RB Leipzig:RB lässt die Flügel hängen

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Ballbesitz, Chancen, alles reichlich vorhanden. Aber: "Du brauchst halt auch Glück." Hier scheitert der Leipziger Lois Openda (2. v.l.) an Frankfurts Torwart Kevin Trapp. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Überlegene Leipziger müssen sich Frankfurt 0:1 geschlagen geben. Die Distanz zu Platz eins ist bereits zum Ende der Hinrunde unüberwindlich, im Kampf um die Champions League rücken Borussia Dortmund und die Eintracht immer näher.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Die Fußball-Bundesliga gehört offenbar auch zu jenen gesellschaftlichen Bereichen, in denen das Glasdecken-Phänomen existiert. Unter der Glasdecke wird gemeinhin jene unsichtbare Barriere verstanden, an die Frauen stoßen, wenn sie in einem Unternehmen auf dem Weg nach oben sind. RB Leipzig stößt in der Bundesliga an eine solche Glasdecke. Trotz eines sehr gut ausgestatteten Kaders gehen die Chancen auf den ersten Bundesligatitel der (kurzen) Vereinsgeschichte immer wieder perdu. Mal früher, mal später, aber doch: alljährlich.

Diesmal: zum Ende der Hinserie. Am Samstag verlor Leipzig daheim gegen Eintracht Frankfurt 0:1; und Trainer Marco Rose klang danach ernüchtert. Und resigniert. "Das ist vielleicht das, was uns nach ganz oben hin fehlt: dass wir so ein Spiel nicht 1:0 gewinnen. Oder wenn wir 0:1 zurückliegen und so spielen, wie wir gespielt haben, es nicht 2:1 gewinnen." Die Distanz nach "ganz oben": Der Tabellenführer und nächste Leipzig-Gegner Bayer Leverkusen ist zur Halbzeit der Saison zwölf, Bayern München virtuell elf Punkte entfernt, der Rekordmeister hat ein Spiel weniger als der Tabellenführer. Die theoretische Chance auf einen Eingriff in den Titelkampf darf bereits jetzt als vergeben angesehen werden. Denn die größte Aufholjagd der Geschichte der Bundesliga legte der VfL Wolfsburg hin. In der Spielzeit 2008/09 wurden die Niedersachsen Meister, obschon sie zur Hälfte der Saison neun Punkte Rückstand auf Platz eins gehabt hatten.

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Der Spielverlauf, den Rose am Samstagabend meinte, bemaß sich weniger daran, dass die Eintracht nach nur sieben Minuten durch einen "Bilderbuchangriff" (Trainer Dino Toppmöller) das 1:0 erzielt hatte und die Führung durch Ansgar Knauff hernach geschickt, effektiv und auch mit Fortune verteidigte. Sondern daran, dass die Statistiker kaum eine Rubrik fanden, in der Leipzig nicht überlegen gewesen wäre.

Leipzig hatte mehr Torschüsse (19 neben, sieben auf das Tor) als die Eintracht (4/1); mehr Ballbesitz (61:39 Prozent); mehr gewonnene Zweikämpfe (132:110); mehr Ecken (15:4) gab es auch. Auch die Rubrik "expected goals" - sie bemisst die Qualität von Torchancen - sprach zugunsten der Leipziger (3,07 zu 0,81). Am Ende aber, so philosophierte Rose, sei "Fußball ein bisschen wie das Leben: Du brauchst halt auch Glück". Was nicht heiße, dass sich die Leipziger als Glücksritter verstünden. "Die Jungs haben viel richtig gemacht, hatten Großchancen." Aber kein Tor.

Emil Forsbergs Ideen hätten dem Leipziger Spiel gutgetan. Aber der Schwede ist jetzt in New York

Das wiederum lag auch daran, dass Eintracht-Torwart Kevin Trapp einen sehr guten Tag erwischte. Trapp wusste das selbst so gut, dass er später betonte, nicht allein für den Sieg verantwortlich gewesen zu sein. Er war in der Eiseskälte so warm geschossen worden, dass er den von einem Reporter vorgetragenen Gedanken, zur Regeneration "in die Eistonne" zu steigen, nicht als verwegen zurückwies, sondern zumindest schmunzelnd in Erwägung zog.

Nun war einerseits der Variantenreichtum, mit dem Leipzig seine Chancen vergab - allen voran Benjamin Sesko und Loïs Openda - schon beeindruckend. Andererseits drängte sich gerade in der ersten Halbzeit auch die Idee auf, dass der im Dezember nach New York verabschiedete schwedische Regisseur Emil Forsberg den Leipzigern gutgetan hätte. Da fehlte den Leipzigern lange und trotz aller Chancen einer dieser abseitigen Gedanken, für die Forsberg auch stand. Auch wenn für den Abschied des Schwedens mitten in der Saison viele und auch nachvollziehbare Argumente ins Feld geführt wurden - ein Hauch von Selbstverstümmelung wohnte ihm schon inne. Er nahm auch ein wenig die Resignation vorweg. Denn wer weiß, ob Forsberg gegangen wäre, wenn er ein Leipziger Eingreifen in den Titelkampf für realistisch gehalten hätte.

Und die Frankfurter? Sie stehen jetzt - drei Zähler hinter Dortmund und sechs Punkte hinter Leipzig - auf Rang sechs. Die beiden Winterzugänge Donny van de Beek (Manchester United) und Sasa Kalajdzic (Wolverhampton) fügten sich eine gute Stunde "nahtlos ein", sagte SGE-Coach Toppmöller. Dass beide von Beginn an spielten, war wegen der Afrika-Cup-Abstellungen von Ellyes Skhiri (Tunesien), Omar Marmoush (Ägypten) und Fares Chaib (Algerien) nicht nur dem Mut Toppmöllers, sondern auch den Umständen entsprechend. Sein Kollege Rose gönnte seinem Winterzugang Eljif Elmas hingegen nur einen Cameo-Auftritt. Der Nordmazedonier, der im Vorjahr mit der SSC Napoli italienischer Meister wurde, kam erst zur Nachspielzeit. Viel zu spät, um die Glasdecke noch zu zertrümmern.

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