Joaquín Almunia hat sich als europäischer Wettbewerbskommissar mit gewaltigen multinationalen Konzernen angelegt. Er hat sich mit Google angelegt, Microsoft und Bildröhrenkartelle mit Milliardengeldbußen überzogen, seit einiger Zeit ermittelt er auch gegen Großbanken wegen Absprachen bei der Festsetzung von Leitzinsen.
Nun muss er sich wohl bald entscheiden, ob er sich auch an die größte faktische Macht seiner spanischen Heimat heranwagt. Denn auf Almunias Schreibtisch liegt ein Dossier, auf dem der schillerndste Name des spanischen Fußballs steht: Real Madrid.
Der Sprecher Almunias, Antoine Colombani, bestätigte am Mittwoch in Brüssel die Grundzüge eines Berichts der englischen Zeitung The Independent, wonach die EU-Kommission der Frage nachgehe, ob Real möglicherweise illegale Beihilfen spanischer Behörden erhalten hat. "Ich kann bestätigen, dass die EU-Kommission solche Informationen erhalten hat und wir das analysieren", sagte Colombani.
Konkret geht es um verwirrend undurchsichtige Immobiliengeschäfte aus den Jahren des Booms. Ende der 90er Jahre hatte Real Madrid im Rahmen des umstrittenen Verkaufs seines früheren Trainingsgeländes, der legendären Ciudad Deportiva, von der Gemeinde unter anderem auch ein Grundstück im Vorort Las Tablas erhalten.
In den Büchern des spanischen Rekordmeisters war es jahrelang mit einem Wert von knapp 500 000 Euro verbucht worden, doch selbst dieser Wert war wohl übertrieben: Das Gelände durfte nicht bebaut werden. Jahre später wurde dieser "Verwaltungsfehler" dann "korrigiert". Im Tausch für das Brachland in Las Tablas erhielt Real Madrid von der Gemeinde diverse Grundstücke in der Innenstadt, die schon sehr viel exquisiter waren.
Sie wurden auf insgesamt 22,8 Millionen Euro taxiert. Ein Bombengeschäft: Wie der Independent errechnete, entsprach der Deal einer Wertsteigerung des Grundstücks in Las Tablas um 5400 Prozent.
Einen noch viel besseren Deal machte Real Madrid aber aus der Abänderung des Stadtentwicklungsplans aus dem Jahr 2011. Denn: Seinerzeit erhielt Real Madrid die Genehmigung, sein berühmtes Bernabéu-Stadion zu überdachen und an einer Fassade des alten Gemäuers ein Einkaufszentrum und ein Luxushotel zu errichten. Und das ist nicht irgendeine Fassade: Sie liegt an einer der erlesensten und damit teuersten Straßen Madrids, am Paseo de la Castellana.
Ein Riesendeal ist das deshalb, weil Real Madrid im Gegenzug der Stadt "nur" Grundstücke im Wert von 4,4 Millionen Euro sowie eine Gebühr von 6,6 Millionen Euro überlassen muss - insgesamt elf Millionen Euro für ein Geschäft, das sehr viel größer sein dürfte. Die Stadt Madrid rechtfertigte dies mit den Mehreinnahmen, die der Gemeinde aus Steuern, Tourismus und zusätzlichen Arbeitsplätzen winken würden.
Real Madrid teilte am Mittwoch mit, dass man die Aufregung nicht nachvollziehen könne. Alle Grundstücksbewertungen seien unter Berücksichtigung der Marktentwicklung von unabhängiger Seite erfolgt, von staatlichen Beihilfen könne keine Rede sein. Die Frage wird nun sein, ob die Kommission in Sachen Real Madrid eine förmliche Untersuchung einleitet. Entschieden sei noch nichts, betonte Almunias Sprecher Colombani.
Selbst wenn es dazu kommen sollte, wäre noch lange nicht gesagt, dass die Kommission Strafen verhängt. Denkbar wäre, dass Real Madrid zur Rückzahlung von Millionensummen gezwungen wird. Klar ist aber, dass sich die Kommission den Profifußball immer genauer anschaut. Erst vor wenigen Wochen leitete Almunia förmliche Untersuchungen gegen fünf niederländische Profiklubs ein, zudem gibt es Vorermittlungen gegen andere spanische Klubs.
Die Kommission will klären, ob die Stundung von Steuern und Sozialabgaben, die sich zeitweise auf 800 Millionen Euro summierten, als verdeckte Staatshilfen gewertet werden müssen.