Rekord-Transfer Roberto Firmino:Schnäppchenjagd auf dem Kontinent

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Auf der Insel viel mehr wert: Roberto Firmino (Foto: AFP)

Der Wechsel von Roberto Firmino für 41 Millionen Euro zeigt: Die englischen Klubs lassen die Preise explodieren. Die Bundesliga bleibt chancenlos zurück, und hat dennoch neue Perspektiven.

Kommentar von Philipp Selldorf

DFL-Chef Christian Seifert hat eine Warnung aussprechen wollen, als er im Winter bemerkte, die Vereine der englischen Premier League seien in der Lage, "jeden Bundesligaklub leer zu kaufen" (vom FC Bayern abgesehen). Und es kam dann auch Angst und Schrecken übers Fußball-Land, als wenig später die Zahlen des neuesten Fernsehvertrages der englischen Liga bekannt wurden - Zahlen von orientalischer Märchenpracht: Ab Sommer 2016 werden der Premier League pro Saison 3,5 Milliarden Euro aus der nationalen und internationalen Fernsehvermarktung zur Verfügung stehen, ungefähr das Vierfache dessen, was die Bundesliga auf diesem Feld erwirtschaftet. Die Reaktionen aus der Branche klangen danach, als ob Manager und Trainer befürchteten, demnächst allein in den Kabinen zu sitzen.

Inzwischen dürfte sich der Trend vielerorts gedreht haben, und demnächst werden die Geschäftsführer der deutschen Vereine womöglich Einladungen an ihre englischen Kollegen versenden: "Schaut doch mal in unseren Kabinen vorbei . . ." Spuren des Goldrauschs wehen nun vermehrt von der Insel herüber. Am Mittwoch erreichten sie den Kraichgau, wo sich die TSG Hoffenheim zum Verkauf des Mittelfeldspielers Roberto Firmino an den FC Liverpool beglückwünschen lassen darf.

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Der 20-Jährige wechselt nun doch nach England, Manchester City bezahlt knapp 50 Millionen Euro. Nur ein Bundesliga-Spieler kostete bisher mehr. Eine Übersicht der teuersten Transfers.

Von Jonas Beckenkamp

Englischen Quellen zufolge bezahlt Liverpool 41 Millionen Euro für den brasilianischen Nationalspieler. Und noch einmal: 41 Millionen Euro. In diesem Sommer hat sich die Kundschaft aus England bereits in Köln und Hannover beliebt gemacht. Die sieben Millionen Euro (plus Zuschläge) für den Verkauf des braven Verteidigers Kevin Wimmer an Tottenham kamen den Kölnern ebenso gelegen wie den Hannoveranern die acht Millionen Euro (plus Zuschläge) von Stoke City für den monatelang hartnäckig torlosen Stürmer Joselu.

Da die Transfergeschäfte in England traditionell erst später aufgenommen werden, ist mit einem weiter wachsenden Außenhandelsvolumen der Liga zu rechnen. So ist es offenbar kein Gerücht, dass der FC Chelsea beabsichtigt, einen Fabelbetrag für den jungen Augsburger Verteidiger Baba zu bezahlen. Von 28 Millionen Euro ist die Rede, für Chelsea, wo Fußballer dutzendweise wie Investitionsgüter gekauft, verliehen und weiterverkauft werden, sind das durchschnittliche Anschaffungskosten.

Die Preise explodieren, obwohl der neue englische Fernsehvertrag noch gar nicht in Kraft ist. Aber die Verhältnisse sind auch jetzt schon ausreichend ungleich: Laut des Fachblatts kicker hat der FC Bayern in der vergangenen Saison aus dem Fernsehgeschäft (ohne Europacup) 50,6 Millionen Euro erwirtschaftet, 30 Millionen Euro mehr als der Tabellenletzte SC Paderborn - und 35 Millionen Euro weniger als der englische Tabellenletzte Queens Park Rangers. Aus Sicht der Inselbewohner werden die Ligen auf dem Kontinent zu Schnäppchenmärkten.

Es ist fraglich, ob das viele Geld für die zuletzt im Europacup bemerkenswert erfolglose englische Premier League wirklich so ein Segen ist oder nicht doch der Fluch der Dekadenz. Den deutschen Bundesligavereinen bietet der englische Reichtum auf jeden Fall interessante neue Perspektiven bei der Talentsichtung und Ausbildungsarbeit.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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