Leipzig-Aus in der Champions League:Zu schüchtern gegen die Dynamitstangen

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Fliegt ins Tor: Neymar (Foto: Getty Images)

RB Leipzig scheitert im Champions-League-Halbfinale an Paris Saint-Germain. Das Wagemutigste, das der Bundesligist zu bieten hat, ist das Outfit von Trainer Nagelsmann.

Von Javier Cáceres, Lissabon

Auch Fußballspiele können ihre Soundtracks haben. Eine akustische Untermalung, die prägend wirken kann. In Zeiten der Pandemie sind die Ränge bekanntlich verwaist und damit stumm; und es begab sich, dass man im Estádio Da Luz, als es dämmerte, Unerhörtes wahrnehmen konnte: das monotone Rauschen der Autobahn, die das Stadion mit den ausladenden roten Bögen umgibt.

Es war ein Sound, der zu der Leistung des RB Leipzig passte. So brillant sie gegen Atlético Madrid im Viertelfinale gesiegt hatten, so flach war am Dienstagabend ihr Vortrag gegen das Paris St.-Germain des deutschen Trainers Thomas Tuchel. Und so war nur zwangsläufig, dass die von den Scheichs gesponserten Franzosen ins Finale der Champions League einzogen, wo sie auf den Sieger der Mittwochspartie zwischen dem FC Bayern und Olympique Lyon treffen. Denn Paris siegte mit 3:0 (2:0).

"Paris hat ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht", sagte RB-Sportdirektor Markus Krösche bei Dazn. "Wir haben den ein oder anderen Fehler zu viel gemacht. Aber wir sind ins Halbfinale gekommen, wir können stolz sein auf die Mannschaft." Auch Trainer Julian Nagelsmann, der vom deutschen Kollegen Tuchel taktisch ausgebremst wurde, räumte ein: "Der Gegner war schlicht besser als wir. Das muss man auch akzeptieren", sagte Nagelsmann bei Sky. "Auf dem Niveau wird man extrem schnell bestraft. Trotzdem gibt es da keine Kritik von mir."

Die Leipziger wirkten durch das Tor angeschlagen

Das Wagemutigste, das Leipzig zu bieten hatte, war der graue Anzug von Trainer Nagelsmann. Je länger die Partie dauerte, umso eingeschüchterter wirkte das Team von den Dynamitstangen, die Tuchel aufbieten konnte. Der zuletzt malade französische Angreifer Kylian Mbappé und der gegen Atalanta Bergamo gesperrte Argentinier Ángel Di María waren wieder dabei; dass Tuchel einen empfindlichen Ausfall kompensieren musste, weil Stammtorwart Keylor Navas verletzt ausfiel und durch Sergio Rico ersetzt wurde, fiel nicht weiter ins Gewicht. Aber Dynamitstangen? Ja! Außer bei Neymar, der wie schon gegen Bergamo nur feuchtes Material eingepackt hatte. Nach feinem Übersteiger und noch filigranerem Pass von Mbappé in den Rücken der Abwehr setzte der Brasilianer den Ball an den Pfosten (7.). Es blieb daher Neymars Landsmann Marquinhos vorbehalten, die Führung für PSG zu erzielen. Er entfloh seinem Bewacher Youssuf Poulsen und verlängerte einen Freistoß von Di María per Kopf zum 1:0 neben den zweiten Pfosten.

FC Bayern
:"Wir müssen jeden Meter so machen wie gegen Barcelona"

Vor dem Champions-League-Halbfinale gegen Lyon geben sich die Bayern selbstbewusst, haben aber auch Respekt vor dem Gegner. Benjamin Pavard ist wieder dabei, aber keine Option für die Startelf.

Die Leipziger wirkten durch das Tor angeschlagen. Und vor allem dadurch, dass es die Virtuosen unter den Franzosen, allen voran Neymar, immer wieder vermochten, die Räume zwischen den Linien zu bevölkern. Anders als gegen die Madrilenen schafften es die Leipziger nicht, die Kontrolle der Partie zu erlangen. Weder Dayot Upamecano noch Kevin Kampl reichten an ihre Weltklasseleistungen vom Viertelfinale gegen Atlético heran. Einzig Poulsen kam einmal nach einem Konter zu einer Gelegenheit, nach einer Vorlage von Konrad Laimer setzte er den Ball knapp neben den Pfosten. Die Franzosen wiederum ließen den Ball sicher durch die in ihrem bevorzugten 4-3-3-System geordneten Reihen laufen. Zugriff, wie man so schön sagt, bekamen die Leipziger nie. Zwischendrin schreckte sie Neymar auf, er setzte aus mehr als 30 Metern einen Freistoß an der Außenlinie an den Pfosten, er hatte gesehen, dass Torwart Peter Gulacsi sich Richtung Strafraumgrenze bewegt hatte (35.). Kurz danach sprach Gulacsi eine noch ausdrücklichere Einladung zum Tor aus.

Modisch unterwegs: Julian Nagelsmann. (Foto: AP)

In der 43. Minute versuchte er sich an einem Pass auf Marcel Sabitzer, doch er spielte den Ball Leandro Paredes in die Füße. Der Argentinier spielte Neymar eine Melone zu, und der Brasilianer verwandelte sie zurück in einen Ball. Im Sprung verlängerte Neymar per Absatzkick zu Di María, der keine Mühe mehr hatte, zum 2:0-Pausenstand zu vollenden.

Zur zweiten Halbzeit brachte Nagelsmann Patrik Schick und Emil Forsberg für den unglücklichen Ex-PSG-Profi Christopher Nkunku und Dani Olmo, der zu den wenigen Spielern mit rebellischem Charakter gezählt hatte. Forsberg versuchte es aus der Distanz. Doch jedes Fanal zur Aufholjagd war erstickt, als einer der kleinsten Champions-League-Profis per Kopf traf. Nachdem Nordi Mukiele an der Außenbahn ausgerutscht war, schlug Di María eine Flanke auf den Kopf des kleinen Spaniers Juan Bernat, der einst beim möglichen Finalgegner FC Bayern gespielt hatte.

Das Tor beendete im Grunde den Aufenthalt der Leipziger in Portugal. Sie spielten weiter nach vorne, bewiesen also Haltung, was nicht wenig ist im Lichte der Enttäuschung, die ihre Körper eroberte. Gefährlicher und zielstrebiger aber blieb Paris. Der französische Meister hätte die Führung unter anderem durch Mbappé ausbauen können (72.), Gulasci rettete. Ansonsten reichte es PSG, abgezockter zu wirken als die Leipziger, und straff und klug organisiert zu verteidigen, um verdientermaßen und angeführt von ihrem deutschen Trainer Tuchel das erste Champions-League-Finale der Klubgeschichte zu erreichen.

"Es ist unbeschreiblich, so etwas zu fühlen. Ich war furchtbar angespannt bis zur Nachspielzeit, dann erst habe ich es geglaubt. Auch wenn es schwer ist zu zeigen: Ich bin gerade k.o.", sagte Tuchel nach der Partie. "Diese Mannschaft ist echt zusammengewachsen."

Paris' deutscher Außenverteidiger Thilo Kehrer - einer von drei ehemaligen Schalkern, die am Ende für die Franzosen auf dem Platz standen - sagte: "Wir sind stolz und happy. Wir werden am Mittwochabend ganz entspannt das Spiel schauen und dann sehen, auf wen wir treffen."

© SZ vom 19.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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