Senegal - Kolumbien:Zwei gelbe Karten zu viel

Lesezeit: 3 min

(Foto: Manan Vatsyayana/AFP)

Senegal scheitert nach dem 0:1 gegen Kolumbien und der schlechteren Fair-Play-Wertung gegenüber Japan in der Vorrunde. Kolumbien hingegen schafft noch den Gruppensieg. Das Gelb der kolumbianischen Trikots prägt zudem die Ränge in Samara.

Von Johannes Aumüller, Samara

Moussa Konaté warf sich sofort auf den Boden, zwei andere folgten ihm, aber das Gros der senegalesischen Mannschaft wartete noch einen Moment. Die Spieler standen herum in kleinen Grüppchen, im Mittelkreis, bei der Ersatzbank, fragend, ratlos, den Blick auf die großen Videowände gerichtet oder zu einem der kolumbianischen Spieler, die nach diesem aufreibenden Kampfspiel zum Händeschütteln vorbeikamen. Die Trauer und die Tränen kamen bei vielen erst mit ein wenig Verzögerung. Irgendwie wirkte es so, als könnten die Senegalesen einfach nicht verstehen, dass es möglich ist, auf diese Art aus einer WM auszuscheiden. Und es ist ja auch in der Tat schwer zu verstehen. Senegal ist nach dem 0:1 gegen den Gruppensieger Kolumbien ausgeschieden, weil es in den drei Vorrundenspielen zwei gelbe Karten mehr gesehen hat als das punkt- und torgleiche Japan, das sein letztes Gruppenspiel gegen Polen mit 0:1 verlor. Und weil es deswegen in der sogenannten Fair-Play-Wertung hinter den Asiaten liegt. Zum ersten Mal in der WM-Geschichte scheitert eine Mannschaft in der Vorrunde aufgrund dieser Regelung. Senegals Trainer Aliou Cissé wollte nach dem Spiel aber nicht zu viel darüber lamentieren. "Das sind die Regeln des Spiels", sagte er. "Wir wären gerne auf eine andere Art eliminiert worden. Aber wir haben die Regeln gekannt und wir respektieren die Regeln." Mit Senegal verabschiedet sich das letzte der fünf afrikanischen Teams bereits nach der Vorrunde, erstmals seit 1982 findet die K.o.-Runde ohne Afrikaner statt. Es war ja in der Kosmos-Arena von Samara eine Art Gruppenendspiel zwischen Senegal und Kolumbien - und auch etwas für Mathematiker. Alle mussten davon ausgehen, dass nur eine der beiden Mannschaften weiterkommen kann, wobei die Ausgangslage der Senegalesen (vier Punkte) besser war als die der Kolumbianer (drei). Nur bei einer Niederlage von Japan gegen Polen wäre es rechnerisch möglich gewesen, dass sich in Samara beide Kontrahenten fürs Achtelfinale qualifizieren.

Wenn es alleine auf die Größe und Lautstärke der Unterstützungsgruppen angekommen wäre, wäre die Sache früh entschieden gewesen. Das Gelb der kolumbianischen Trikots prägte die Tribünen, und ihre Himno Nacional schmetterten Kolumbiens Fans so laut, dass bei einem Dezibel-Vergleich selbst die Russen Probleme hätten, mitzuhalten. Laut schrien sie, wenn ihr Torwart David Ospina einfach nur Flanken abfing, und noch lauter schrien sie, als sich Juan Quintero an einem tückischen Freistoß versuchte, den Senegals Torwart Khadim N'Diaye gerade so parierte. Doch nie in der ersten Hälfte waren sie so laut wie in der 18. Minute.

Senegals Sadio Mané ging in den Strafraum, Kolumbiens Davinson Sanchez grätschte heran, Mané fiel - und Schiedsrichter Milorad Mazic pfiff Elfmeter. Doch dann kam der Video-Assistent ins Spiel, Mazic trabte heraus zum Monitor, und dort sah er, wie Sanchez bei seiner Grätsche zunächst mit der Hacke den Ball berührt hatte, bevor Mané aufgrund dieser Aktion zu Boden ging. Und so entschied er, den Elfmeter zurückzunehmen, was auf den Rängen zu großem Jubel führte.

Doch die Kolumbianer taten sich insgesamt schwer. Chancen gab es kaum, und nach einer halben Stunde musste auch noch James Rodriguez vom FC Bayern vom Feld, offenkundig wegen Problemen an der früher schon einmal verletzten Wade. Trainer José Pekerman tat nach dem Spiel nur kund, er sei "tief besorgt", ob sein Offensiv-Regisseur im Achtelfinale auch mitwirken könne. "Wir hoffen, dass wir nach der Untersuchung positive Nachrichten bekommen." Rodriguez' Ausfall erschwerte das kolumbianische Spiel jedenfalls noch mehr. Je länger die erste Hälfte dauerte, umso seltener waren die kolumbianischen Fans auf der Tribüne zu vernehmen. Stattdessen gaben die Trommelgruppen aus Senegal den Grundsound vor, nicht so laut, aber dafür durchgehend. Nach dem Seitenwechsel tat sich auf dem Platz zunächst auch nicht viel, viel Kampf, ein paar Ballverluste, und irgendwann sah der Senegalese M'Baye Niang die gelbe Karte, was zu diesem Zeitpunkt noch nicht so stark interessierte. Aber eine Viertelstunde nach Beginn der zweiten Hälfte war die Begeisterung auf den Rängen riesig. Das lag daran, dass fast 1000 Kilometer Wolga-abwärts Japan gegen Polen nach einem Treffer von Jan Bednarek in Rückstand geraten war. Doch Kolumbien musste und wollte sichergehen, spielte nun stärker und kam nach einigen Chancen in der 75. Minute auch zur verdienten Führung: Der aufgerückte Verteidiger Yerry Mina köpfelte nach einem Eckball den Ball ins Tor. Damit war Kolumbien weiter - und Senegal draußen. Senegal war mit diesem Resultat zwar punkt- und torgleich mit den Japanern und das direkte Duell der beiden war Unentschieden ausgegangen, aber es hatte im Turnierablauf nun mal zwei gelbe Karten mehr gesehen. Die Afrikaner drückten immens, Niang schoss aus der Drehung, Mina produzierte fast ein Eigentor, Ismaila Sarr versuchte es mit einem Volleyschuss. Doch es fiel kein Tor mehr. In Wolgograd wiederum mussten die Japaner ein paar Minuten vor Schluss noch einen bangen Moment überstehen, als Polens Robert Lewandowski eine große Chance zum 2:0 hatte. Mit einem solchen Ergebnis wären die Samurai Blue ausgeschieden gewesen. In den letzten Minuten schoben sie sich nur noch die Bälle zu und dann waren sie fürs Achtelfinale qualifiziert - als einzige Mannschaft, die nicht aus Europa oder Mittel-/Südamerika kommt. "Natürlich war es am Ende ein komisches Gefühl, aber so ist halt Fußball", sagte ihr Defensivspieler Makoto Hasebe vom Bundesligisten Eintracht Frankfurt zum Weiterkommen aufgrund der Fair-Play-Wertung: "Wir haben das Achtelfinale geschafft und sind zufrieden.

© SZ vom 29.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: