Sabine Lisicki bei den Australian Open:Von der heißen Faust getroffen

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Von der Australischen Hitze erschlagen: Sabine Lisicki. (Foto: AFP)

Sabine Lisicki hadert nach ihrer frühen Niederlage mit der Hitze in Melbourne, über die sich fast nur deutsche Spieler beklagen. Ernüchternder als das Aus in der zweiten Runde ist allerdings der kopflose Auftritt der Wimbledon-Finalistin.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Sie stand in einem der Gänge, die den Besuchern verborgen bleiben, weil nur arbeitende Personen in diese Bereiche vordringen dürfen. Man muss dazu einen Ausweis tragen, auf dem "Player" steht oder "Staff". Dieser Hinweis baumelt dann um den Hals, und schon stehen einem die Türen offen. Sabine Lisicki, die lustlos in ihr Handy tippte, wird im Melbourne Park 2014 freilich keine Gänge mehr aufsuchen oder aus ihnen treten. Sie kann ihren Ausweis abgeben - falls sie ihn nicht längst weggepfeffert hat.

Die deutsche Wimbledon-Finalistin, die "Sabeeeeen", wie sie in den heiteren Tagen von London besonders vom britischen Boulevard umschmeichelnd genannt wurde, ist ausgeschieden. In Runde zwei der Australian Open, dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres, das fast so wichtig ist wie das Ereignis in England, nur ohne historisch aufgeladenes Gedöns, Gras und Regen. 6:2, 2:6, 2:6. Zwei Stunden dauerte das Spiel gegen die Rumänin Monica Niculescu. 60 Minuten davon waren furchtbar für Lisicki.

"Ich kann nur sagen, was jeder sieht: Spieler und Ballkinder übergeben sich und kollabieren", sagte die 23-Jährige, die sonst so gerne lächelt, ernst und präzisierte: "Es gibt einen Punkt, an dem es zu heiß ist, Sport zu treiben." Ihr Schicksal wollte es, dass sie genau einen dieser Punkte erwischte. Natürlich herrschten wieder extreme Temperaturen im Melbourne Park, ein Hoch macht der Metropole seit Dienstag zu schaffen. Es wird noch ein paar Tage so weitergehen.

Hitze bei den Australian Open
:"Ich dachte, ich sterbe da draußen"

43 Grad und es wird immer heißer. Bei den Australian Open leiden die Tennisprofis unter der Hitze, einige kritisieren die Veranstalter heftig. Auch Trainer Boris Becker behält im Glutofen von Melbourne keinen kühlen Kopf.

Allerdings wirkte der Mittwoch heftiger, auch wenn es weniger lang 40 Grad und mehr anzeigte. Es war schwüler, die Luftfeuchtigkeit etwas höher. Auch wurde es schneller heiß. Dafür stürzte die Temperatur fast ab. Acht Uhr: 32 Grad. 14 Uhr: 41,5 Grad. 19 Uhr: 28,7! Das Thermometer spielte Achterbahn. Und Lisicki hatte ein Ticket für die erste Reihe im Zug.

Zufällig bestritt sie ihr Match exakt in dem forderndsten Zeitfenster - zwischen elf und 13 Uhr. Die Margaret Court Arena, neben dem Hauptstadion gelegen, kokelte. Schon im Sitzen perlte der Schweiß.

Als Lisicki die Hitze nach eigenem Empfinden "getroffen" hatte wie ein Faustschlag, wusste sie nicht mehr mit den enervierenden Vorhand-Slice-Bällen ihrer Gegnerin umzugehen, die als 64. im Ranking deutlich hinter Lisicki (15.) liegt. Bis zum 2:1 im zweiten Satz habe sie noch so agiert, "wie ich es sollte".

Martina Hingis, die frühere Weltranglisten-Erste, die sie für dieses Turnier als Trainerin angeheuert hatte, schien sie gut eingestellt zu haben. Variabler soll ihr Spielstil werden. Schon voller Risiko, was die Fans schätzen, aber wenn es nicht läuft, dann gerne mal mit Köpfchen. So hat man die beiden verstanden. Als Lisickis Körper versagte, spielte sie kopflos wie selten. Viele Bälle stocherte sie in die Mitte des Netzes. 57 unerzwungene Fehler bei ihr, 17 bei Niculescu, die bis zum Ende nervenstark sägte, losgelöst vom modernen Tennis. "So etwas sieht man ja auch selten", wunderte sich nicht nur Lisicki.

Spielerisch war die Pleite schnell erklärt. Aber es ging ihr gar nicht mehr darum, das zu tun. "Die Schiedsrichter übernehmen die Entscheidung, ob bei dieser Hitze gespielt werden kann", sagte sie und warf die Schuldfrage auf, nicht als einzige. Auch Davis-Cup-Spieler Florian Mayer aus Bayreuth, der mit eisernen Willen den Russen Michail Juschni 6:4, 3:6, 6:3, 3:6, 6:3 niederrang und als erster Deutscher die dritte Runde erreichte (Michael Berrer hat an diesem Donnerstag noch die Chance, es ihm gleichzutun), meinte: "Ich denke, es ist zu gefährlich zum Spielen."

Weil die Spieler-Beschwerden bis zur Turnierleitung drangen, sah sich diese genötigt, am Nachmittag ein Statement zu verschicken. "Heiß und unangenehm" seien die Bedingungen, räumte Schiedsrichter Wayne McKewen ein, indes sei "nie ein Punkt erreicht" worden, an dem es notwendig gewesen wäre, die "Extreme Heat Policy" anzuwenden. Dieser frühere Notfallplan wurde eigens reaktiviert - die Matches abzubrechen wäre möglich gewesen. "Es gab nur wenige Rufe nach Hilfe von den Plätzen wegen der Hitze", ergänzte Turnierarzt Tim Wood, seit Tagen eine kleine Berühmtheit, weil er ständig gebeten wird, die Dinge zu erklären und zu deuten.

Lisicki wird das alles kaum trösten. Sie wollte mit der Erfahrung von Hingis ("Ich würde gerne mit ihr weitermachen") und in Anwesenheit ihres Freundes Oliver Pocher endlich wieder an die Form aus dem europäischen Sommer anknüpfen. Nun stehen andere Deutsche in der dritten Runde. Angelique Kerber besiegte die Russin Alla Kudrjawzsewa 6:4, 6:2, Mona Barthel setzte sich gegen Luksika Kumkhum aus Thailand 4:6, 6:3, 6:4 durch. Ausgeschieden sind dagegen Annika Beck (1:6, 2:6 gegen die Serbin Ana Ivanovic) und Julia Görges, die beim 5:7, 6:2, 4:6 gegen die Amerikanerin Lauren Davis auch wieder in ihren alten, fehlhaften Trott verfiel.

Als Sabine Lisicki noch gefragt wurde, ob sie im Doppel antrete, verneinte sie. Für einen Moment sah sie froh aus.

© SZ vom 16.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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