Christian Neureuther im Interview:"Das größte Glück wäre, würden die Sportler rebellieren"

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Der frühere Skirennfahrer Christian Neureuther kritisiert das IOC und dessen Chef Thomas Bach. (Foto: imago sportfotodienst)

Der frühere Skirennfahrer Christian Neureuther kritisiert im SZ-Interview das IOC und Thomas Bach für die Wahl der Austragungsorte der Olympischen Spiele. Er sieht nur einen Ausweg.

Von Johannes Knuth und Gerald Kleffmann

Mit eindringlichen Worten hat Christian Neureuther ein Umdenken im Internationalen Olympischen Komitee gefordert. "Wenn wir uns nicht endlich nach Kriterien wie dem Umweltschutz richten bei der Vergabe von Olympischen Spielen, dann ist der Sport ganz weit weg von der Realität", sagte der frühere Skiprofi im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Besonders die Austragungen der Winterspiele in Pyeongchang (2018) und Peking (2022) verurteilte der 67-Jährige scharf. "Diese Vergaben sind bitter, besonders für uns mit der vergebenen Chance 'München 2022'. Aber mir ist klar, wie sie zustande kamen. Das liegt am IOC und dessen antiker Struktur", sagte der Vater von Skirennfahrer Felix, der an diesem Sonntag beim Weltcupauftakt in Sölden im Riesenslalom startet (die Frauen fahren am Samstag, beide Rennen jeweils 10 und 13 Uhr).

Das IOC habe seine schwerste Glaubwürdigkeitskrise selbst verursacht. "Dort entscheiden Mehrheiten, denen die Werte des Sports relativ wurscht sind. Die völlig andere Interessen verfolgen", sagte Neureuther. "Die einen Apparat aufgebläht haben, in dem sie unantastbar Macht ausüben und von außen nicht mehr kontrolliert werden können. Dazu kommt das Thema Korruption. Letztlich sind wir an einem Punkt, an dem Fairplay, Anti-Doping und Werte, für die Olympia stehen soll, mit Füßen getreten werden."

"Gib jedem Land die Freiheit, Spiele nach seinen Möglichkeiten zu gestalten"

Für Neureuther gibt es nur einen Ausweg, um die Bevölkerung wieder für die Ausrichtung von Olympischen Spielen zu gewinnen: "Der Gigantismus und die nicht mehr überschaubare Flut von Sportstätten und Wettkämpfen bei Olympia muss ein Ende haben", sagte er. Konkret schlägt er vor: "Gib jedem Land die Freiheit, Spiele nach seinen Möglichkeiten zu gestalten - und nicht nach einem Bid Book, nach einer Ausschreibung, die Schuldenberge aufhäuft. Wir brauchen höchstens grünen Gigantismus." Um die Idee Olympischer Spiele, den gemeinsamen Wettkampf unter fairen und transparenten Bedingungen, zu retten, sieht Neureuther die Möglichkeit, ein ungewöhnliches Druckmittel einzusetzen. "Immer dann, wenn sich der Mensch zu weit weg von eigentlichen Werten bewegt hat, gibt es eine Implosion. Und die sehe ich näher rücken. Das größte Glück wäre, würden die Sportler mal rebellieren."

Im Speziellen wundert sich Neureuther über die Amtsführung des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach. "Dass der Posten eines IOC-Präsidenten nicht leicht ist, ist klar. Aber so, wie sich Bach zuletzt in Rio gegenüber den Athleten präsentiert hat, wie er das russische Dopingthema wegmoderiert und die russische Whistleblowerin Julia Stepanowa fallengelassen hat - darüber bin ich schwer enttäuscht. Was ist aus diesem ehemaligen Sportler geworden?"

Warum des Weiteren der alpine Skirennsport einen CEO benötigt, welche Disziplinen er im Rennkalender streichen würde und wie Abfahrten sicherer gestaltet werden könnten, erläutert Christian Neureuther ebenfalls im Gespräch mit der SZ.

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SZ PlusChristian Neureuther im Interview
:"Der Gigantismus muss ein Ende haben"

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