French Open:Federer spielt wieder im Sand

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Erreicht die zweite Runde: Roger Federer in Paris (Foto: REUTERS)
  • Erstmals seit 2015 ist Roger Federer wieder bei den French Open dabei - und trifft nun auf den Deutschen Oscar Otte.
  • "Ich spürte, dass das Publikum mich vermisste. Und ich vermisste es auch", sagt Federer.
  • Es könnte Federers letzter Besuch als Profi bei den French Open sein.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Die Tür ging auf und fiel zu, und wieder auf und zu, wie in einem Oktoberfestzelt drängten die Passanten herein. Enger und enger wurde es, während es klickte. Die Fotografen. Ein paar Plätze waren noch frei, das Gedränge setzte sich fort, aber vorne saß Kei Nishikori, als bekomme er nichts mit. Höflich antwortete er den japanischen Reportern, und so war es ein skurriles Bild: Wie derart viele Medienvertreter bei Nishikori in der Pressekonferenz saßen und nichts verstanden - und auch gar nichts verstehen wollten. Es galt nur, früh dran zu sein, um dabei zu sein, wenn der nächste Spieler gleich kommt: seine Eminenz Roger Federer, der Erste.

Nun beruht die Art, wie prominente Personen und die Öffentlichkeit zueinander stehen, stets auf einer Wechselwirkung. Dass Federer eine außergewöhnliche Stellung in seinem Sport einnimmt, liegt nicht nur an seinen bislang 20 Grand-Slam-Erfolgen, seiner ästhetischen Rückhand und seinem lässig-intelligenten Wesen. Offensichtlich braucht die Menschheit auch Helden, um zu jemandem aufschauen zu können, und Federer nimmt diese Rolle im Tennis eben ein. Einerseits weiß er das, und es ist immer wieder bemerkenswert, wie höflich er der globalen Vereinnahmung begegnet. Andererseits: Manchmal ist er auch selbst erstaunt über Abläufe. Wie in diesen Tagen von Paris.

Roland Garros hat jetzt seinen Federer zurück

"Du fühlst, dass sich diese Woche von anderen im Tennis unterscheidet", gab Federer in der Interview-Runde zu, "keine Ahnung. Ich spürte, dass das Publikum mich vermisste. Und ich vermisste es auch." Roland Garros hat ja jetzt seinen Federer zurück und nimmt ihn, das ist der erste Eindruck, wie einen heimgekehrten französischen Sohn auf, der bei den letzten Familienfeiern leider nicht dabei sein konnte.

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Turnierdirektor Guy Forget, der frühere Profi, saß kürzlich in einer Talkrunde im Fernsehen, das Thema: "In love with Federer." Und nein, niemand verübelt ihm, dass er so lange nicht da war und 2018 aus sportlichem Eigeninteresse einfach auf das Turnier pfiff. Wenn man berücksichtigt, wie schnell die Franzosen sonst jemandem etwas übel nehmen, drückt das allein schon den Sonderstatus aus, den sie in Paris dem Schweizer zubilligen.

Stand jetzt ist die Erwartungshaltung dennoch so, dass Federer nicht unbedingt seinen zweiten Coupe des Mousquetaires nach 2009 gewinnen muss. Es reicht, dass er diesmal mit Schlägern angereist ist; je länger er bleibt, desto schöner natürlich. "Ich bin sehr, sehr, glücklich", sagte auch Federer zu seiner Entscheidung, die Sandplatzsaison dieses Jahr zu bestreiten.

2015 hatte Federer auf dem Court Suzanne Lenglen im Viertelfinale gegen Stan Wawrinka verloren. Was keiner ahnte, nicht mal er: Es war bis zum vergangenen Sonntag sein letztes Match bei den French Open. Es sei "einfach so passiert", erklärte Federer den Umstand, dass er Jahr für Jahr passte. 2016 war er am Rücken verletzt, 2017 am Knie, und 2018 wollte er sich dann all das, was Tennis auf Sand, der Terre Battue, mit sich bringt - die längeren Ballwechsel, die höhere Belastung, das taktisch anspruchsvollere Spiel - nicht antun, er wollte lieber gleich auf die Rasenplätze.

Gelegentlich wird einiges bei Größen wie Federer überhöht, als folge er stets göttlichen Eingebungen oder wenigstens perfekt komponierten Plänen. Die Wahrheit ist manchmal banaler. "Ich will auch Spaß haben", sagte Federer bei seinem ersten Sandplatzmatch in Madrid vor drei Wochen. In Paris schilderte er wiederum, wie sehr er das Spielen an sich liebt und alle Turniere, die großen, die kleinen, Showmatches. Er genieße das alles, denn: "Ich werde nicht jünger."

Geleitschutz wie ein Popstar

Vielleicht ist auch deshalb die Begeisterung vieler Zuschauer so heftig. Es könnte das letzte Mal sein, dass Federer den Bois de Boulogne als Profi aufsucht. Als er am Samstag im vollen Stadion Suzanne Lenglen trainierte und gejubelt und sein Name gesungen wurde, spürte Federer, "dass die Atmosphäre anders war". Er empfand sie gar "ein wenig wie vor einem Finale". Auf dem Rückweg zum Court Philippe Chatrier bekam er, nach einer anderen Trainingseinheit, Geleitschutz von vier Bodyguards. Wie ein Popstar.

Nach 20 Jahren auf der ATP-Tour - 1999 bestritt er sein erstes Match in Paris, damals verlor er gegen den Australier Patrick Rafter - und nach 20 Grand-Slam-Triumphen macht Roger Federer also immer noch neue Erfahrungen. Und genau das halte ihn auch im Betrieb, gab er zu verstehen. Auch seine in Paris weniger dominante Rolle, die er hinsichtlich geringerer Siegchancen einnimmt, da ja allen voran Rafael Nadal auf seinem Lieblingsbelag schier unbezwingbar erscheint, genießt Federer regelrecht. "Es ist nett, der Außenseiter zu sein", sagte er, "es entspannt dich bei den größeren Punkten und unbewusst, wenn du über das Gelände wanderst und trainierst und in den Presseraum gehst."

Dass auch einer wie er Druck verspürt, weil er ja keine Eminenz, sondern ein Mensch ist, sprach er von sich aus an. "Ja, da war von Anfang an Druck", sagte er zu seinem Sandplatz-Comeback, "die Aufmerksamkeit wegen meiner Rückkehr war hoch." Umso zufriedener war er mit seinem 6:2, 6:4, 6:4-Erstrundensieg gegen den aufstrebenden Lorenzo Sonego. Federer sagt: "Das hat gezeigt, dass der Druck nicht auf mich wirkt."

Das hat freilich wohl auch damit zu tun, dass es die Auslosung ganz gut mit dem 37-Jährigen meinte und nach dem Italiener nun der Kölner Oscar Otte als Lucky Loser nachgerückt ist und mit seinem ersten Rundensieg bei einem Grand Slam überhaupt sein nächster Gegner sein wird. Der Schweizer gestand, er kenne nicht mal den Namen, sein Team werde nun aber zu Otte recherchieren. Im Viertelfinale könnte Federer auf Stefanos Tsitsipas treffen. "Das ist keine Show von mir, das ist die Wahrheit. Ich weiß nicht, wie weit ich kommen kann", sagte der Sieger von 2009 und schaute ernst. Er ist selbst gespannt auf das Experiment von diesem Roger Federer mit der roten Asche von Roland Garros.

© SZ vom 28.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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