Pokalfinale: Torsten Frings:Wie ein speiender Vulkan

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Bockig, unangepasst, aufrüttelnd: Der für die WM ausgeladene Torsten Frings führt Werder Bremen ins Pokalfinale gegen den FC Bayern.

Jörg Marwedel

Wer an Torsten Frings denkt, dem fallen eine Menge Worte ein, die nichts mit einem angepassten Menschen zu tun haben: trotzig, widerborstig, bockig, querköpfig, renitent. Und wer ihm ein Kompliment machen will, indem er hervorhebt, Frings habe in dieser Saison gerade seinen dritten oder vierten Frühling als Profi erlebt, den blafft der 33-Jährige zunächst mal an: "Ich bin anscheinend schon hundert Jahre alt und habe vorher nur beschissen gespielt, oder?"

Kampf auf Biegen und Brechen: Torsten Frings (Foto: Foto: Getty)

Torsten Frings ist, wie er selbst sagt, "einer, der seine Meinung offen und ehrlich vertritt". Oder, wie sein Pendant beim FC Bayern, Mark van Bommel, sagt: "einer der letzten Spieler unserer Sorte". Frings und van Bommel kennen sich gut, seit ihrer Jugend, als der eine in Aachen spielte und der andere im nahen holländischen Sittard. Häufiger trafen sie bei Turnieren aufeinander.

Und natürlich ist auch Frings voll des Lobes für den Mann, dem er als Werder-Kapitän am Samstag vor dem Pokalfinale den Wimpel seines Klubs in die Hand drücken wird. Es ist ein Lob auch für sich selber: Van Bommel sei - wie er - jemand, "der für Ordnung in der Mannschaft sorgt und auf die Disziplin achtet". Wie wichtig solche Leute seien, sehe man erst, wenn sie mal aufgehört haben.

"Was geht Sie das an?"

Natürlich ist es dem 79-maligen Nationalspieler nicht wirklich egal, dass er bei der WM in Südafrika nicht dabei sein darf. Obwohl er den Kampf seit jenem Tag im Januar aufgegeben hat, als Bundestrainer Joachim Löw nach Bremen kam, um Frings in zehn Minuten zu erläutern, weshalb er nicht länger mit ihm plane. Den wahren Grund wird er kaum mitgeteilt haben: Dass er fürchtete, ein möglicher Ersatzspieler Frings würde in etwa soviel für ein gutes Teamklima tun wie ein speiender Vulkan für die Luft.

Einen triftigeren Grund kann es derzeit nicht geben. Außer, dass Frings der modernen fußballwissenschaftlichen Betrachtungsweise Löws weniger folgt als seine kurzhaarigen Nachfolger, die zudem schneller sind. Der Abräumer im Mittelfeld ist dennoch gerade vom Kicker als sechstbester Feldspieler der abgelaufenen Bundesliga-Saison eingestuft worden. Auch deshalb kann Frings, der 2006 noch einer der wichtigsten Spieler des Sommermärchens war, kleine Spitzen gegen Löw nicht lassen. Wenn ihn jemand fragt, was er während der WM mache, sagt er nur: "Einen langen Urlaub, aber was geht Sie das an?"

Werder-Chef Klaus Allofs und Coach Thomas Schaaf haben mit dieser Art keine Probleme. Schaaf weiß, das Frings zuweilen gewöhnungsbedürftig ist - auch, wenn er über Kollegen herzieht. Früher waren das Diego oder Klose, jetzt ist es manchmal Torwart Wiese. Als Werder im Winter fünf Spiele hintereinander verloren hatte, hat Frings der Mannschaft vorgehalten, sie sei "unwürdig, das Trikot mit der Raute zu tragen". Doch Schaaf, der Frings 2005 nach drei Jahren in Dortmund und bei Bayern zurückholte, sagt nur: "Er will die Mannschaft voranbringen und aufrütteln. Dabei darf er auch mal übers Ziel hinausschießen."

Vor allem aber hat das Bremer Führungsduo sich in seiner Einschätzung nicht getäuscht. Nach der Ausbootung aus dem Nationalteam setzten beide darauf, "dass Torsten daraus neue Motivation zieht, um anderen zu beweisen, dass diese Entscheidung falsch war". Tatsächlich tickt Frings genau so. Er wurde Stück für Stück wieder besser, hat den jungen Irrwischen Mesut Özil, Marko Marin oder Aaron Hunt den Rücken freigehalten. Er hat viele Löcher im Mittelfeld gestopft, obwohl er langsamer geworden ist und nicht mehr "blindwütig jedem Ball hinterher läuft", wie Mirko Votava, der Urvater aller Bremer "Sechser", bemerkte. Frings sagt, ihm sei "egal, was die Leute oder die Mitspieler über mich denken". Votava sagt, Frings sei "eine echte Persönlichkeit auf dem Platz".

Der coole Rocker, der noch immer gern mit löchrigen Jeans herumrennt, lange Haare trägt und kaum noch einen Flecken Haut hat, wo kein Tattoo eingebrannt ist, er gab dem Bremer Team zuletzt wieder das, was eine Spitzenelf braucht - jemanden, an dem sich alle, auch die Mitspieler, reiben können. Vor allem aber hat Frings: Erfahrung.

Dreimal schon hat er den Pokal gewonnen. Das erste Mal 1999 gegen die Bayern nach einer Saison, in der Werder fast abgestiegen wäre; es war auch Schaafs erster Titel als Trainer. Auch diesmal sieht Frings die Bayern als Favorit. Sie seien derzeit "vielleicht die beste Mannschaft Europas". Doch an guten Tagen könne Werder "jede Mannschaft der Welt schlagen", sagt er. Und er vergisst nicht, von seinem Freund van Bommel noch jenen Champagner einzufordern, den dieser ihm nach Werders Liga-Sieg bei Schalke versprochen hatte.

© SZ vom 14.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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