Wintersport:"Er tat mir weh, aber ich brauchte das"

Lesezeit: 3 min

Einmal noch in der Heimat fahren, dann ist Schluss: Tina Maze. (Foto: dpa)

Die Slowenin Tina Maze tritt vom alpinen Skisport zurück. Zum Abschied spricht sie auch über die radikalen Methoden ihres Trainers und Freundes.

Von Matthias Schmid, Sölden

Nachdem Tina Maze Geschenke an ihre Trainer und Betreuer verteilt hatte, setzte sie sich wieder hin. Ein wenig erschöpft wirkte sie, sie stöhnte, schwitzte, es war stickig und laut in dem völlig überfüllten Konferenzraum. Also befahl Maze, die Fenster zu öffnen, es war nicht so recht klar, ob es Tränen oder doch Schweißtropfen waren, die ihr die Wangen hinabliefen. "Jetzt kommt der emotionale Teil", hatte sie zuvor immer wieder gesagt. Maze war immer eine eigenwillige Ski-Rennläuferin gewesen, eine der prägendsten der vergangenen Jahre. Eigenwillig war auch ihr Abschied am Donnerstagabend in einem Hotel im österreichischen Sölden, wo am Samstag das erste Weltcuprennen des Winters ansteht.

Die 33-jährige Slowenin kündigte an, dass sie nur noch ein Rennen fahren wolle, ein allerletztes, den Riesenslalom Anfang Januar in ihrem Heimatland. Er findet in Maribor statt. "Ich möchte meinen Freunden, meiner Familie einen letzten Auftritt schenken", las sie von einem Zettel ab. Allein in ihrem Zimmer habe sie an dieser Rede gefeilt, das Wort Rücktritt kam darin nicht vor. Sie kleidete ihren Rückzug nach 16 Jahren vom Weltcup-Zirkus lieber in andere Worte: "Ich fühle keine Notwendigkeit mehr, auf diesem Niveau anzutreten."

Maze hat den Skisport auf ein neues Niveau gehoben

Mit Maze tritt die letzte Allrounderin ab, sie fuhr alle Disziplinen, jedes Rennen. Holte jeden bedeutenden Titel, der im alpinen Skisport zu vergeben ist, sie war viermal Weltmeisterin, zweimal Olympiasiegerin. 2013 gewann sie mit 2414 Punkten den Gesamt-Weltcup - die höchste Zahl, die je ein weiblicher oder männlicher Skifahrer erreicht hat. Zum Vergleich: Der legendäre Hermann Maier kam in seinem besten Jahr auf 2000 Punkte. In ihrem erfolgreichsten Winter 2012/2013 siegte Maze sogar in allen fünf Disziplinen.

Christian Neureuther im Interview
:"Das größte Glück wäre, würden die Sportler rebellieren"

Der frühere Skirennfahrer Christian Neureuther kritisiert im SZ-Interview das IOC und Thomas Bach für die Wahl der Austragungsorte der Olympischen Spiele. Er sieht nur einen Ausweg.

Von Johannes Knuth und Gerald Kleffmann

Den Skisport hat sie auf ein neues Niveau gehoben, sie war eine Perfektionistin, eine Besessene, die sich nie ausruhte, immer trainieren wollte. Wenn ihre Konkurrenten nach der Saison ans Meer in den Urlaub flogen, blieb sie auf dem Berg und testete Skier für die neue Saison. Sie hat es sich nicht leicht gemacht - und den anderen noch viel weniger.

Maze und ihr Lebensgefährte Andrea Massi führten eine Beziehung, die Funken sprühte. Der Italiener, ein früherer Leichtathlet, war auch ihr Konditionstrainer und trieb sie körperlich ans Limit. "Er tat mir weh, aber ich brauchte das", sagte Maze in Sölden. Aber immer nur auf Peitschenhiebe hatte sie auch keine Lust. Wenn es ihr zu viel wurde und er auch nach einem schwächeren Rennen kein Wort des Trostes fand, verbat sie Massi, sie an den Berg zu begleiten oder quartierte ihn aus dem gemeinsamen Hotelzimmer aus.

Warum Maze mit den Jahren immer stärker und dominanter wurde, fragten sich viele ihrer Konkurrentinnen. Sie war nicht von Anfang an eine Überfliegerin, entwickelte sich nach ihrem ersten Weltcup-Sieg in Sölden 2002 langsam, aber stetig. Wie viele andere ist sie mit großem Skigefühl gesegnet. Aber was sie wohl abhob von ihren Kolleginnen war nicht nur der Ehrgeiz, sondern auch das Risiko, alles dem Erfolg unterzuordnen. Sie formierte als erste Fahrerin ein privates und kostspieliges Skiteam: eigene Trainer, Betreuer, Serviceleute, Ärzte und Physiotherapeuten.

Für ihren Hang zu Perfektion bezahlte sie einen Preis. Im Frühjahr 2015 kündigte sie ein Sabbatical an. "Nach 16 langen und erfolgreichen Saisons, in denen ich in allen Disziplinen aktiv war, spüre ich, dass mein Körper und mein Kopf eine längere Pause brauchen als üblich", sagte sie damals nach ihrem letzten Rennen im französischen Méribel.

Ski Langlauf
:Doping durch Sonnencreme

Die norwegische Ski-Langläuferin Therese Johaug behauptet, über eine Sonnencreme ein Steroid aufgenommen zu haben. Das Problem: Den Norwegern passieren solche Versehen öfter.

Von Joachim Mölter

Sie wollte sich nicht mehr schinden und ihren ganzen Alltag auf den Skisport abstimmen. Es sollte ein ganz normales Leben sein, ohne Plackerei. Sie beendete ihr Studium zur Grundschullehrerin, arbeitete für Eurosport und schrieb ein Kinderbuch.

Ihr letzter Auftritt in Maribor soll trotzdem kein Abschiedsrennen werden, in dem sie nur hinterherfährt. "Nein, nein", sagte sie vehement. "Ich will mich nicht schlecht von meinen Fans verabschieden, die mich all die Jahre so gepusht haben." Deshalb werde sie nun wieder beginnen zu trainieren, abseits und auf der Piste, für sich allein.

Um dann fit zu sein für den Höhepunkt des Winters, der Weltmeisterschaft in St. Moritz? "Ich bin ein Mensch, der im Augenblick lebt", entgegnete sie mit ruhiger Stimme. Sie wolle nun Schritt für Schritt machen. Also doch zur WM?, fragten einige hartnäckig nach. "Mein Plan ist es, schon in Maribor alles zu beenden", fuhr sie lächelnd fort. Das Wort Rücktritt nahm Tina Maze bis zum Schluss nicht in den Mund.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Karriere von Tina Maze
:Kate Moss aus Črna

Sie feiert mit Handständen, hat einen eigenen Ultra-Fanklub und gilt als launische Diva: Skifahrerin Tina Maze ist die erfolgreichste Wintersportlerin Sloweniens. Jetzt hat sie ihren Rücktritt angekündigt.

Ihre Karriere in Bildern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: