Doping in Russland:Leugnen ist der zweite Skandal

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Es gibt weiterhin berechtigte Zweifel an einem funktionierenden Anti-Doping-Kontroll-System in Russland (Foto: AP)

Die Welt-Anti-Doping-Agentur zieht in Erwägung, den russischen Staatsdopingskandal für beendet zu erklären. Damit käme Russland viel zu einfach aus der Angelegenheit heraus.

Kommentar von Johannes Aumüller

Auf den Seychellen treffen sich in zwei Wochen die Vertreter der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada. Neben anderen Tagesordnungspunkten geht es auch mal wieder um die Glaubwürdigkeit des Weltsports, die ja ohnehin nur noch in Spurenelementen vorhanden ist. Die Wada will sich mit der Frage befassen, ob sie die russische Anti-Doping-Agentur Rusada wieder anerkennt - ob sie also den letzten Schritt unternehmen soll, um den Skandal um das jahrelang existierende Staatsdopingsystem in Russland quasi amtlich für beendet zu erklären. Eigentlich kann es da nur eine Antwort geben: Nein, die Wada darf die Rusada noch nicht wieder anerkennen.

Zur Erinnerung: Im November 2015 erklärte die Wada die Rusada aufgrund des umfangreichen Dopingbetruges für "non compliant", also nicht regelkonform. Damit gab sich die Wada von Beginn an schärfer als das Internationale Olympische Komitee (IOC), das stets eine tendenziell Russland-freundliche Linie verfolgte. Bei den Winterspielen in Pyeongchang mussten die russischen Athleten zwar ohne nationale Flagge und nationale Hymne auskommen, aber sie durften trotzdem in großer Zahl mitmachen, als "Olympische Athleten aus Russland". Und schon bald nach der Schlussfeier begrüßte das IOC das nationale Olympia-Komitee Russlands zurück in der Familie - ohne dass Russland die Existenz eines Staatsdopingsystems überhaupt einräumen musste.

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Die Wada hingegen formulierte zwei klare Kriterien als Bedingung für eine Wiederaufnahme der Rusada. Das eine ist, den sogenannten McLaren-Report anzuerkennen, also die Erkenntnisse des Sonderermittlers Richard McLaren. Der hatte ein staatlich orchestriertes Doping- und Manipulationssystem nachgewiesen, unter Steuerung des Sportministeriums und mit Beteiligung des Geheimdienstes FSB. Das zweite Kriterium: Der Wada vollen Zugang zum Moskauer Labor zu gewähren, zu allen dort gelagerten Proben und zur Datenbank, in der alle Laborvorgänge verzeichnet sind.

Plötzlich soll es ausreichend sein, den Schmid-Report anzuerkennen statt den McLaren-Report

Diese Bedingungen sind noch immer nicht erfüllt, Russlands Vertreter weigern sich weiterhin, das zu tun. Deswegen dürfte es auch keine Diskussion darum geben, dass die Rusada ihren Status noch nicht zurückbekommen kann. Aber der Druck aus diversen Verbänden des Weltsports, in denen Russland traditionell viel Einfluss besitzt, ist groß. Und so werden schon seit geraumer Zeit Möglichkeiten sondiert, wie die Kriterien für die Rückkehr der Rusada aufgeweicht werden können. Da gibt es etwa die Idee, Russland müsse nicht mehr den McLaren-Report akzeptieren, sondern es reiche, den sogenannten Schmid-Report anzuerkennen. Das ist ein Dokument, das der frühere Schweizer Bundesrat Samuel Schmid kurz vor Pyeongchang fürs IOC anfertigte, und es ist deutlich zurückhaltender als der McLaren-Report.

Mit diesem Dreh käme Russland viel zu einfach aus der Angelegenheit heraus. Es kann nicht ausreichend sein, wenn Russland nur allgemein Manipulationen am Anti-Doping-System zugibt, ohne klar zu benennen, wer die Verantwortung und die Steuerung hatte: nämlich der Staat. Durch Stellen wie das Sportministerium und den Geheimdienst (und es wäre gewiss naiv, anzunehmen, dass sich so ein Betrug durchziehen lässt, ohne dass auch sonst jemand in der Regierung etwas davon mitbekommt). Ein solches System jahrelang betrieben zu haben, ist der eine Skandal. Es aber bis heute trotz klarer Faktenlage zu leugnen, ist der zweite. Darauf muss die Wada weiter schärfere Antworten haben als das IOC.

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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