SC Freiburg:Mehr als ein Fußballtrainer

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Christian Streich vom SC Freiburg beobachtet mit Sorge, wie sich nach dem Mord an der Studentin Maria L. in der Stadt die Stimmung verändert. Der Trainer scheut nicht davor zurück, sich politisch zu äußern.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Am Samstagabend wirkte Christian Streich wieder so entspannt wie lange nicht mehr. Gerade hatte sein SC Freiburg 1:0 gegen Darmstadt 98 gewonnen. Eher unverdient, wie man sagen muss. Doch widrige Begleitumstände sind letztlich jedem Trainer egal, wenn es das eigene Team ist, das von Fortunas Launen profitiert. Ein miserabler erster Durchgang und ein zweiter, in dem man den mutigen Südhessen zumindest ebenbürtig war, das war die Geschichte des Spiels aus Freiburger Sicht - mit dem entscheidenden Schlusspunkt eines Elfmeterpfiffs kurz vor Spielende, der wohl Wut und Wehklagen auf Freiburger Seite ausgelöst hätte, wäre er für Darmstadt gepfiffen worden. Er wurde aber - nach einer allenfalls minimalen Berührung in einem Zweikampf zwischen SC-Stürmer Nils Petersen und Darmstadts Artem Fedetskyy - für Freiburg verhängt. Und so konnte Petersen in der 86. Minute den Sieg für den Aufsteiger sichern.

Auch der Freiburger Trainer, dessen Team damit weiterhin beruhigend weit weg von der Abstiegszone liegt, gab im Nachgang unumwunden zu, dass der spielentscheidende Strafstoß "aus Darmstädter Sicht ärgerlich" war: "Heute haben wir mal ein Spiel gewonnen, in dem wir nicht die bessere Mannschaft waren." Gut, richtig und schön sei das auch deshalb, so Streich, weil es in dieser Saison "schon ein paar Mal" umgekehrt gewesen sei. Mit dieser Einschätzung und mit der Analyse des Darmstädter Kapitäns Aytac Sulu, der neue 98-Trainer Ramon Berndroth habe die starken Lilien "in die Spur zurückgebracht", war dann auch wirklich alles gesagt zu diesem Fußball-Nachmittag.

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Zu Dingen, die wichtiger sind als falsche Schiedsrichterentscheidungen und Glück und Pech auf dem Rasen, hatte sich Christian Streich schon zwei Tage zuvor ausführlich geäußert. Der 51-Jährige hat in Freiburg studiert und beim Freiburger FC, dem Deutschen Meister von 1907, Fußball in der zweiten Liga gespielt. Seit gut 20 Jahren arbeitet er nun beim Sportclub, zuerst als Jugend-, dann als Cheftrainer.

Streich kennt die Freiburger Kneipen, Cafés und Restaurants, in denen es in den vergangenen Wochen nur noch ein Thema zu geben schien, den Mord an Maria L. An der Stelle, an der die junge Frau zu Tode kam, ist Streich mehrere hundert Male vorbeigejoggt, viele Menschen, die ihm dort entgegenkommen, grüßt er seit Jahrzehnten. So jemandem kann es nicht egal sein, wenn er den Eindruck hat, dass die Stimmung in seiner Heimatstadt kippt.

"Maul aufmachen gegen Rassisten"

Doch das tut sie gerade, wie auch die Ultras des SC beklagen, die ein Transparent mit der Aufschrift "Maul aufmachen gegen Rassisten" präsentierten. Seit am Samstag vor einer Woche ein 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan unter dringendem Verdacht des Mordes und der Vergewaltigung festgenommen wurde, macht Streich eine "Generalverurteilung durch Menschen, die man hierzulande ja kennt", aus. Er sprach zudem die Partei an, die möglicherweise auch in Freiburg bald (noch) besser abschneidet als bei der zurückliegenden Landtagswahl: "Mir wurde mitgeteilt, dass ein Mensch aus der AfD den Vater der Maria, der dieses Furchtbare erleben musste, als 'pathologisch' bezeichnet hat, weil er vor dieser Tat Flüchtlinge unterstützt hat. Dass jemand in diesem Land jemanden, der so etwas erleben musste, noch verhöhnen darf - da sehen Sie, was los ist", hatte Streich gesagt.

Der Widerhall im Netz auf Streichs Worte war auch noch am Wochenende enorm. Viel Lob gab es. Und natürlich viel Kritik. Ein Trainer solle doch bitte bei seinen Leisten bleiben und sich nicht in die Politik einmischen, hieß es in vielen Foren.

Streich sieht das anders, das betonte er nach dem Darmstadt-Spiel nochmals. Warum sich seine Kollegen denn niemals bemüßigt sehen, auf Fragen zu antworten, die mit der politischen Lage im Land und in der Welt zu tun haben, wurde er gefragt: "Die private Entscheidung jedes Einzelnen" sei das, so Streich, "ich hätte die Frage auch so beantwortet, wenn man sie mir beim Einkaufen oder im Café gestellt worden wäre. Warum soll ich sie dann nicht beantworten, wenn sie von einem Journalisten kommt?"

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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