Schalkes Torwart Schwolow:"Das kannst du dir nicht ausdenken"

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Ist es wieder an der Zeit für eine dieser sporttypischen "Ausgerechnet"-Geschichten? Alexander Schwolow kehrt ins Schalker Tor zurück - ausgerechnet in der Partie gegen seinen ehemaligen Klub SC Freiburg. (Foto: Thilo Schmuelgen/Reuters)

Alexander Schwolow gehört Hertha BSC, steht wieder für Schalke im Tor und spielt gegen seinen Ex-Klub Freiburg. Am Saisonende könnte er mit zwei Vereinen absteigen - oder bei Schalkes hartem Restprogramm ein entscheidender Faktor werden.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Angeblich gibt es diese Geschichten, die es nur im Fußball gibt, jeder hat es schon tausendmal gehört: Wenn etwa der Stürmer ein Tor schießt gegen den Verein, für den einst sein Vater, Vetter, Schäferhund oder er selbst gespielt hat, dann ist es Vorschrift für den TV-Kommentator, dass er ausruft: ausgerechnet er. Gefolgt von: Solche Geschichten gibt es nur im Fußball.

Schalkes Torwart Alexander Schwolow muss es nun allerdings wirklich vorkommen, als ob sich ein höheres Wesen sein Sportlerleben ausgedacht hätte. In Frage kommt dafür eigentlich nur der Fußballgott, auch wenn dieser seit Rudi Assauers Ausspruch aus dem Jahr 2001 ("ich glaube nicht mehr an ihn") auf Schalke nicht mehr existiert. Schwolow, 30, hatte zuletzt bei den Gelsenkirchenern auf der Ersatzbank gesessen, nachdem im Februar Ralf Fährmann, 34, seinen Stammplatz übernommen hatte. Als sich am vorigen Freitagabend Fährmann im Spiel gegen Hertha BSC verletzte, kehrte Schwolow zurück - ausgerechnet gegen Hertha, das ihn für die laufende Saison an Schalke verliehen hat. Okay, so was kann passieren in einer Branche, in der Profis manchmal für zwei Jahreszeiten gemietet und vermietet werden wie ein Studentenzimmer in der WG. Doch dass Schwolow gleich als Nächstes, immer noch Fährmann ersetzend, mit Schalke 04 beim SC Freiburg spielt - jenem Klub, dem er zwölf Jahre von der U 17 bis ins gehobene Profialter höchst erfolgreich angehört hatte? "Das sind so Geschichten im Fußball, die kannst du dir nicht ausdenken", wie der Betroffene am Mittwoch nach dem Training mit amüsiertem Kopfschütteln feststellte.

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Zumal da mittelfristig noch eine makabre Pointe lauert, die Alexander Schwolow aber garantiert nicht amüsant fände: Denn wenn die Dinge nicht außerordentlich gut laufen in den verbleibenden sechs Saisonspielen, dann könnte er zum Saisonende mit zwei Vereinen auf einmal absteigen - mit Schalke, seinem aktuellen Arbeitgeber, und mit Hertha, wohin er vertragsgemäß im Sommer zurückkehren wird. Doch abgesehen davon, dass er Wert darauf legt, zurzeit ausschließlich Schalker und kein Herthaner zu sein, weist Schwolow die Möglichkeit der Deklassierung ohnehin zurück. "Das wird nicht passieren!", sagt er beinahe autoritär: "Ich persönlich bin noch nie abgestiegen, und das habe ich auch in dieser Saison nicht vor."

In der langen Zeit, in der er Freiburg verbunden war, gab es zwar durchaus einen Abstieg des Sportclubs - der geschah aber just in der Saison 2014/15, als Schwolow leihweise bei Arminia Bielefeld in der zweiten Liga aushalf und als Stammspieler zum Aufstieg beitrug. Danach machte er Karriere in dem Verein, der ihn ausgebildet hatte, bis er Mitte 2020 Geschmack an der Idee fand, größere Klubs mit größeren Ambitionen kennenzulernen (größere Gehaltsleistungen inbegriffen). Von Ajax Amsterdam und Benfica Lissabon war die Rede, bevorzugter Interessent war jedoch Schalke 04. Acht Millionen Euro Ablöse waren ausgemacht. Das Problem: Immer wenn die Freiburger fragten, ob man das Geschäft jetzt endlich abschließen könnte, sagten ihnen die Schalker, dass sie leider noch nicht das Geld beisammen hätten, bestimmt aber nächste Woche, und dass sie sich doch bitte noch etwas gedulden mögen ... Schließlich kam Berlins Manager Michael Preetz und bezahlte den Betrag. Schwolow wurde Herthaner.

Typisch für Schwolow, dass er keine schlechte Laune kultivierte

In Freiburg war er seinerzeit unumstritten, auch wenn der heutige Schlussmann Mark Flekken schob und drängte. In Berlin dagegen gab es bald Kritik an Schwolows Auftritten, im zweiten Jahr verlor er seinen Posten, deswegen ließ er sich zu dem Klub ausleihen, den er zunächst ohnehin präferiert hatte. Doch auch auf Schalke erlebte er keine richtige Erfolgsgeschichte. Stabiler wurden seine Leistungen erst im neuen Jahr, und genau dann entschied Chefcoach Thomas Reis, ihn durch Fährmann zu ersetzen. Dieser habe mit 51:49 Punkten das Rennen gemacht, sagte Reis, doch den Ausschlag gaben weniger die klassischen Fachkriterien eines Torhüters als die Haltungsnoten. Im Abstiegskampf war mitreißende Ausstrahlung gefragt, bei diesem Thema tritt der besonnene Schwolow deutlich diskreter auf als Fährmann.

Typisch für Schwolow, dass er kein öffentliches Wort der Enttäuschung äußerte und auch keine schlechte Laune kultivierte. Ebenso typisch für einen stolzen Fußballprofi, dass er auf die Frage, ob er es nicht schon bereut habe, Freiburg verlassen zu haben, nur ein einziges Wort zur Antwort gibt: Nein, lautet es. Nicht ein einziges Mal? "Nein und nochmals nein", sagt er. Gerade die vergangenen Wochen als Ersatzmann und der Zuspruch der Fans hätten ihm Schalke 04 nahegebracht.

Vielleicht steht ihm tatsächlich noch ein großes Finale auf Schalke bevor. Ralf Fährmann hat offenbar nicht nur eine Zerrung, sondern einen Faserriss davongetragen, es ist fraglich, ob er in dieser Saison noch mal übernehmen kann. Schwolow ist sich klar darüber, dass Schalke wegen des besonders schwierigen Restprogramms als Außenseiter in die letzte Runde des Abstiegskampfes einzieht, er freut sich aber trotzdem darauf. Es sei doch Jahr für Jahr das Gleiche, meint er: "Zum Ende der Saison geht immer ein Fenster auf, und dann geht auch gegen vermeintlich höhergestellte Teams etwas." Seine Belohnung zum Abschied könnte dann eine Geschichte sein, die der Fußball nur auf Schalke schreibt.

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