Davie Selke beim 1. FC Köln:Eine Chance, um die Spötter zu belehren

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Viel Theatralik, nicht so viele Tore: Die Karriere von Davie Selke hielt den Erwartungen bislang nicht stand. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Davie Selke genießt in der Bundesliga den Ruf als nicht besonders torgefährlicher Stürmer, sein Wechsel von Hertha BSC stößt bei den Fans des 1. FC Köln auf wenig Begeisterung. Sein neuer Trainer Steffen Baumgart sieht das als Ansporn.

Von Philipp Selldorf, Köln

Wie es üblich ist bei einem namhaften Bundesliga-Stürmer, gibt es auch von Davie Selkes vorläufigem Lebenswerk mehrere Best-of-Videos auf Youtube. In seinem Fall entsprechen allerdings nicht alle Ausgaben den herkömmlichen Hitsammlungen. Das jüngste Best-of-Selke-Video ist bereits zwei Jahre alt, stammt von einem Werder-Bremen-Fan und dauert lediglich 15 Sekunden. Es zeigt keine Tricks und keine Tore, sondern sagt bloß Danke fürs Anschauen - der subtil höhnische Hinweis, dass trotz 202 Erstliga-Spielen für den SV Werder, RB Leipzig und Hertha BSC mangels Masse keine Best-of-Bilder vorliegen.

Der Wunsch, die herrschende Meinung zu widerlegen, ist nicht der dringendste, aber auch nicht der unwichtigste Grund für Steffen Baumgart, Selke zum 1. FC Köln zu holen. Das ließ sich aus jedem der Sätze hören, mit denen der Kölner Trainer am Montagnachmittag die bevorstehende Verpflichtung des 27 Jahre alten Angreifers kommentierte. Selke hat am Montag den Medizincheck absolviert und sein erstes Mittagessen im Geißbockheim eingenommen. Mit Hertha BSC hatte er sich zuvor auf die Auflösung des bis Saisonende laufenden Vertrages geeinigt.

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Schon seit Tagen wird in Köln über den Transfer diskutiert, und man kann nicht behaupten, dass die Meldungen, wonach Selke "im Anflug" sei, überall Jubel und Begeisterung ausgelöst hätten. Der Mann hat seinen Ruf in der Bundesliga, aber es ist nicht der Ruf, der seiner angestammten und bevorzugten Rückennummer 9 entspricht. 35 Treffer in, wie erwähnt, 202 Einsätzen sind für einen Mittelstürmer eine bescheidene Bilanz.

Der FC bekommt den kopfballstarken Stürmer, den er für sein flankenlastiges Angriffsspiel braucht

Für Baumgart ist die Skepsis des Publikums umso mehr Ansporn für eine gute Zusammenarbeit. Offensichtlich hat der Trainer von seinem Klub genau den Spieler bekommen, den er haben wollte. "Ich habe ihn schon lange auf dem Zettel", sagte er, "nicht, weil er Tore macht oder weil er keine Tore macht, sondern weil ich ihn mag und ihn lieber in der Mannschaft habe, als gegen ihn zu spielen." Die Konditionen sind günstig für den Klub: Der FC bekommt den kopfballstarken Stürmer, den er für sein flankenlastiges Angriffsspiel braucht, eine Ablöse fällt nicht an, und durch das Jahresgehalt von weniger als 1,5 Millionen Euro bekennt sich Selke zugunsten des neuen Arbeitgebers zum Verzicht. In Berlin verdiente er mehr als das Doppelte.

Selke dürfte aber auch die Vorteile sehen, die sich in Köln eröffnen: Der bis 2024 gültige Vertrag bietet die Chance, in der Bundesliga noch mal neu zu starten. Zudem befindet er sich nun in der Behandlung eines Trainers, der beim FC mehreren Spielern zu sportlichen Höchstleistungen verholfen hat, die diese selbst nicht für möglich gehalten hatten. Selke war einst eine der großen deutschen Nachwuchshoffnungen. Als er 2014 an der Seite von Julian Brandt und Joshua Kimmich U-19-Europameister wurde, zeichnete ihn die Uefa als besten Spieler des Turniers aus. Doch die Karriere hielt den Erwartungen nicht stand. Selke wurde ein Spieler, der durch seinen aktionistischen Eifer und sein theatralisches Auftreten immer mehr verhieß, als er einlöste.

Fußballern werde "gern nachgesagt, was sie nicht können", erklärte Baumgart am Dienstag. Selke sei "ein Spieler, der gern Fußball arbeitet, er hat Charakter und Mentalität und passt sehr gut zu uns". Zumindest der Trainer kann es kaum erwarten, die Spötter zu belehren.

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