Schalke 04:Menschenkette gegen Tönnies

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Schalke-Fans bilden eine Menschenkette - aus Protest gegen Boss Clemens Tönnies. (Foto: AFP)

Die Fußballer von Schalke 04 beenden die Saison mit 16 Spielen ohne Sieg - die Fans zeigen deutlich, was sie von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies halten.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Kurz vor Ende der Partie wurde Schalke-Torwart Alexander Nübel dann doch ein bisschen ungeduldig: "Spiel doch weiter", rief er halblaut aus, als mal wieder ein Schalker Angreifer den Ball verloren, das Nachsetzen aber unterlassen hatte. Kurz darauf war Schluss: Schalke 04 hatte auch sein 16. Spiel in Serie nicht gewonnen. 4:0 gewann der SC Freiburg, also ein Team, bei dem es um nichts mehr ging als um die Verteidigung von Platz acht, der einen etwas höheren Anteil an den Fernsehgeldern verspricht.

Das Schalker Elend dieser Rückrunde setzte sich in Freiburg also nahtlos fort - und das nicht nur ergebnistechnisch. Zwar merkte man zumindest in der ersten Hälfte manchem Spielzug an, dass Akteure daran beteiligt waren, die ihren Job gelernt haben. Doch die Grandezza, mit der Can Bozdogan, Rabbi Matondo oder Ahmed Kutucu den Ball zirkulieren ließen, brachte nur in den seltensten Fällen Raumgewinn und wurde konterkariert durch die altbekannten Schlampigkeiten wie einem unbedrängt geschlagenen Pass von Keeper Nübel, den Juan Miranda nicht mehr vorm Überschreiten der Auslinie retten konnte.

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Zur Halbzeit stand es auch deshalb 2:0 für Freiburg, weil die Badener das Schalker Spiel spiegelverkehrt auf den Platz brachten. Wo Schalke ballverliebt agierte, trennten sich die optisch (und in vielen Fällen auch individuell) unterlegenen Freiburger schnell vom Ball, überbrückten flott das Mittelfeld und kamen gegen eine über 90 Minuten schwache Schalker Abwehr unproblematisch zu ihren Toren durch Luca Waldschmidt (20.) und Jonathan Schmid (38.).

"Schalke ist kein Schlachthof - gegen die Zerlegung unseres Vereins"

Zum gleichen Zeitpunkt waren die - nach Angaben der Veranstalter - rund 1500 Schalkefans, die sich am Vereinsgelände versammelt hatten, dem Vernehmen nach dennoch guter Laune. Zum einen, weil sie von ihrer Mannschaft sowieso nichts anderes mehr erwartet hatten als einen weiteren hilflosen Auftritt. Und zum anderen, weil das Anliegen, das sie zusammengeführt hatte, durch die Teilnehmerzahl den erhofften Nachdruck bekam. Unter dem Motto "Schalke ist kein Schlachthof - gegen die Zerlegung unseres Vereins", hatten Schalker Fans zur Bildung einer Menschenkette aufgerufen, die ihre Forderung nach einem Rücktritt von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies unterstreichen sollte.

Der, so die Organisatoren handele in seinem Unternehmen und auf Schalke gleichermaßen verantwortungslos und sei für die sportliche und finanzielle Malaise der Blau-Weißen ebenso verantwortlich wie für den Corona-Ausbruch mit über 1500 Infizierten in den Landkreisen Gütersloh und Warendorf.

"Wir werfen ihm vor, dass er die Corona-Pandemie auf die leichte Schulter genommen und in seinem Betrieb zu wenige Schutzmaßnahmen getroffen hat", so Katharina Strohmeyer, die den Protest zusammen mit ihrem Lebensgefährten Stefan Barta organsiert hat. Zudem grenze "das undurchsichtige System der Werkvertragsarbeiter, die bei diversen Subunternehmen tätig werden, an Sklaverei." In der Halbzeitpause, als ihr Team bereits 0:2 zurücklag, war Strohmeyer dann hörbar erleichtert: "Leute aus ganz Deutschland sind angereist. Hier sind sogar Fans, die 500 Kilometer mit dem Wohnmobil angereist sind."

Ob die Erwähnten aus dem grob geschätzt 512 Kilometer entfernten Freiburg nach Gelsenkirchen gereist waren, war von dort aus nicht zu ermitteln, im Schwarzwaldstadion jedenfalls tat sich auch nach der Pause nichts Überraschendes mehr, es sei denn, man findet es überraschend, dass Schalke noch hilfloser agierte als in den ersten 45 Minuten. Nach schönem Pass von Vincenzo Grifo auf Lucas Höler lief der frei auf Nübel zu und traf zum 3:0 (47.). Die Eins-zu-Eins-Situation war angesichts der tranigen Gegenwehr des Keepers eine Eins-zu-Null-Situation. Freiburg ließ flugs das 4:0 folgen - erneut traf Waldschmidt (57.).

Und da es auch danach sein Team war, das die Chancen hatte, ließ irgendwann auch bei SC-Trainer Christian Streich die Körperspannung ein wenig nach - noch nach dem 4:0 hatte er seine Mannschaft immer wieder lautstark zu noch mehr Konzentration aufgefordert. Sein Schalker Kollege David Wagner versuchte nach dem Spiel derweil verständlicherweise das Positive hervorzuheben. "Die junge Mannschaft, die wir heute auf dem Platz haben, hat sich gewehrt, aber im Moment fehlt Vertrauen und Qualität. Im zweiten Durchgang waren wir nicht mehr konkurrenzfähig." Auf die Gelsenkirchener Demo angesprochen, zeigte sich Wagner defensivstärker als es zuvor seine Elf gewesen war: "Es ist bekannt, dass wir gerade Schwierigkeiten haben. Ich bin für die sportlichen Schwierigkeiten verantwortlich."

© SZ vom 28.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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