Rangnick im Interview:"Ein Magath-Modell war nie meine Absicht"

Lesezeit: 4 min

Hoffenheimes Trainer Ralf Rangnick über turbulente Wochen, den Wechsel auf dem Manager-Posten und die Lehren aus der Saison.

Moritz Kielbassa

SZ: Herr Rangnick, was hat Sie nach den Turbulenzen der vergangenen Monate dazu bewogen, Ihren Trainer-Vertrag in Hoffenheim bis 2012 zu verlängern?

Ralf Rangnick, Trainer der TSG Hoffenheim. (Foto: Foto: Getty)

Rangnick: Die Situation war so, dass ich die letzten vier Jahre reflektieren musste. Mein Herz hängt am Projekt Hoffenheim, und in den Gesprächen mit Dietmar Hopp (Mäzen, d. Red.) hat sich nach wie vor eine absolute Einigkeit in unseren Überzeugungen und Zielen ergeben.

SZ: Ein Knackpunkt war nach dem Rücktritt Jan Schindelmeisers die Besetzung des Manager-Postens. Wäre die angedachte, aber verworfene Verpflichtung Thomas von Heesens für Sie ein Rücktrittsgrund gewesen? Es hieß ja, Sie würden ein Teammanager-Modell anstreben, mit allen Hoheiten bei Ihnen. Haben Sie einen internen Machtkampf gewonnen?

Rangnick: Ein Magath-Modell war nie meine Absicht, sonst hätte ich Jan nicht 2006 ins Boot geholt. Und den Namen von Heesen haben Sie von mir nie gehört. Es gab Gedanken über externe und interne Lösungen. Herr Hopp und ich haben uns letztendlich auf eine starke interne Lösung verständigt. Und das ist gut so.

SZ: Diese Lösung heißt Ernst Tanner, früherer Jugendleiter von 1860 München, seit 2009 Leiter der Hoffenheimer Nachwuchs-Akademie. Er wird Sportmanager, aber nicht Ihr Vorgesetzter.

Rangnick: Ernst ist eine Idealbesetzung. Unter seiner Leitung machte 1860 die beste Jugendarbeit in Deutschland. Und bei uns steigt heuer endlich die U23 in die Regionalliga auf, die U19 steht in Berlin im Pokalfinale. Ernst wird Transfers abwickeln und stark ins Scouting eingebunden sein. Er als Manager, das passt genau zu unserem Vorhaben, wieder mehr auf junge Talente, wenn möglich gerne deutschsprachige, zu setzen.

SZ: Zurück zu den Wurzeln?

Rangnick: Ja. Wir müssen in jungen Spielern wieder etwas sehen, was andere Klubs noch nicht erkennen. Wir müssen wieder Jaissles, Becks, Comppers, Weis' und Gustavos entdecken. Das war unsere Stärke. Und es bringt auch nichts mehr, im Einzelfall zu erörtern, warum wir Müller, Badstuber, Holtby oder Subotic, die wir mal wollten, nicht bekommen haben.

SZ: Zuletzt misslangen Transfers aus fernen Ländern: Zuculini, Maicosuel, Wellington. Hat sich Hoffenheim in seiner Personalpolitik seit der Herbstmeisterschaft 2008 von überzogenen sportlichen Erwartungen treiben lassen?

Rangnick: Nein. Fakt ist aber, dass sich nach unserem raketenartigen Aufstieg die Erwartungen und Ziele verschoben hatten. Platz sieben am Ende der ersten Saison galt schon als Misserfolg, damit war automatisch klar, dass es plötzlich Platz eins bis fünf sein sollte. Ursprünglich wollten wir mal erstklassig sein, wenn Herr Hopp 70 wird - das war vor zwei Wochen. Es ist halt wie in der freien Wirtschaft: Man wird immer am Gewinn des letzten Quartals gemessen.

SZ: Diesmal wurde die TSG nur Elfter. Nehmen Sie jetzt für 2010/11 Abstand von internationalen Ambitionen?

Rangnick. Der Weg ist wieder das Ziel - wie im ersten Jahr nach dem Aufstieg.

SZ: Missglückte Transfers gelten als Grund der Trennung von Jan Schindelmeiser. Hinzu kamen die Dissonanzen zwischen Ihnen beiden - auch wegen Schindelmeisers Beförderung zum Geschäftsführer, der Ihnen vorgesetzt war.

Rangnick: Ganz klar gesagt: Wir wickelten jeden Transfer gemeinsam ab, selbstverständlich stehe ich da für alles gerade. Dass Jan und ich auch mal kontrovers diskutiert haben, erachte ich als normal. Menschlich gab es nie ein Problem. Und man vergisst: Spieler wie Ba, Obasi, Eduardo konnten 2007 in der zweiten Liga in Ruhe mit dem Team wachsen - das war eine einfachere Ausgangsposition als für jene, die später zu uns kamen.

Fußball: Bundesliga
:Das Ei hat 'ne Schale

Was bleibt von der Bundesliga-Saison 2009/2010? Zum Beispiel Schalke-Witze, fröhliche Holländer, eine LV-Schwäche und ein Maskottchen aus Köln. Eine Bilanz in Bildern.

SZ: Was war der Grund für die enttäuschende Saison? Die Undiszipliniertheiten im Kader, erloschener Teamgeist?

Rangnick: Diese Punkte sind wichtig, wurden aber öffentlich überinterpretiert, wie immer bei Misserfolg. Fakt ist: Wir brauchen wieder unsere alte Mentalität, unser teamorientiertes, bedingungsloses Spiel gegen den Ball. Dafür steht Hoffenheim. Und in den letzten vier guten Spielen (acht Punkte, d. Red.) hat die Mannschaft wieder gesehen, wozu sie mit dieser Spielweise fähig ist.

SZ: Geht es Ihren Spielern, wie von Hopp zuletzt angedeutet, zu gut? Stichwort: Gehälter, luxuriöses Trainingszentrum, Rundum-Fürsorge im Klub.

Rangnick: Wir werden die Gehaltsspirale nicht weiter nach oben drehen. Und dass wir in der Teamführung die Zügel straffer angezogen haben, ist ja bekannt.

SZ: Ist das eine Lehre für Sie: dass die lange Leine nur in guten Zeiten funktioniert? Man hört ja, dass selbst Spieler mehr Härte und Konsequenz wünschten.

Rangnick: Wir bleiben bei unserem pädagogischen Ansatz, mit viel Selbstverantwortung der Spieler. Aber wenn die Situation härtere Reglementierungen erfordert, machen wir das natürlich.

SZ: Waren Sie überrascht, dass der Spielerrat am sportlichen Tiefpunkt der Saison Hopp versicherte, das Team stehe zu großen Teilen hinter dem Trainer?

Rangnick: Nein, man hat da ein Gespür. Ich hatte nie den Eindruck, dass die Spieler in eine andere Richtung rudern.

SZ: Wie sehr hat Sie in der Rückrunde die Krankheit Ihres Vaters belastet. Sie wirkten zeitweise traurig, ausgepowert?

Rangnick: Die Zeit war hart, diese vier Monate waren gefühlte acht. Aber meinem Vater geht es wieder richtig gut. Und meine Job-Zufriedenheit ist hoch.

SZ: Bleiben Topspieler wie Carlos Eduardo, Obasi oder Ba in Hoffenheim?

Rangnick: Dass wir zwei oder drei von ihnen abgeben, ist für mich undenkbar. Sollte aber einer der Spieler weg wollen und wir ein entsprechend lukratives Angebot erhalten, dann werden wir uns gegebenenfalls damit auseinandersetzen.

SZ: Sie lieben ja Talente - und flache Hierarchien, dennoch findet nicht nur Hopp, dass ein wehrhafter Anführer wie van Mark Bommel dem Team guttäte.

Rangnick: Einen van Bommel oder einen Matthias Sammer in Bestform, den suchen doch im Grunde alle. Aber wo gibt's die? Und Sammer war mit 20 schon ein Leader, das ist keine Altersfrage.

SZ: Der von Ihnen installierte Expertenstab wird, auch auf Wunsch der Spieler, verkleinert. Ist das Modell Hoffenheim damit ein Stück weit beendet?

Rangnick: Nein. Wir werden dem Team weiterhin differenzierte Inhalte anbieten. Aber sogar mir als Trainer fiel es zuletzt schwer, all die vielen, gut gemeinten Ratschläge zu sortieren.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: