Real gegen Bayern:Worte voller Groll

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  • Nach dem 2:4 nach Verlängerung im Viertelfinale der Champions League sind die Bayern-Spieler stocksauer auf Schiedsrichter Viktor Kassai.
  • Trainer Carlo Ancelotti wirft dem Unparteiischen noch auf dem Platz einen höhnischen Kommentar an den Kopf.
  • Das Schiedsrichter-Team von Kassai machte in der Tat viele Fehler - aber auch zu Gunsten der Bayern.

Von Jonas Beckenkamp, Madrid

Das Estadio Santiago Bernabeu ist ein Monument aus Beton, dessen klotzige Mauern schon so mancher Gefühlswallung getrotzt haben. Aber als die Spieler des FC Bayern es diesmal verließen, durch ein Spalier aus Kameras, schwitzenden Menschen und einem Suppenständchen, bekam diese ehrwürdige Arena noch einmal was zu hören. Worte voller Groll zischten durch die Interviewzone, während im Kühlklima des Presseraumes Carlo Ancelotti seinen Ärger über das 2:4 (0:0, 2:1) nach Verlängerung gegen Real Madrid in die Mikrofone blies.

Es war ein schmerzhaftes, ein nervtötendes Aus in der Champions League - und das in jeder Hinsicht. Körperlich versehrt wirkte nahezu jeder Münchner, weshalb das mit der Suppe vielleicht gar keine so schlechte Idee war. Doch auch in den Köpfen rauchte es gewaltig. Der FC Bayern fühlte sich verschaukelt, beklaut und zu Unrecht aus dem Wettbewerb geschmissen. Und zwar von einem Menschen namens Viktor Kassai und seinem Schiedsrichterteam.

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Die Mannschaft liege "in Trümmern in der Kabine", formulierte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge drastisch, was insofern nicht ganz stimmte, als dass es schon der ein oder andere auf zwei Beinen in den Bus schaffte. Arjen Robben zum Beispiel, der kaum zu bremsen war in seiner Schiedsrichter-Schelte. "Ich hasse das normalerweise, über den Schiri zu sprechen. Aber wenn ein Spiel durch solche Fehler entschieden wird, ist das Wahnsinn!" Und auch Rummenigge blieb nach seiner Einschätzung zum Zustand der Mannschaft in jenem drastischen Duktus hängen. Auf seiner traditionellen Bankettansprache kritisierte er die Unparteiischen harsch. "Ich muss sagen, ich habe heute zum ersten Mal so etwas wie wahnsinnige Wut in mir, Wut, weil wir beschissen worden sind. Wir sind beschissen worden, im wahrsten Sinne des Wortes", sagte Rummenigge. In der Tat konnte Herr Kassai aus Ungarn nicht in Ansätzen mit dem Niveau dieses Höllen-Spektakels mithalten.

Ja, er und seine Linienrichter pfiffen mitunter einen gravierenden Schmarrn. Aber: Sie taten es auf beiden Seiten - und diese Tatsache wollte bei den Münchnern kaum einer wahrhaben. "Du kämpfst gegen etwas, wo du keinen Einfluss hast", fand Robben, der mit Recht das " sehr, sehr hohe Niveau" der Partie hervorhob. Ein Riesenspiel, in dem vieles gut für sie lief, zerrüttet von bösen Mächten, so empfanden es die Bayern. Als Knackpunkt diente wie schon im Hinspiel ein Platzverweis - diesmal erwischte es Arturo Vidal, der in der 84. Minute beim Stand von 2:1 mit Gelb-Rot runter musste.

Vidal hatte bis dahin Fouls gesammelt wie andere angekommene Pässe. Mit seiner gelben Karte gegen Isco nach nur fünf Minuten manövrierte er sich selbst unnötig ins Verderben. Er hatte, wie man so sagt, um den Feldverweis gebettelt - aber ausgerechnet bei seiner letzten Grätsche gegen Asensio den Ball gespielt. "Die rote Karte hat das Spiel gekippt. Und es war nicht mal ein Foul", schnaubte Rummenigge. Bis dahin sah es wirklich aus, als könne sein Team Real niederstampfen. Den Drang hatten die Bayern, die strategische Überlegenheit nicht. Ebenso wenig wie das Glück bei zwei, drei verzwickten Schiri-Urteilen.

Verständlich also, dass es selbst aus dem stillen Thiago heraussprudelte, der spanischen Reportern erzählte: "Wir wurden hier total beschissen und können es nicht ändern, das regt uns auf!" Und weil es neben der Vidal-Szene noch zwei klare Abseits-Fehlentscheidungen gegen die Bayern gab, nämlich bei Ronaldos Treffern zum 2:2 (105.) und 3:2 (109.), ging es schließlich um den Videobeweis. Den forderte etwa Carlo Ancelotti fernab seiner sonstigen Stoik: "Es kann nicht sein, dass solche Fehler in einem Viertelfinale vorkommen. Ich hoffe, dass der Videobeweis bald Unterstützung bietet." Der Schiedsrichter sei "viel schlechter" gewesen als sein Team, so der Italiener, der Kassai noch auf dem Platz höhnisch ein "good job" entgegen rief.

Thiago wiederum polterte in eine andere Stoßrichtung: "Ich brauche keinen Videobeweis, ich will einfach nur kompetente Referees, die diesem Level gewachsen sind. Es hätte alles ganz anders kommen können." Das hätte es tatsächlich, denn Wendepunkte mit fragwürdiger Auslegung gab es auch zugunsten der Bayern: Robbens Hinfaller im Duell mit Casemiro stufte Kassai als elferwürdig ein, Lewandowski traf zum 1:0 (53.). In die Almanache der klarsten Strafstöße wird es diese Szene nicht schaffen, es war wohl mehr solala. Auch beim großen Gestocher zum Münchner 2:1 durch ein Eigentor von Sergio Ramos (77.) übersahen die Offiziellen ein bayerisches Abseits.

"Wenn das so war, ist es wenigstens ein kleiner Trost", räumte Mats Hummels ein. Diese Einsicht tat gut in der allgemeinen Aufregung. Trotzdem bescheinigte auch er, der seine maladen Füße in jedes Duell warf, Kassai "einen eklatant schlechten Tag." Und während die Bayern vor sich hin wüteten und mit den Unwägbarkeiten haderten, während im nächtlichen Madrid ihr Stolz aus jeder Silbe klang, stapfte im Hintergrund Cristiano Ronaldo in die Tiefgarage. Gekleidet in Double-Jeans, Hose und Hemd in Denim, auf dem Rücken einen Rucksack, bestickt mit goldenen Nieten. Er hatte diesmal drei Tore erzielt, über beide Spiele gerechnet sogar fünf. Auch nicht schlecht.

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