzeit stärkste Abteilung im Deutschen Skiverband (DSV). Stefan Luitz (19.) und Fritz Dopfer (27.) wehte es im zweiten Durchgang zwar noch ein wenig (Luitz) beziehungsweise ganz schön weit (Dopfer) zurück. In Benedikt Staubitzer präsentierten sie dafür einen aus ihrer zweiten Reihe in der erweiterten Weltspitze; der 25-Jährige drängelte sich im zweiten Lauf vom 27. auf den zwölften Platz. Und dann war da natürlich Neureuther. Er mag diesen frühen Auftakt in Sölden nicht, er kriegt seinen Körper meist erst für die Rennen im Dezember richtig fit; der sechste Platz im Vorjahr war sein bislang bester Ertrag auf dem Rettenbachgletscher gewesen. Und dann: Platz drei am Sonntag, in der Nachbarschaft der beiden Edelfahrer des Tages, Sieger Alexis Pinturault aus Frankreich und Marcel Hirscher, Österreich.

Alpinchef Maier nennt Neureuther ein "brutales Rennpferd"

Sölden hatte die Skifahrer mit einer herbstlichen Kulisse empfangen. Die Bäume im Tal trugen gelbe Blätter, nur die Hügel waren in ein zartes Weiß gekleidet, als hätte sie jemand mit Puderzucker bestreut. Die Skirennfahrer kümmerte das freilich wenig, sie führten auf der Gletscherrampe ein Rennen auf, als würden sie bereits im tiefen Winter stecken, auf den Gipfeln ihrer Schaffenskraft. DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier war entsprechend zufrieden, dass sich gleich vier seiner Schüler in der Lerngruppe der besten 30 Fahrer des zweiten Durchgangs eingefunden hatten.

Vor allem Neureuther, das "brutale Rennpferd" (Maier), gestaltete das Finale bereits überraschend aktiv mit. Er beschloss den ersten Lauf als Sechster, im zweiten verhedderte er sich ein wenig in den Fallen, die im steilen Mittelstück lauerten. Aber dann! Dann verwandelte er im letzten Flachstück, dort, wo man das Rennen verlieren, aber kaum gewinnen kann, seinen Rückstand in einen knappen Vorsprung. Lediglich Hirscher und Pinturault überboten noch seine Bestzeit. "Ich habe halt so viel Kraft", sagte Neureuther, er lachte, "das kommt von meinem jahrelangen Abfahrtstraining."

In Sachen Sprüchen befindet sich Neureuther also schon wieder in Bestform, wie gewohnt. Neu ist, dass es auch dem Rücken schon jetzt so gut geht wie lange nicht mehr. Der 32-Jährige hat seinen Körper vor zwei Jahren heruntergefahren, ihn heilen lassen, ein neues Betriebssystem fürs Training und Rennen aufgespielt, mit neuen Übungen, ohne Schmerzmittel. Er will schon wieder in das Niveau von vor zwei, drei Jahren hineinfinden, als er fast die Gesamtwertung im Slalom gewann. Aber eben ohne die chronischen Probleme. Quasi als Neureuther 2.0.

Die eine oder andere Macke muss er noch aus dem System treiben, "ich habe schon noch sehr viel Nachholbedarf", sagte er zuletzt, "bei der Materialabstimmung, dass man die Belastungen richtig gewohnt ist". Andererseits: Er hat im Sommer eine fast vollständige Vorbereitung absolviert, ein Fundament gelegt, das wieder mehr Last tragen könnte als im vorigen Jahr. Damals hatte er eine Brückensaison ausgerufen, um sich jetzt noch mal auf die letzte Reise in seinem Skifahrerleben begeben zu können, bis zu den Olympischen Winterspielen 2018.

Sportdirektor Maier schob also reichlich Zufriedenheit vor sich her, als er am Sonntag zur Lage der deutschen Skifahrer Auskünfte erteilte. Allerdings mischten sich auch Spuren von Unzufriedenheit in seine Freude. Luitz und Dopfer hatten den ersten Durchgang gut hinter sich gebracht, Luitz sogar knapp vor Neureuther. Und Dopfer hatte sich viel engagierter in den Hang geworfen als in der Vorsaison, als ihm die Stärke im Riesenslalom entglitten war, seinem Kerngeschäft.

Der junge Staubitzer überrascht in Sölden

Im zweiten Durchgang traten dann aber bei beiden wieder Symptome aus der Vorsaison auf; Luitz setzte zwei Mal einen Schwung zu früh an, Dopfer fuhr gehemmt, man spürte, dass er die Verunsicherung der Vorsaison noch nicht ganz abgestreift hat. "Technisch schön, aber nicht locker genug", tadelte Maier. Er wärmte sich dann lieber am Ergebnis des jungen Staubitzer vom SC Mittenwald. Staubitzer könnte bald sogar die Durchfahrtsberechtigung zur WM nach St. Moritz erwerben; er reichte zumindest mal eine von zwei Pflichtpräsenzen unter den besten 15 eines Rennens ein, die der DSV für die WM fordert.

Die Zukunft sieht gut aus, nicht nur für Felix Neureuther.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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