Schalke 04:Typisch königsblaue Verzweiflung

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Eine der unglücklichsten Figuren in einer unglücklichen Schalker Saison: Jewgeni Konopljanka (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Nach dem 0:2 in Freiburg hadert der FC Schalke 04 mit einer missglückten Saison.
  • Freiburgs Trainer Christian Streich verteidigt seinen Kollegen Markus Weinzierl, der darf aber bleiben.
  • Manager Heidel kündigt Veränderungen an, muss aber erst mal ein seltsames Vertragskonstrukt um den Ukrainer Konopljanka moderieren.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Vor dem Spiel in Freiburg war man beim FC Schalke 04 nicht nur bester Hoffnung, sondern auch voller Überzeugung, dass die Saison noch ein wunderbares Ende nehmen würde. Der Trainer Markus Weinzierl strahlte bei der Einstimmung auf das Match Wettkampflust aus, er schien es kaum erwarten zu können, die verbleibenden drei Partien zu gewinnen.

Dass in Abwehr (Nastasic, Naldo), Mittelfeld (Meyer, Schöpf) und Angriff (Choupo-Moting) eine halbe Elf verletzungshalber fernbleiben musste, war ihm nicht der Rede wert: Erstens, weil aberwitziges Verletzungspech die Schalker so verlässlich begleitet wie die offenstehenden Zahlungsverpflichtungen in beunruhigender Höhe. Und zweitens, weil sich die Schalker, der Niederbayer Weinzierl inbegriffen, nach dem 4:1-Sieg in Leverkusen mindestens so stark fühlten wie römische Kampfhunde. Was in diesem Klub ebenso verhängnisvoll ist wie das Gegenteil (wenn sie sich klein fühlen wie Pekinesen).

In Freiburg hat Weinzierl seinen spannenden Job beim Traditionsklub dann mal wieder von der unangenehmen Seite kennengelernt, nach der 0:2-Niederlage wirkte der eben noch siegeshungrige Fußballlehrer so resigniert und kraftlos, als ob die manisch-depressive Schalker Fußballseele längst auch von ihm Besitz ergriffen habe. "Wir haben ein sehr schlechtes Spiel gemacht", fasste der Coach die atemraubende Nichtleistung seiner Elf zusammen.

Niemand aus dem eigenen Lager widersprach, weder der brave Torwart Ralf Fährmann noch der immerhin um alle Anstrengung bemühte Leon Goretzka - bloß der Freiburger Trainer Christian Streich brachte Einwände vor. Weinzierl mag es als Wohltat empfunden haben, dass sein Kollege die Argumente anführte, die er selbst nicht nennen konnte, weil sie ihm als Ausreden zur Last gelegt worden wären. "Wenn ich im letzten Monat den Fernseher eingeschaltet habe, dann hat immer Schalke 04 gespielt, unter der Woche und am Wochenende, und wenn du immer englische Wochen hast und auch noch viele Verletzte, dann ...", dies und mehr hat Streich gesagt, um einerseits Weinzierl zu unterstützen und andererseits die Begeisterung im eigenen Haus im Rahmen zu halten.

Der SC kann noch viel gewinnen auf den Schlussetappen. Denn während in Schalke seit Sonntag kein vernünftiger Mensch mehr auf das Erreichen der Europa League hofft, geht der erstaunliche Sportclub als Tabellenfünfter ins Liga-Finale.

Streich ist bekannt dafür, für Kollegen einzutreten, die von der Kündigung bedroht werden, diesmal ist Beistand aber nicht nötig. Weinzierl wird seine Arbeit in Gelsenkirchen auch in der nächsten Saison fortsetzen dürfen - vorausgesetzt, sein Team nimmt jetzt nicht mangels Perspektive den Dienst-nach-Vorschrift-Modus an, das Restprogramm ist tückisch. Am Samstag kommt der Hamburger SV, dem eine lustlose Schalker Elf vor zwei Jahren unter Roberto Di Matteos Regie schon einmal den Klassenerhalt geschenkt hat. Das war nicht nur rufschädigend für den Klub, sondern auch Di Matteos letzter Einsatz - trotz geglückter Europacup-Qualifikation.

"Viele, viele Dinge müssen anders werden", hat der Manager Christian Heidel im Hinblick auf die nächste Saison gesagt, den Appell dürfte er auch an sich selbst adressiert haben. Sechs der zehn Spieler, die er im Laufe seines ersten Schalke-Jahres geholt hat, gehörten in Freiburg der Elf an, die Anlass zu typisch königsblauer Verzweiflung gab. Ausnahmsweise zählte dazu auch Flügelstürmer Konopljanka, wenn auch bloß eine Stunde - dann schickte ihn Weinzierl in den Feierabend.

Der unverstandene Ukrainer hat sich nicht durchsetzen können auf Schalke, doch der FC Sevilla wird trotzdem nicht von dem seltsamen Vertrag zurücktreten, der Schalke verpflichtet, den angeblichen Leihspieler für ein Fixum von etwa zwölf Millionen Euro zu übernehmen. Vieles deutet darauf hin, als sollte er im Sommer gleich weiterverkauft werden. Heidel beteuert, erst nach dem letzten Spieltag Bilanz ziehen zu wollen. Dass es keine gute Saison war, steht aber bereits fest.

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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