FC Liverpool:Salahs getrocknete Tränen

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Mit seinem Elfmeter in der 23. Sekunde schießt Mo Salah den FC Liverpool in Führung. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)
  • Mohamed Salah leitet mit seinem frühen Elfmeter-Treffer gegen Tottenham den Liverpooler Erfolg im Champions-League-Finale ein.
  • Im vergangenen Jahr war er im Finale der tragische Held - nach 31 Minuten musste er ausgewechselt werden.

Von Javier Cáceres, Madrid

Am Morgen, als die Mannschaft des FC Liverpool vor dem Champions-League-Finale in Madrid zum so genannten "Anschwitzen" aufbrach, fiel Mohamed Salah auf. Der Ägypter war der Einzige aus dem Tross, der ein Buch in der Hand trug. Aus der Ferne war nicht zu erkennen, um was für ein Werk es sich handelte. Aber die goldenen Verzierungen auf dem schwarzen Buchdeckel legten die Vermutung nahe, dass es ein Koran war. Es wäre auch durchaus nachvollziehbar, dass der gläubige Salah ein paar Suren las, um besonderen Schutz zu erbitten. Größeren Schutz als im vergangenen Jahr.

Damals, im Finale von Kiew, war er zum tragischen Held geworden, hatte nach 31 Minuten ausgewechselt werden müssen. Am Samstag, in Madrid, erkor ihn das Endspiel gegen Tottenham Hotspur sehr rasch zu einem der Finalhelden: Er traf schon in der zweiten Minute per Elfmeter zur Führung - und brachte Jürgen Klopps Liverpool auf eine Siegerstraße, die es nicht mehr verlassen sollte. Der Belgier Divock Origi, der in der vergangenen Saison noch mit dem VfL Wolfsburg als Leihspieler gegen die Relegation angekämpft hatte, traf kurz vor Schluss zum 2:0-Endstand.

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Salah ist erst der fünfte Afrikaner, der in einem Champions-League-Finale trifft, nach dem Algerier Rabah Madjer, der 1987 für den FC Porto gegen den FC Bayern erfolgreich war, Samuel Eto'o (2006 und 2009 für den FC Barcelona), Didier Drogba (2012 gegen den FC Bayern in München) und Sadio Mané, der im vergangenen Jahr bei der 1:3-Niederlage gegen Real Madrid das einzige Tor für Liverpool erzielte. Zu einem Zeitpunkt, da Salah gar nicht mehr auf dem Platz war - und dessen Tränen noch nicht getrocknet waren.

Salah war in einem Zweikampf von Real Madrids Innenverteidiger Sergio Ramos zu Boden gerissen worden und hatte sich eine Schulterverletzung zugezogen. "Das war der schlimmste Moment meiner Karriere", sollte Salah später sagen. Nun hat er eine späte Genugtuung erfahren.

Bei seinem Elfmetertor hat er Glück

Salah wird, wenn er in zwei Wochen 27 Jahre alt wird, bereits auf eine bewegte Karriere zurückblicken können. Er wurde in Basyoun geboren, schaffte über den FC Basel (2012-2014) den Sprung in die Premier League, wo er aber unter dem portugiesischen Trainer José Mourinho beim FC Chelsea nicht zur Geltung kam. Er wurde nach Italien verliehen - und schlug bei der Fiorentina so gut ein, dass er nach nur einem guten halben Jahr zur AS Roma weiterverliehen wurde. Auch dort wurde er sofort zum Stammspieler und weckte das Interesse des FC Liverpool und von Jürgen Klopp.

2017 wechselte er für angeblich 42 Millionen Euro zu den Reds. In 74 Ligaspielen für Liverpool kam er auf 54 Tore. Das hat seine Strahlkraft weit über Anfield hinaus projiziert: Mitte April flog er in die USA, um an einer Gala des Time Magazine teilzunehmen. Er war von der Zeitschrift in den Kreis der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt aufgenommen worden. In Zeiten wie diesen sei es "wichtig, Leute wie Mo zu haben", sagte Liverpools Trainer Jürgen Klopp, als er erklärte, warum er Salah trainingsfrei gegeben hatte, um nach New York zu reisen.

Mit seinem Elfmetertor dürfte seine Popularität nicht gerade abgenommen haben. Obwohl er gegen Tottenham weder das beste Spiel bot noch bei der Vollstreckung des schnellsten Strafstoßes der Champions-League-Geschichte (24 Sekunden) Fortune hatte. Er schoss den Ball mit Wucht in die Mitte - und konnte doch von Glück sprechen, dass Tottenhams französischer Torwart Hugo Lloris die Arme nicht hochbekam.

Als das Finale, für das Salah den Ramadan unterbrochen hatte, vorüber war, hätte man erwarten können, dass er niederkniet. Doch es gab nur einen flüchtigen Blick gen Himmel, die Umarmungen mit den Kameraden, Trost für die Verlierer von Tottenham. Und womöglich das Gefühl, ein Jahr nach dem Drama von Kiew doch so etwas wie Gerechtigkeit erfahren zu haben.

© SZ vom 02.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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