Sebastian Vettel zum GP in China:"Mit Rennfahren hat das nicht viel zu tun"

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Sebastian Vettel beim Großen Preis von China in Shanghai. (Foto: dpa)

Titelverteidiger Sebastian Vettel hadert: Wegen der falschen Reifen-Strategie hat er in Shanghai das Nachsehen. Die Formel 1 präsentiert sich derzeit tatsächlich unberechenbar. Statt Runde um Runde ans Limit zu gehen, rollt ein jeder nur gerade so dahin - echte Überholmanöver gibt es kaum. Das soll sich bald ändern.

Von René Hofmann

Nach der Definition von Sebastian Vettel hat Fernando Alonso an diesem Sonntag kein Autorennen gewonnen. "Mit Rennfahren hat das nicht viel zu tun", grollte Vettel nach dem Großen Preis von China, dem dritten Rennen der Saison 2013, bei dem er lediglich Vierter geworden war - hinter Fernando Alonso (Ferrari), Kimi Räikkönen (Lotus) und Lewis Hamilton (Mercedes). Was Titelverteidiger Vettel so stört? "Wenn man nur wegen der Reifen bis zu fünf Sekunden pro Runde verliert, hat das nicht viel mit dem Können des Fahrers und des Autos zu tun."

Zwei unterschiedlich harte Trockenreifen bringt Einheitslieferant Pirelli zu jedem Rennen. Jeder Fahrer muss im Rennen jede Mischung mindestens einmal benutzen. Weil die Autos die Pneus unterschiedlich stark beanspruchen, ergeben sich viele taktische Varianten. In Shanghai war das gut zu sehen: Vettels Teamkollege Mark Webber entledigte sich der weichen Reifen bereits nach einer Runde.

Vettel sparte sich seinen Satz der Butter-Gummis für einen Schlussspurt mit fast leeren Tanks auf. Dieser hätte den 25-Jährigen auch fast noch an Hamilton vorbei auf Platz drei gebracht; am Ende verpasste Vettel den Sprung aufs Siegertreppchen um 0,2 Sekunden. Hätte er die Reifen eine Runde früher aufziehen lassen - Vettel hätte bei der Champagnerdusche wohl nicht nur zuschauen dürfen, zum ersten Mal in diesem Jahr.

"Im Nachhinein ist man immer schlauer", versuchte er, die Strategieschwäche kleinzureden. Auch Teamchef Christian Horner verwies darauf, dass seine Nummer eins früh im Rennen noch mehr Zeit verloren hatte. Da war Vettel nicht an Sauber-Fahrer Nico Hülkenberg vorbeigekommen. Eine Szene, die ihn bei der Analyse später wieder auf sein Lieblingsthema kommen ließ: "Wir hätten schneller gekonnt, man kommt aber nicht so nah ran", sagte Vettel, "die Vorderreifen leiden, je mehr man hinterherfährt."

Statt Runde um Runde ans Limit zu gehen, rollt ein jeder nur gerade so dahin, wie es die vorausberechnete Reifenstrategie vorgibt. Weil die Strategien unterschiedlich sind, wechselt die Reihenfolge immer wieder. Allein die Führung beim Grand Prix in Shanghai wechselte neun Mal. Echte Überholmanöver aber, bei denen die Fahrer tatsächlich miteinander rangeln, gibt es wenige. "Früher konnte man jede Runde attackieren. Jetzt fährt man ein bisschen im Dunkeln", sagt Vettel: "Mitten im Rennen lässt man viele Leute ziehen, weil man letztlich nur gegen sich selbst fährt und versucht, es so schnell wie möglich ins Ziel zu schaffen. Ich bin mir nicht sicher, ob das für die Zuschauer so toll ist." Er selbst klingt alles andere als begeistert.

Nach dem Rennen in Malaysia, bei dem die Frage nur lautete "Welcher Red-Bull-Fahrer darf gewinnen", türmten sich in China die Probleme. In der Qualifikation hatte Vettel Bremssorgen. Startplatz neun: Das schränkte die strategischen Möglichkeiten schon ein. Der Mercedes von Lewis Hamilton, der von der Pole Position aus starten durfte, war im Rennen nicht schnell genug. Kimi Räikkönen, der Zweite der Qualifikation, kollidierte in Umlauf 16 mit McLaren-Fahrer Sergio Perez; die restlichen 40 Runden absolvierte er mit einem Loch in der Fahrzeugspitze.

Wirklich rund lief der Tag nur für Alonso. Auf dem Weg zum ersten Sieg seit dem Großen Preis von Deutschland im vergangenen Sommer bekam der Spanier vom Ferrari-Kommandostand zu hören: "Du bist bei weitem der Schnellste. Hör auf zu pushen!" Worauf Alonso zurückgab: "Ich pushe doch gar nicht." Nach dem Ausfall in Malaysia, als er in der ersten Kurve übereifrig Vettel zu nahe gekommen war, meldete Alonso sich so eindrucksvoll zurück.

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In der WM-Wertung belegt er mit 43 Punkten nun Rang drei hinter Vettel (52 Punkte) und Räikkönen (49 Punkte) - den Siegern der ersten zwei Saisonrennen. "Ich bin jetzt zwei Rennen zu Ende gefahren. Eines habe ich gewonnen, beim anderen habe ich Platz zwei belegt. Das ist ein guter Start ins Jahr", sagte Alonso und kündigte selbstbewusst an: "Ich denke, in Bahrain können wir noch mehr sehen." Das Rennen dort findet bereits am kommenden Sonntag um 14 Uhr deutscher Zeit statt.

Drei Sieger bei den ersten drei Gelegenheiten: Die Abwechslung zu Beginn dieser Saison ist so groß, wie sie auch 2012 war. Und das nicht nur ganz vorne. Auch im Mittelfeld ist noch keine Hackordnung gefunden. Es gibt zahlreiche Überraschungen, auch, weil es zahlreiche unvorhergesehene Ereignisse gibt. Vettels Teamkollegen Mark Webber etwa ging in Shanghai in der Qualifikation das Benzin aus. Im Rennen schied der Australier aus, weil an seinem Red Bull ein Rad nicht festgezogen war. Wegen eines vermeidbaren Zusammentreffens mit Jean-Eric Vergne im Schwesterauto von Toro Rosso wird Webber in Bahrain in der Startaufstellung zudem um drei Plätze strafversetzt.

Vorjahressieger Nico Rosberg kam in Shanghai nicht ins Ziel, weil ein Stabilisator an der Hinterachse brach und sein Mercedes deshalb immer wieder neckisch ein Vorderrad hob. Adrian Sutil schied aus, weil sein Force India beim Boxenstopp Feuer fing, nachdem ihm Sauber-Fahrer Esteban Gutiérrez ins Heck gerauscht war, wofür auch er in Bahrain am Start als Strafe nach hinten gerückt wird: um fünf Plätze. Nico Hülkenberg im zweiten Sauber hatte gute Chancen auf viele Punkte. Der 25-Jährige führte das Rennen sogar acht Runden lang an. Schlechte Boxenstopps ließen ihn aber auf Rang zehn abstürzen.

Unberechenbar und abwechslungsreich: So präsentiert sich die Formel 1 derzeit. Das aber könnte bald vorbei sein. Zum übernächsten Rennen Mitte Mai in Barcelona soll es verlässlichere Reifen geben.

© SZ vom 15.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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