Thomas Reis bei Schalke 04:"Mut zum Risiko gehört dazu"

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"Ich bin gierig nach diesem Verein und dieser Aufgabe": Thomas Reis am Donnerstag bei seiner ersten Einheit als neuer Cheftrainer des Tabellenletzten FC Schalke 04. (Foto: Christof Koepsel/Getty)

Chaostage auf Schalke? Zum Einstand von Thomas Reis beschwört der Tabellenletzte das innige Verhältnis zum zurückgetretenen Sportdirektor Rouven Schröder. Der von ihm auserwählte Trainer sieht den neuen Job als Aufstieg nach seiner Zeit beim VfL Bochum.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Peter Knäbel, der Sportvorstand des FC Schalke 04, schickte seinem Eingangsstatement bei der Vorstellung des neuen Trainers Thomas Reis eine Warnung voraus. Es könne "vielleicht ein bisschen länger" dauern, drohte er, aber der Grund war nicht der, dass er so viel zu den Qualitäten des Fußball-Lehrers Reis zu sagen hatte. Stattdessen musste er erst mal die Worte für eine Situation finden, die man in abgekürzter Form auch "typisch Schalke" nennen könnte. Dass mit dem Kommen des nächsten Trainers der Verlust des Sportchefs Rouven Schröder einhergeht, der den Trainer angeworben hat, das ist eine paradoxe Besonderheit, die wunderbar in die Klubgeschichte passt. Reis lässt sich von den Turbulenzen jedoch ebenso wenig beeindrucken wie vom 18. Tabellenplatz seines Teams und den pessimistischen Weissagungen der Experten. "Mut zum Risiko gehört dazu. Ich bin froh, dass ich wieder meinem Beruf nachgehen und wieder raus darf", bemerkte er lakonisch.

An dem Tag, an dem sich Schalke und der VfL Bochum auf eine finanzielle Regelung über den Seitenwechsel des kürzlich beurlaubten vormaligen VfL-Trainers Reis einigten, hatten die Gelsenkirchener den freiwilligen Rückzug von Manager Schröder bekanntgegeben. Der 47-Jährige hatte als letzte Amtshandlung noch die Trainersuche betrieben, dann reichte er - "aus persönlichen Gründen" - sein Abschiedsgesuch ein. Das sah nun geradewegs nach einer klassischen königsblauen Drunter-und-drüber-Episode aus, aber Knäbel dementierte energisch jeglichen Kontrollverlust: "Gestern war kein Chaos-Tag auf Schalke", widersprach er einschlägigen Medien-Darstellungen, der Klub bleibe "stabil und handlungsfähig".

Schröders Abtreten wurde von Knäbel nicht bedauert, sondern betrauert. Zuhörer hatten beim Klang seiner feierlichen Rede den Eindruck, als würde der Vorstandsmann einen Nachruf verbreiten, doch Schröder, 47, erfreut sich zum Glück guter Gesundheit. Der Ex-Profi Knäbel drückte seine Danksagung an den anderthalb Jahre aktiven Sportchef in einer Anekdote aus: Im Fußball seien echte Freundschaften selten. "An meinem 25. Geburtstag habe ich gesagt: Wenn mich zu meinem 50. Geburtstag drei Leute anrufen, mit denen ich gespielt habe, dann bin ich froh." Diese drei Männer hätten tatsächlich angerufen - "und jetzt ist einer dazugekommen". Gemeint war Rouven Schröder.

Schröders Vertrag ruht bis 2024. So könnte Schalke nach dem Modell Eberl/Gladbach noch eine Ablöse erzielen

Die Geschichte diente auch der Gegendarstellung von Gerede, dass es im Management Krach über die Trainerwahl gegeben habe. Schalkes Verantwortliche bestehen jedoch darauf, dass Schröder im Zuge einer privaten Energiekrise gegangen sei. Er habe einfach nicht mehr die Kraft gehabt, um im erforderlichen Modus seinen Job zu machen, heißt es in der Klubführung. Der bis 2024 laufende Vertrag mit Schröder ruht, die Zahlungen sind eingestellt. Sollte er im neuen Jahr einen neuen Job antreten wollen, könnte Schalke Schröders möglichen Arbeitgeber - nach dem Modell Max Eberl und Borussia Mönchengladbach - zur Kasse bitten.

Thomas Reis, die eigentliche Hauptfigur der Veranstaltung, hörte den Erörterungen geduldig zu. Schröder kennt er noch aus gemeinsamen Spielerzeiten in Bochum, er dürfte seine Unterstützung vermissen. Aber der Drang, wieder zu arbeiten, war größer als etwaige Bedenken. Den Meldungen, dass er Schalke bei den Ablöseverhandlungen mit dem VfL durch den Verzicht auf Zahlungen unterstützt habe, widersprach der 49-Jährige nicht: "Man wird ja oft als gierig dargestellt", griff Reis ein Fußballer-Klischee auf, "aber ich bin gierig nach diesem Verein und dieser Aufgabe, das ist meine Motivation." Viele Jahre seiner Profi- und Trainerkarriere hat er bisher an der Castroper Straße in Bochum verbracht, dort wird man es vermutlich nicht gern hören, dass er den Wechsel nach Gelsenkirchen als Steigerung versteht. Reis sprach von "Tradition und Stolz - das Ganze ist mehr als eine Nummer größer". Zur Rücksicht auf Bochumer Gefühle sieht er sich nicht verpflichtet: "Bochum wird für mich immer ein besonderer Verein sein, aber das Kapitel wurde beendet - seitens des VfL." Auf seine Bilanz lässt er nichts kommen: "Ich glaube nicht, ich weiß, dass ich in Bochum toll gearbeitet habe. Nicht umsonst spielt der VfL in der ersten Liga."

Weder gab Reis ein dröhnendes Versprechen, mit Schalke in der ersten Liga zu bleiben, noch versprach Knäbel, die Beziehung auch in der zweiten Liga fortzusetzen. Über die Vertragsdauer äußerte sich der Verein nicht. Immerhin darf Reis, anders als sein in der vorigen Woche entlassener Vorgänger Frank Kramer, seinen vertrauten Co-Trainer Markus Gellhaus mitbringen. Die vom Verein vorausgesetzte Übernahme des Trainerstabs mit Vereinsheld Mike Büskens schreckt Reis ebenso wenig wie die Berichte, dass Schalke auch andere Trainer kontaktiert haben soll. Ob er sich dadurch beschädigt fühle, wurde er gefragt, und Reis gab eine selbstbewusste Antwort: "Wenn man mich als Plan B, C oder D hinstellt, ist mir das völlig egal. Ich sitze hier und kein anderer."

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