Schalke 04:Blau-weißes Dilemma wegen Terodde

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So werden ihn die Schalker Fans in Erinnerung behalten: Simon Terodde verhalf seinem Verein in der Saison 2021/22 zum Aufstieg. (Foto: Martin Meissner/AP)

Eigentlich bräuchte Schalke seine Tore, doch den Stammplatz hat Simon Terodde trotzdem verloren. Nun steht fest, dass er den Klub im Sommer verlassen wird - einen Platz in der Vereinshistorie hat der ewige Zweitligatorjäger aber jetzt schon.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Zwei Jahre Zugehörigkeit zum Verein genügten, um Raúl González Blanco, allgemein bekannt als Raúl, einen Platz im königsblauen Legenden-Olymp zu verschaffen. Seitdem sitzt er in der offiziellen, aber virtuellen Ehrenkabine des FC Schalke 04 neben altgedienten Helden wie Otto Tibulski, Jiri Nemec und Ebbe Sand, umnebelt vom Dunst von Rudi Assauers Davidoffs. Gut möglich, dass in nicht allzu ferner Zeit ein weiterer besonders verehrter Ausnahmestürmer für sein vergleichsweise kurzes Gastspiel in Gelsenkirchen gewürdigt wird: Simon Terodde, 35, ist zwar kein Weltstar wie Raúl es war, aber im Schalker Kosmos besitzt er allemal den Status einer unvergesslichen Größe.

Dass Teroddes Schalker Zeit im Sommer nach zwei Dienstjahren zu Ende geht, das haben der Verein und der Spieler am Mittwoch in einer konzertierten Aktion bekanntgemacht. Am Morgen gab der Klub eine öffentliche Erklärung ab, nach dem Training am Vormittag kommentierte der Betroffene sein selbstgewähltes Schicksal: Es gehe darum, "so ein Thema beiseite zu schieben" und Klarheit zu schaffen, damit Spekulationen nicht das Finale der Saison störten.

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"Das zu kommunizieren, war mir wichtig", stellte der Angreifer klar und gab sich damit auch als Medienprofi zu erkennen: "Heute ist das vielleicht ein großes Thema, morgen aber nicht mehr" - und dann könnten sich alle, und vor allem er selbst, noch ein bisschen besser auf die essenziellen Duelle mit der TSG Hoffenheim und Hertha BSC konzentrieren.

Dabei war es zuletzt recht ruhig gewesen um Terodde, der seinen Stammplatz an den im Winter gekommenen Schweizer Kollegen Michael Frey verloren hat und seitdem erst in der zweiten Halbzeit ins Spiel eingreift. Mal kommt er um die 70. Minute herum, mal ein paar Minuten früher, daran haben sich alle bereits gewöhnt, und im Publikum sowie auf den Kritikerbänken wurde die Arbeitsteilung auch nicht negativ hinterfragt.

Die Saison 2022/23 verlief für Terodde bisher frustrierend, so wie in dieser Szene bei der Niederlage in Frankfurt im Januar. (Foto: Jan Huebner/Imago)

Frey, 28, geht weitere Wege als Terodde, leistet ein größeres Pensum in der Vorwärtsverteidigung und ist als Anspielstation bei Gegenstößen präsenter und wirksamer. Dass ihm jener siebte Sinn fehlt, der Terodde als Strafraumstürmer berühmt gemacht hat, steht bei den primären Erfordernissen des Schalker Widerstandsfußballs zurück. Das Dilemma ist allerdings offensichtlich: Trainer Thomas Reis zieht den Angreifer Frey dem Torjäger Terodde vor, weil er einen Arbeiter dringender benötigt als einen Vollstrecker.

Zugleich wird es Schalke nicht mehr genügen, Niederlagen abzuwehren wie bei den sechs Unentschieden seit Rückrundenstart. Man muss jetzt Spiele gewinnen, um den Klassenverbleib zu schaffen, und dafür braucht man Tore. Terodde hat sich dafür am Mittwoch in Stellung gebracht.

Der Vertrag des in Bocholt geborenen Mittelstürmers läuft im Sommer aus, bisher hatte der Verein keine Tendenz offenbart, ihn unbedingt verlängern zu wollen. Deshalb hat der erfahrene Profi selbst gehandelt und das Thema beendet. Er hofft, durch seine Klarstellung die eigenen Trefferchancen wieder zu steigern, er habe sich ja doch "viele Gedanken gemacht mit engen Freunden und der Familie". Für die letzten Tage in Blau und Weiß wähnt er sich nun aufs Neue gewappnet: "Ich will mich hier mit dem Klassenerhalt verabschieden - hier im eigenen Stadion, das ist mein großer Wunsch", sagte er.

Wie nach den Aufstiegen mit Stuttgart und Köln waren ihm auch auf Schalke die Umstände des Abstiegskampfs im Weg

Vielleicht kommt sie also noch, die letzte Chance, um den Zweiflern zu zeigen, dass er auch in der ersten Liga zum Kanonier taugt und nicht bloß in den Stadien von St. Pauli bis Sandhausen. Unbefriedigende drei Treffer stehen derzeit auf seinem Konto, doch wie nach den Aufstiegen mit dem VfB Stuttgart und dem 1. FC Köln waren ihm auch auf Schalke die Umstände des Abstiegskampfs im Weg. In der vorigen Saison hatte Terodde mit 30 Toren Schalke nach oben geschossen, Gefühlsmomente für die Ewigkeit verbanden Spieler und Anhängerschaft: Nach dem späten Siegtor just in Sandhausen startete er einen Jubellauf, der ihn womöglich bis nach Patagonien geführt hätte, bevor die Mitspieler ihn gerade noch einfingen.

Die Karriere will Terodde fortsetzen, eher nicht im Ausland, womöglich aber wieder bei einem Klub in der zweiten Liga. Ein Wiedersehen mit Schalke 04 am selbigen Ort wollen, bei aller Zuneigung, beide Seiten unbedingt verhindern.

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