Playoffs in der NFL:Hässlich, aber erfolgreich

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Es ist, als würden sich die Spieler des FC Bayern vor dem Champions-League-Finale gegenseitig beschimpfen: Die Baltimore Ravens spielen in der NFL um den Einzug in die Super Bowl - und motzen über ihren Spielmacher Joe Flacco. Der muss am Sonntag beim Duell zweier Philosophien nicht nur verwalten, sondern punkten.

Jürgen Schmieder

Man stelle sich vor: Der FC Bayern braucht nur noch einen Sieg, um ins Finale der Champions League einzuziehen. Kurz vor der Partie gibt Mario Gomez ein Interview, in dem er sagt, dass Manuel Neuer zuletzt ordentlich gewackelt habe und auch mal wieder einen Ball sicher fangen könne. Überhaupt solle die gesamte Defensive besser agieren. Unvorstellbar?

Gegen Houston häufig unter Druck: Baltimores Quarterback Joe Flacco. (Foto: REUTERS)

Bei den Baltimore Ravens, die am Sonntag im Halbfinale der Football-Liga NFL bei den New England Patriots um den Einzug in die Super Bowl spielen, passiert gerade genau das. "Er hat ein bisschen geklappert", sagte Verteidiger Ed Reed nach dem 20:13-Sieg gegen die Houston Texans über Spielmacher Joe Flacco, "so kann er nicht spielen. Er muss den Ball schneller loswerden." Und weiter: "Die ganze Offensive Line muss besser blocken und mehr miteinander reden."

Seit Wochen wird der Quarterback kritisiert, nun also sogar von einem Mitspieler. Flacco ist kein kreativer Gestalter, er ist ein unauffälliger Verwalter der Offensive. Spektakuläre Aktionen sind ebenso selten zu bestaunen wie groteske Fehler, hin und wieder wird erst beim Lesen der Statistik klar, dass er tatsächlich an einem Spiel beteiligt war.

"Er sollte Kommandos geben", schimpfte Reed weiter, "doch es sah nicht so aus, als hätte er Kontrolle über die Offensive. Ich hatte eher den Eindruck, als hätten ihm andere ständig gesagt, was er machen soll."

Für die zwölf Siege aus 16 Partien in der regulären Saison war tatsächlich meist die herausragende Defensive um die Linebacker Terrell Suggs und Ray Lewis und eben Safety Ed Reed verantwortlich. "Reed ist unglaublich", sagt Patriots-Spielmacher Tom Brady, "er ist der beste Free Safety, der jemals gespielt hat."

Nur 16,6 Punkte pro Spiel erlauben die Ravens ihren Gegnern, sie lassen nur 288 Yards Raumgewinn zu, dafür haben sie gegnerische Quarterbacks bereits 48 Mal umgerissen. Deshalb darf die Offensive der Ravens eine Angriffsserie häufig in guter Position starten und mit wenigen Aktionen punkten.

Kann auch werfen: Joe Flacco. (Foto: REUTERS)

Im Viertelfinale gegen Houston etwa konnte Joe Flacco einmal nach einem Anstoß zwei Yards vor der generischen Endzone beginnen. Flacco übergibt den Ball häufig einem Running Back, er wirft seltener als andere Spielmacher. "Wir spielen hässlichen Football, aber wir spielen auch knallharten und erfolgreichen Football", sagt Reed, "wir sind die Antithese zu den hübschen Buben aus New England."

Aus diesem Grund gilt die Partie gegen die Patriots - das andere Halbfinale bestreiten die San Francisco 49ers und die New York Giants - als Duell zweier Philosophien. New England nämlich besiegt seine Gegner meist nicht nur, sondern nimmt sie regelrecht auseinander.

Brady schaffte bislang allein mit Würfen einen Raumgewinn von 317 Yards pro Spiel. Wes Welker, Rob Gronkowski, Aaron Hernandez und Deion Branch gehören zu den besten Passempfängern der Liga. Mehr als 32 Punkte erzielen die New England Patriots pro Spiel, beim Viertelfinale gegen Denver waren es sogar 45 Zähler.

Flacco sollte deshalb nicht nur verwalten, sondern auch Punkte produzieren. Verteidiger Terrell Snubbs glaubt an seinen Spielmacher: "28 von 32 Quarterbacks sitzen jetzt vor dem Fernseher und sehen ihm dabei zu, wie er um den Einzug in die Super Bowl spielt."

Flacco selbst geht recht gelassen mit der Kritik um: "Ich bin seit vier Jahren Profi und habe immer die Playoffs erreicht. Kritik gehört dazu, ich dachte nur: Warum jetzt?" Kürzlich beschwerte sich übrigens sein Nachbar beim Management der Ravens, weil er Flacco beim Skateboardfahren gesehen habe - viel zu gefährlich. Flaccos Reaktion: Sollten die Ravens die Super Bowl gewinnen, dann will er bei der Parade in Baltimore mit dem Skateboard erscheinen.

© SZ vom 20.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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