Galopper des Jahres:Vom hässlichen Entlein zur coolen Socke

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Einmalige Chance genutzt: Fantastic Moon mit Rene Piechulek (rechts) gewinnt das 154. Deutsche Derby. (Foto: Stephanie Gruttmann/Galoppfoto/Imago)

Fantastic Moon ist das derzeit beste Rennpferd in Deutschland. Er gehört nicht einem, sondern 22 Besitzern, hat als erster Sieger des Deutschen Derbys eine Trainerin - und eine erstaunliche Entwicklung hinter sich.

Von Helene Altgelt

Wenn Christian Sundermann über Fantastic Moon spricht, dann klingt es, als wäre der ein Ausnahmesportler, vielleicht ein Schwimmer oder ein Langstreckenläufer. Eine "coole Socke" sei er, der sich jetzt die Luft besser einteilen kann, auch im Vollspeed noch atmen kann. Einer, der inzwischen abgeklärter und selbstbewusster ist, nach den großen Erfolgen in der noch jungen Karriere. "Er ist jetzt ein Macker", sagt Sundermann, und das klänge bei einem gewöhnlichen Sportler negativ. Nicht aber bei Fantastic Moon, dem Hengst, den er gerade beschreibt.

Fantastic Moon, gerne nur "Fanta" genannt, ist das Rennpferd der Stunde. Gerade wurde der Braune mit einem charakteristischen, mondrunden weißen Fleck auf der Stirn zum "Galopper des Jahres" gekürt, mit mehr als 60 Prozent der Stimmen. Im vergangenen Jahr hat er das prestigeträchtige 154. Deutsche Derby in Hamburg gewonnen. Seine Erfolge sind auf mehreren Ebenen besonders. Weil er nicht wie die meisten seiner Vorgänger aus Köln oder Hamburg kommt, sondern in München-Riem trainiert; weil er nicht einer Person gehört, sondern 22 Leuten; und wegen der erstaunlichen Entwicklung, die er genommen hat.

Kein "Nullachtfünfzehn-Pferd"

Fantastic Moon, so erzählt es seine Trainerin Sarah Steinberg, ist kein "Nullachtfünfzehn-Pferd." Steinberg begleitet ihn, seit er ein Jahr alt ist. Zusammen mit ihrem Partner, dem Jockey René Piechulek, hat sie seine Entwicklung vom "hässlichen Entlein zum schicken Hengst", wie sie sagt, begleitet. Zu Beginn seiner Zeit im Rennstall hätte niemand auf ihn als künftigen Galopper des Jahres gewettet. Steinberg wurde mit dem Derbysieg zur ersten Trainerin, die in dem geschichtsträchtigen Wettbewerb triumphieren konnte - ihre 153 Vorgänger waren allesamt Männer. Ihr Schützling nutzte seine einmalige Chance: Am Derby darf jedes Pferd nur einmal in seinem Leben teilnehmen, im Alter von drei Jahren.

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Mit dem Erfolg hatte niemand gerechnet, sagt Steinberg. Im Reitsport bedeutet jeder Meter einen Unterschied von Welten, und Fantastic Moon hatte zuvor über 2000 Meter geglänzt. Das Derby mit seinen 2400 Metern ist da noch mal eine andere Hausnummer. Steinberg war sich nicht sicher, ob die Länge ihm entgegenkommen würde. "Er ist sehr eifrig und möchte alles auf einmal", sagt Steinberg, aber in der letzten Saison gelang es dem Galopper besser, sich seine Kräfte einzuteilen. Jetzt, mit vier Jahren, ist Fantastic Moon im besten Rennpferdalter und soll sich über beide Distanzen beweisen. Er ist nicht erst seit seiner Auszeichnung ein Star im Pferdekosmos. Vor den Rennen wollen alle einen Blick auf ihn erhaschen. Die Ehrung findet am Ostersonntagsrenntag in Berlin-Hoppegarten statt.

Er ist ein Glücksfall für die ungewöhnliche Besitzergemeinschaft

Bei einem gewöhnlichen Sportler würde man nun reflexartig sagen: "Achtung, dass das dem jungen Burschen nicht zu Kopf steigt!" Fantastic Moon zeigt keine Starallüren in Form von rauschenden Champagnerpartys, hat sich aber verändert: vom "Schmusepony" zum Macker, wie Christian Sundermann sagt. Sundermann steht gemeinsam mit Lars-Wilhelm Baumgarten hinter der ungewöhnlichen Besitzerkonstellation von Fantastic Moon. Die beiden gründeten 2020 die Gesellschaft Liberty Racing, mit einer simplen Idee. Ein Rennpferd können sich nur wenige leisten, das nötige Know-how ist auch nicht leicht zu erwerben - also schließen wir uns zusammen. 20 Anteile à 25 000 Euro wurden im ersten Jahr verkauft. Keine Peanuts, aber doch deutlich weniger als die üblichen Kosten. "Ein Rennpferd kostet im Jahr 25 000 bis 30 000 Euro, der durchschnittliche Gewinn liegt bei 10 000 Euro", rechnet Sundermann vor. Man braucht kein Mathegenie zu sein, um zu verstehen, dass das ein Verlustgeschäft ist.

Ziel der Gemeinschaft waren aber nie die fetten Gewinne, sondern neue Liebhaber für den Sport zu gewinnen: "Wir wollten die Leute infizieren mit dem Gedanken 'Mensch, ist das toll, so ein edles Pferd'", sagt Sundermann. Jedes Jahr werden neue Anteile verkauft und Pferdetalente nach München geholt. Wer investiert, ist sich bewusst, dass von seinem Geld wenig zurückkommen könnte, durch Verletzungen oder Pech.

Manchmal ist in der Pferdelotterie aber auch ein Joker dabei - genau das war Fantastic Moon. Ursprünglich wollte die Gesellschaft ihn zum Ende des Jahres 2023 verkaufen, Angebote gab es genug. Bis zum siebenstelligen Bereich gingen die Offerten - Sundermann und Co. entschieden sich aber für ein weiteres Jahr mit ihm, auch aus emotionalen Gründen. Einen Derbysieger hat man eben nicht jeden Tag im Stall. Sundermann warnt aber vor verwegenen Träumen für die Zukunft. Eine Wiederholung der Erfolgsgeschichte wäre ein "Griff nach den Sternen". Trotz aller Warnungen war Fantastic Moon die bestmögliche Werbetrommel für die Gesellschaft: "Das Telefon stand nicht mehr still", sagt Sundermann, schon 90 statt 20 Anteile wurden für dieses Jahr verkauft.

Das hässliche Entlein hat sich gut gemacht. Seine Gene halfen dabei: Schon sein Vater, Sea The Moon, gewann das Galopp-Derby. Und so wirkt auch die Laufbahn von Fantastic Moon nach den Rennen auf der Pferdelaufbahn vorgezeichnet. Noch ein Jahr bleibt er in München, dann galoppiert er für einen anderen Besitzer. Im sportlichen Ruhestand wird er wohl seine guten Gene als Deckhengst weitergeben, glaubt Sundermann. In dem Kontext kann "Macker" durchaus als Lob verstanden werden.

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