Premier League:Manchester Citys perfekte Zirkusnummer

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Mit links: Manchester Citys Angreifer Raheem Sterling (rechts) kommt beim 3:1 im Lokalderby gegen United frei zum Schuss. (Foto: Darren Staples/Reuters)
  • Manchester City dominiert das Derby gegen den Stadtrivalen United.
  • Das Team von Pep Guardiola führt auch die Premier League wieder an. Doch in diesem Jahr sind der FC Liverpool und der FC Chelsea stärkere Herausforderer.
  • Der Sieg kommt dem Team gelegen. Laut Football Leaks soll City Finanzregularien der Uefa umgangen haben.

Von Sven Haist, Manchester

Das Tricksen ist bei Manchester City nicht erlaubt, zumindest nicht auf dem Fußballplatz. Aber die Verlockung war für Raheem Sterling einfach zu groß, als er in der Nachspielzeit an der Eckfahne an den Ball kam. Sterling stieg mit dem rechten und linken Fuß über den Ball, von innen nach außen, von außen nach innen, so schnell, dass sein Tänzchen nur in Zeitlupe nachzuvollziehen war.

Mit seiner Vertragsverlängerung bis Juni 2023 hat sich Sterling, 23, der teuerste englische Fußballer, an die Gehaltsspitze des aus Abu Dhabi finanzierten Klubs gesetzt. Sein Wochengehalt kann sich dem Vernehmen nach infolge von Bonuszahlungen auf 300 000 Pfund belaufen. Für das viele Geld hat Sterling im Gegenzug die Abmachung getroffen, auf das Ausleben seiner Spielkunst zu verzichten. Eigentlich. Daran erinnerte ihn sein Trainer nach seinem Kabinettstück im Stadtduell mit Manchester United am Sonntag in aller Öffentlichkeit. Pep Guardiola stellte Sterling vor den Fernsehkameras zur Rede. "Der beste Weg, um ein Resultat zu verteidigen, ist, den Ball zu halten", schnaubte Guardiola, "aber er machte Bewegungen mit seinen Füßen. Wir können das vermeiden."

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Wer wollte, der konnte das 3:1 am Sonntagabend so interpretieren: Bei Manchester City darf sich nach wie vor bloß einer verwirklichen: Pep Guardiola selbst. Aber wenn über Guardiolas Fußball gesprochen wird, dann ist das für den Klub gerade eine gute Nachricht.

Wie das aussieht, wenn nach dem Rezept des Katalanen gespielt wird, ließ sich beim entscheidenden Treffer durch Nationalspieler Ilkay Gündogan in der Schlussphase begutachten, bei dem jeder Feldspieler mindestens einmal mit dem Ball eingebunden war. Mit 44 Pässen - den meisten vor einem Tor in der Premier League seit den 45 Zuspielen beim Treffer von Juan Mata für Manchester United im September 2015 - arbeitete sich City nach vorne. Bis Gündogan den Ball nach einer Flanke mit der ersten Berührung am Fünfmeterraum stoppte und mit der zweiten über die Torlinie passte.

Spätestens da mussten sich Uniteds Verteidiger fragen, ob das Verteidigen gegen den Tabellenführer und Meister überhaupt Sinn ergibt. Für City schien sich immer eine Passlücke zu öffnen, wenn sich an anderer Stelle eine schloss. Im Stile eines Artisten, dem die perfekte Zirkusnummer geglückt war, drehte sich Guardiola dem Publikum zu. Der Treffer sicherte nicht nur den Zwei-Punkte-Vorsprung an der Tabellenspitze vor dem FC Liverpool. Es war auch ein Tor, um Anerkennung zurückzugewinnen. Nach ein paar schwerfälligen Leistungen zu Saisonbeginn hat Guardiola seinen Kader wieder auf Linie getrimmt.

Die Stimmung bei Manchester City ist ja durchaus angespannt, seit der Spiegel und das Recherchenetzwerk EIC Dokumente veröffentlicht haben, die aufzeigen, wie der arabische Vereinsclan um Eigentümer Mansour bin Zayed die Regularien des Financial Fair Play offenbar unrechtmäßig umspielt hat. Und so ist jede sportliche Ablenkung mehr als willkommen.

Auf der digitalen Werbebande liefen während des Spiels mehrere Statistiken, um die Vormacht der Citizens in der Stadt zu verdeutlichen. So war dort zu lesen, dass City seit Januar 2017 gegen kein Team außerhalb der ersten vier Ligaränge verloren hat (United ist derzeit Achter). Und es wurde die Bilanz des Trainerduells zwischen Guardiola und José Mourinho aufgeführt: Guardiola hat Mourinho mit zwölf Erfolgen häufiger besiegt als jeden anderen Widersacher. Auf der Webseite veröffentlichte der mit den traditionellen Medien eigentlich fremdelnde Klub ein Interview mit dem Fußballkorrespondenten der New York Times, in dem nach dem eigenen Ansehen in den USA gefragt wird.

In der Vorsaison machte City nach dem Sieg in der Hinrunde über das damals auf Platz zwei liegende United einen großen Schritt zur Meisterschaft. Die drei Punkte vom Sonntag distanzieren den englischen Rekordmeister jetzt um zwölf Zähler, der erste Konkurrent musste damit im Titelkampf schon klein beigeben. Das 300. Spiel in der Premier League für Mourinho endete in der vierten Saisonniederlage, zuletzt war das bei United nach zwölf Spieltagen vor 28 Jahren der Fall.

"Menschen, die den Fußball nicht verstehen, analysieren ihn mit Statistiken. Ich richte mich nach dem, was ich im Spiel fühle", sagte Mourinho dazu. Was er jedoch gesehen und auch gefühlt haben musste: Sein Sicherheitsdenken, möglichst viele Spieler vor dem eigenen Tor zu postieren, verhinderte die eigenen Offensivbemühungen. Das Anschlusstor nach den Führungstreffern von David Silva (12.) und Sergio Agüero (48.) fiel durch Anthony Martial nach einem Elfmeter (58.). Statt sich zur Aufgabe zu machen, dafür zu sorgen, dass das Team am besten von der individuellen Klasse der Spieler profitiert, scheint Mourinho seine Energie darauf zu verwenden, zu vermitteln, dass aus dem vorhandenen Personal nicht mehr herauszuholen ist.

Die nächste Meisterschaft bedeutet der Sieg für Manchester City übrigens noch nicht. Erstmals in der Historie der höchsten englischen Liga sind zu diesem Zeitpunkt mit City, Liverpool und Chelsea noch drei Vereine ungeschlagen.

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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