US Open:Es läuft bei Philipp Kohlschreiber

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In der Runde der besten 16: Philipp Kohlschreiber. (Foto: AP)
  • Philipp Kohlschreiber schlägt den Australier John Millmann souverän in drei Sätzen und steht im Achtelfinale der US Open.
  • Zusammen mti dem Einzug von Michael Zveev ist es das beste Ergebnis des deutschen Herren-Tennis seit 2006.
  • Kohlschreiber profitiert von der Absage von Andy Murray - ist aber auch erstaunlich gut in Form.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es gibt diesen Gesichtsausdruck von Philipp Kohlschreiber, den sonst nur Bud Spencer derart genervt hinbekommt. Er presst die Lippen aufeinander und zieht die Augenbrauen nach unten, es fehlt eigentlich nur das Bud-Spencer-Knurren. Kohlschreiber ist in diesen Augenblicken massiv angefressen von sich selbst, weil er einen Rückhand-Volley ins Aus geschubst oder einen Ballwechsel nicht konsequent zu Ende gespielt hat - und nach der ansehnlichen Beschwerde über sich selbst zeigt er den Zuschauern durch einen Luftschlag noch, was er künftig besser machen muss: mehr Topspin auf die Rückhand, flachere Angriffsschläge, keine Lollipop-Volleys.

Er musste sich zu Beginn der Partie gegen John Millman (Australien) einige Male grämen. Er war der bessere Akteur auf dem Platz, er erspielte sich gleich Breakpunkte - und lag dennoch mit 0:3 zurück. "Er hat mich zu Beginn überrascht, weil er sehr gut gekontert hat", sagte der Augsburg nach dem am Ende souveränen 7:5, 6:2, 6:4: "Ich habe dann bemerkt, dass er mit meinem Slice nicht zurechtkommt. Ich habe solider gespielt, war der Aktivere und habe die Partie an mich gerissen."

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Kohlschreiber hatte wegen muskulärer Probleme im Oberschenkel auf die Vorbereitungsturniere in den USA verzichtet - und dafür schnell mal die Veranstaltung in Kitzbühel gewonnen. Er reiste ohne wahnwitzige Erwartungen nach New York, in der ersten Runde hätte er gegen Benoït Paire spielen müssen: "Ein unangenehmer Gegner, bei dem man nie weiß, was einen erwartet. Das wäre ein typisches 50:50-Spiel gewesen. Nun hatte ich ein bisschen Glück, auf einen Qualifikanten zu treffen."

Aufgrund des Verzichts von Andy Murray rutschte er zwei Tage vor Beginn der US Open noch schnell in die Setzliste, er gewann locker mit 6:1, 6:4, 6:4 gegen Tim Smyczek (USA). Auf den teilweise chaotischen Fahrten von Manhattan zur Tennisanlage in Flushing Meadows hatte er überraschenderweise überhaupt keine Probleme, in der zweiten Runde gab sein Gegner Santiago Giraldo (Kolumbien) verletzt auf - allerdings hatte Kohlschreiber bereits 6:2, 6:1, 3:0 geführt. "Es hat sich alles verändert", sagt Kohlschreiber: "Aber ich habe meine Chance auch genutzt."

Der 33-jährige Deutsche gewinnt die meisten langen Ballwechsel

Gegen Millmann leistete er sich zwar 40 leichte Fehler, gewann aber auch 84 Ballwechsel durch Gewinnschläge oder dadurch, dass er seinen Gegner zu Fehlern zwang. Er gewann 70 Prozent der Ballwechsel, die länger als vier Schläge dauerten. Normalerweise reichen 55 Prozent in dieser Kategorie zum Sieg. Manchmal, da läuft es eben im Leben.

Kohlschreiber steht mal wieder im Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers, das hatte er seit 2014 nicht mehr geschafft. Überhaupt hatten zuletzt im Jahr 2006 zwei deutsche Männer die zweite Woche bei den US Open erreicht (damals: Tommy Haas und Benjamin Becker). Das gilt ja für Spieler als Zäsur bei einem Grand-Slam-Turnier. Dritte Runde klingt nach dem Start eines 10.000-Meter-Laufs, Achtelfinale klingt schon ein bisschen nach Endspiel.

Er wird nun, wie schon vor zwei Jahren in der dritten Runde, mal wieder auf Roger Federer treffen. Der Schweizer, der in der Nacht zu Sonntag glatt gegen Feliciano López gewann, wirkt, auch aufgrund der ungenügenden Vorbereitung wegen einer Rückenverletzung, noch ohne Feinabstimmung bei diesen US Open. Damals hatte Kohlschreiber vor der Begegnung gesagt: "Na und? Dann bekomme ich eben eine auf die Mütze." Nun sagte er noch auf dem Platz grinsend: "Ich hoffe ja, dass Feliciano gewinnt... Nein, es ist mir egal. Vielleicht ist jetzt die Chance am größten, nach elf Niederlagen mal gegen Roger zu gewinnen. Falls er nicht gut spielt, werde ich da sein. Ich werde ihm einen guten Kampf liefern."

Er sagte das nicht mit Bud-Spencer-Grummeln, sondern mit Terrence-Hill-Lächeln.

© SZ vom 03.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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